In der Waadt heisst es ab sofort: Wer zuerst kommt, impft zuerst. Die Westschweizer haben am Montag verkündet, dass sich von nun an alle – mit Ausnahme von Kindern und Genesenen – für eine Impfung anmelden können. Getreu dem Motto «de Schneller isch de Gschwinder» muss die jüngere Generation also nicht mehr darauf warten, bis die Eltern und Grosseltern geimpft sind (was sie in der Schweiz auch noch nicht vollständig sind).
Der Kanton Waadt ist mit seiner neuen Impfstrategie nicht alleine. Ab Mitte Mai will auch Solothurn Termine an die breite Bevölkerung vergeben. Aargau und Uri sind ebenfalls mit von der neuen Impf-Partie. Zürich will am Mittwoch bekannt geben, wie es weitergehen soll. Bis jetzt heisst es im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, dass die breite Bevölkerung ebenfalls ab Mai Termine buchen kann.
Grund für die Öffnung ist ein Strategiewechsel beim BAG: So wurde Mitte April die Empfehlung aufgehoben, wonach für jede Erstimpfung die Zweitimpfung bereits vorrätig sein muss. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass jede Person ihre Zweitimpfung termingerecht nach drei Wochen bekommt. Auch, wenn Lieferschwierigkeiten auftreten.
Mittlerweile ist sich das BAG aber sicher, dass sie in den nächsten Monaten die von den Herstellern versprochenen Dosen erhalten werde. 8.1 Millionen Ampullen von Pfizer/Biontech und Moderna sollen es bis Ende Juli sein. Das bedeutet, dass die Kantone keine Zweitdosis-Reserven mehr haben müssen, «denn sonst haben wir plötzlich viel zu viele Impfdosen auf Reserve», sagte Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle beim BAG, an der Pressekonferenz am Dienstag.
Dass die Kantone keine Reserven für die zweite Spritze mehr haben müssen, heisst jedoch nicht, dass auch die Empfehlung für die Impfreihenfolge nicht mehr gilt. Masserey betonte an der Pressekonferenz: «Ältere sollten weiterhin priorisiert werden.» Doch auch das BAG scheint sich nicht allzu sehr am Vorpreschen der Kantone zu stören. Auch für sie sei es ein Ziel, «dass möglichst bald alle geimpft werden können, die sich impfen lassen wollen.»
Gesundheitsminister Alain Berset sagte derweil etwas vage: «Wenn alle Risikopersonen die erste Dosis erhalten haben, gibt es keinen Grund, die breite Bevölkerung weiter von den Impfungen auszuschliessen.» Bislang haben aber in keinem Kanton alle Risikopersonen eine erste Dosis erhalten.
Die Pläne von Waadt und Co. kommen indes nicht bei allen gut an. So sagte Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, gegenüber dem «Blick»: «Ich fände es sinnvoller, zuerst die Älteren zu impfen. So verhindert man mehr schwere Verläufe».
Auch einige Kantone wollen daran festhalten, zuerst die Risikogruppen zu impfen. Glarus, Basel-Stadt, Appenzell Ausserrhoden, Obwalden, Graubünden, Thurgau, Nidwalden, Bern und Wallis liessen dies bereits verlauten. Grund dafür dürfte eine anhaltende Skepsis ob mehreren nicht eingehaltenen Lieferversprechungen sein. Gründe für diese Skepsis sind einige vorhanden: So musste das BAG bereits kurz nach der Empfehlungsaufhebung für die Reserven verkünden, dass 200'000 versprochene Dosen von Moderna nicht rechtzeitig geliefert werden können.
Gegenüber dem «Blick» begründete der Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion, Gundekar Giebel, dies ähnlich. Man habe aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt und wolle nun immer erst abwarten, bis das Impfmaterial im Land sei, bevor man Impftermine vergebe.