Die Zahl der Covid-Fälle in der Schweiz hat den Peak der zweiten Welle von vor einem Jahr erreicht. Die Zahl der Spitaleinweisungen liegt hingegen bei einem Drittel der zweiten Welle.
Das sagte Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle im Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag in Bern vor den Medien. Bei den Todesfällen – auch sie nähmen zu – liege man bei etwa einem Fünftel des Höhepunktes der zweiten Welle.
Die Zahl der Impfungen nehme seit der nationalen Impfwoche im November wieder ab. «Das ist schade», sagte Masserey. In den letzten Tagen seien täglich 52'000 Impfungen verabreicht worden, was aber vor allem auf Booster-Impfungen zurückzuführen sei. Von den ab 65 Jährigen hätten um die 40 Prozent die Auffrischimpfung erhalten.
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Von Omikron gebe es in der Schweiz «ziemlich wenige» Fälle, sagte Masserey. Man rechne aber mit einer Zunahme. Man wisse, dass Omikron sehr ansteckend sei. Masserey empfahl daher die Impfung, und gerade Älteren und Vulnerablen werde die Auffrischimpfung sehr empfohlen.
Das Spitalsystem in der Schweiz und die kantonalen Verwaltungen geraten nach Einschätzung des Präsidenten der Vereinigung der Kantonsärzte wegen der Entwicklung der Corona-Ansteckungszahlen zunehmend an ihre Grenzen. Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri sagte an der Pressekonferenz:
Und eine nachhaltige Abkühlung sei nicht in Sicht. Die Lage in den Spitälern spitze sich zu. Abstriche bei der Behandlungsqualität seien «nicht mehr allzu fern», Gleiches gelte für die Triage.
Hauri betonte, der Anstieg der Fallzahlen sei nach wie vor sehr dynamisch. Bei repetitiven Tests in Zürcher Schulen etwa sei der Anteil der entdeckten Ansteckungen zwanzig bis dreissig mal höher als je zuvor.
Diese Entwicklung kommt nach Einschätzung Hauris nicht unerwartet. Man habe bei Einleitung der Normalisierung, nachdem alle Impfwiligen ein Impfangebot erhalten hätten, um diese Gefahr gewusst.
Hauri betonte, dass Schuldzuweisungen nicht weiter helfen würden. Alle seien gefordert. Und alle seien betroffen, denn jeder und jede könne in die Situation geraten, auf Spitalpflege angewiesen zu sein.
Im Moment gibt es 23 Spitäler in der Schweiz, die über keine freien zertifizierten Intensivbetten mehr verfügen. Die Zahl der Covid-19-Patientinnen und -Patienten hat sich innerhalb von 23 Tagen verdoppelt.
Wenn auch erste Spitäler keine Intensivplätze mehr hätten, gebe es Stand Dienstag schweizweit noch ausreichende Intensivkapazitäten, sagte Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst (KSD). Es gebe noch eine Reserve an 167 Betten. Die Koordination und Verteilung der Betten unter den Spitälern werde damit unterstrichen.
Wenn die Zahl der Reserve unter 150 falle, müssten zusätzliche, nicht zertifizierte Betten mit Personal aus anderen Stationen in Betrieb genommen werden. Die Herausforderung sei zudem, dass ein Teil der zertifizierten Betten nicht mehr betrieben werden könne, wenn Intensiv-Personal ausfalle.
Insgesamt gebe es 900 Intensivbetten und 21'500 Akut-Betten. Die Belegung mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf normalen Stationen habe sich in den vergangenen fünf Tage verdoppelt.
Auf den Intensivstationen gab es Stand Dienstagmorgen über die gesamte Schweiz einen Anteil an Covid-Patienten von 39 Prozent. Mit zunehmender Tendenz von elf Prozent in den letzten fünf Tagen.
Am stärksten ausgelastet sind die Intensivstationen in der Westschweiz (97 Prozent Auslastung), mit einem Anteil von 40 Prozent an Covid-Patienten. Es folgt die Region Zürich mit einer Auslastung von 90 Prozent, aber mit dem schweizweit tiefsten Covid-Patienten-Anteil von 25 Prozent.
Die tiefste Auslastung hat das Tessin mit 60 Prozent und dem zweittiefsten Covid-Patienten-Anteil von 30 Prozent.
Wer sich nun fragt, warum sich die offiziellen Zahlen teils so unterscheiden: Stettbacher begründet dies damit, dass es stündlich Veränderungen gebe. Darum könnten sich die Zahlen auch laufend ändern – auch im Covid-Dashboard.
Wird die epidemiologische Entwicklung nicht schnell gebremst, werde das Auswirkungen auf alle Patientinnen und Patienten haben. Das stellte Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, fest.
Im Spital behandelt werden müssten derzeit zwei Patientenpruppen, sagte der Chefarzt für Infektiologie am Kantonsspital Winterthur. Ungeimpfte zwischen 40 und 70 Jahren, die trotz Risikofaktoren nicht geimpft seien. Zur zweiten, grösseren Gruppe gehörten Menschen zwischen 70 und 90 Jahren, die an vielen Begleitkrankheiten litten und die dritte Impfdosis noch nicht bekommen hätten. Karrer sagte:
Zurzeit befänden sich 263 Menschen in den Intensivpflegestationen. Ohne Trendumkehr bei den Fallzahlen in Kürze, könnte die Schwelle von 400 Intensivpatienten noch im Dezember überschritten werden.
Dann finde implizite Triage statt, sagte Karrer. Gewohnte Behandlungsstandards könnten dann nicht mehr gehalten werden. Daten aus dem vergangenen Jahr zeigten, dass in diesem Fall bei Covid-Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit zu rechnen sei. Karrer stellt aber klar:
In Deutschland und Österreich, mit einem ähnlichen Immunisierungsgrad wie in der Schweiz, seien die Ansteckungen dank starker Massnahmen zur Kontaktreduktion zurückgegangen.
«Welche Massnahmen angemessen sind, ist eine Frage für Behörden und Politik.» In einer derartigen Lage sei das Tempo der Umsetzung massgebend, mahnte Karrer und forderte «einen Tritt aufs Bremspedal».
Die Covid-19-Taskforce des Bundes hat «berechtigte Zweifel», dass die seit Montag geltenden Massnahmen ausreichen, um den R-Wert auf 0,8 zu senken. Ob und wann es weitere Massnahmen brauche, werde man neu beurteilen müssen.
Bei einem R-Wert von 0,8 sollte die Zahl der Corona-Ansteckungen nicht mehr exponentiell wachsen. Ganz wichtig sei jetzt die Frage, wie sich die Bevölkerung verhalte, sagte Urs Karrer, Vizepräsident der Taskforce. Das könne man schlecht voraussehen, aber es habe einen wichtigen Einfluss auf die Situation.
Eine Journalistin stellte die Frage, wieso die Kantone jetzt Hilfe von der Armee bräuchten, respektive, ob die nicht zu spät käme. Es sei ja schon lange bekannt, dass der Booster komme und sich die Situation in den Spitälern zuspitze.
«Die Kantone haben sich sehr wohl vorbereitet und es laufen auch Massnahmen», sagte dazu der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri. Aber es habe alles Grenzen – auch «Durchhaltegrenzen». Die Kantone hätten zudem bereits mit dem Zivilschutz gearbeitet. Die Hilfe sei nicht zu spät, man gehe aber an Belastungsgrenzen, bevor man Hilfe beantrage.
(jaw/sda)
Leider wird auch das kaum einen Schwurbler dazu motivieren oder überzeugen, sich ebenfalls impfen zu lassen 🙁