Starkoch Ivo Adam hat in seiner Karriere schon allerhand erlebt. Die Coronakrise verlangt dem Leiter des Berner Gastro- und Kulturtempels «Casino» jedoch alles ab. Der 42-Jährige ist zwar glücklich, dass sein Betrieb im Herzen der Altstadt wieder offen ist. Die Sorgenfalten verschwinden aber nicht so plötzlich, wie eine erste Zwischenbilanz zeigt. «Das Mittagsgeschäft im Restaurant ist praktisch tot», so der Unternehmer.
Denn für die Restaurants ist das landesweite Corona-Homeoffice ein Graus. «Die Geschäftsleute bleiben und essen zuhause. Dafür läuft der Abend überraschend gut», sagt Adam, der seit 2016 im Casino Bern das Zepter schwingt. Die Menschen hätten langsam «Blut geleckt». «Es kommen jeden Tag mehr Gäste. Bald können wir zumindest unsere Kosten wieder decken», sagt der bekannte TV-Koch zu watson.
Auch im normalerweise proppenvollen Zürcher Kultlokal «Les Halles» können sich die Gäste am Mittag ihren Platz selbst aussuchen. «Viele Leute haben sich daran gewöhnt, daheim zu essen. Es ist schon sehr ruhig», bestätigt Andreas Güntert, Chef de Service. Trotz des schlechten Wetters seien aber abends einmal bereits alle verfügbaren Tische besetzt gewesen.
Langsam aufwärts geht es auch in der Berner Szenebeiz Barbière. Während des Lockdowns versuchten Amadeus Raemy und seine Kollegen mit Take-Away, Lieferservice und als Quartierladen über die Runden zu kommen. Nun ist das Lokal um elf Uhr morgens schon gut gefüllt, als Raemy das erste Bier zapft und übers ganze Gesicht strahlt. «Wir sind huere am Gas geben, ich habe Freude», so der 31-Jährige.
Die Barbière-Crew hat genau gerechnet. Es braucht einen Umsatz von 80 Franken je Mitarbeitenden, damit mit der reduzierten Corona-Platzzahl die Rechnung aufgeht. Was zumindest bei schönem Wetter kein Problem sein sollte: Das Barbière ist eine Trinkbeiz mit viel Laufkundschaft.
Schwarz sieht der der Gastro-Profi für traditionelle Betriebe: «Für eine Fressbeiz lohnt es sich niemals, mit diesen Einschränkungen zu öffnen.» Gastroverbände gehen davon aus, dass jede vierte Beiz in der Schweiz wegen der Corona-Krise verschwindet.
Das Barbière gehört definitiv nicht dazu. «Wir freuen uns jetzt auf das schöne Wochenende. Das wird laufen wie blöd», ist Raemy überzeugt.
Davon geht auch Starkoch Ivo Adam aus. Dennoch bleibt das Casino – das mit einer beliebten Terrasse mit Blick auf Aare und Gurten punktet – ausgerechnet am umsatzstarken Sonntag bis auf weiteres geschlossen. «Wenn der Andrang zu gross ist, könnten wir womöglich die Schutzmassnahmen nicht mehr einhalten. Das wollen wir verhindern», sagt der Casino-Direktor.
Aber was bleibt von Corona für die Gastronomen übrig, ausser einem Stapel Rechnungen? Raemy sieht durchaus positive Entwicklungen. Das Barbière hält etwa am Take-Away-Angebot fest. An guten Tagen gingen gegen 200 Mittags-Portionen über die Theke. «Aus jeder Krise entsteht etwas Neues», bilanziert Raemy.