Die Anzahl neuer Corona-Infektionen hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Der 7-Tage-Schnitt der schweizweiten Reproduktionszahl (R-Wert) liegt laut neuestem Lagebericht der Covid-19-Taskforce des Bundes bei 1,07. In den letzten Wochen wurden demnach durchschnittlich rund 2500 neue Fälle pro Tag diagnostiziert.
Die Zahl der Fälle und Krankenhausaufenthalte stieg zwischen Ende Juni und Mitte August deutlich an und stabilisierte sich dann auf hohem Niveau, wie die wissenschaftliche Covid-19-Taskforce des Bundes in ihrem neuesten Lagebericht vom Dienstag schrieb.
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Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) bleibt die epidemiologische Situation in der Schweiz «bis zu einem gewissen Grad besorgniserregend». Prognosen seien weiterhin schwierig. Weiterhin «sehr angespannt» sei die Lage auf den Intensivstationen.
Das sagte Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG, am Dienstag vor den Medien in Bern. Das epidemische Geschehen bleibe nach wie vor mit vielen Unabwägbarkeiten verbunden.
Am meisten von neuen Corona-Ansteckungen betroffen sind laut dem Bund die 0- bis 39-Jährigen. Sie machen demnach rund drei Viertel der Ansteckungen aus. Insbesondere bei den 0- bis 9-Jährigen zirkuliere derzeit das Virus.
«Bei den Schwerkranken stellt sich keine Entspannung ein», sagte Mathys mit Blick auf die noch immer hohe Auslastung der Intensivbetten. Bei einer weiteren Verschlechterung der Lage werde das Gesundheitswesen rasch unter grossen Druck geraten. (sda)
Ja, die Experten des Bundes empfehlen ab sofort auch Schwangeren eine Impfung gegen das Coronavirus. Die Impfung kann ab der zwölften Schwangerschaftswoche erfolgen. Schwangere haben vielfach einen schwereren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung als andere Menschen.
Die Impfempfehlung gilt auch für Stillende, wie Christoph Berger, der Präsident der Eidgenössische Kommission für Impffragen (Ekif) sagte. Zudem sollten sich auch Frauen, die eine Schwangerschaft planen, impfen lassen.
Eine steigende Anzahl von Daten zeige, dass die Vorteile der Impfung für Schwangere die Risiken einer Erkrankung überwiegen würden, begründete Berger den Entscheid. Schwangere haben seinen Angaben zufolge ein erhöhtes Risiko, mit einer Covid-19-Erkrankung im Spital und sogar auf der Intensivstation zu landen. Auch bestehe die Gefahr einer Fehlgeburt.
Schwere Folgen seien bei 150'000 in den USA geimpften Schwangeren nie beobachtet worden. Eine Impfempfehlung für werdende Mütter gebe es auch in anderen Ländern, letzthin erst in Deutschland. Fertilitätsprobleme seien weder für Frau noch Mann zu erwarten.
Nein, zumindest für die breite Masse gibt es vorerst keine Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus. Einzig schwer Immunsupprimierten etwa nach einer Organtransplantation wird sie verabreicht. Der Impfschutz gegen schwere Infektionen bei den anderen reicht aus.
Den Schutz der Geimpften gelte es differenziert zu betrachten, sagte Christoph Berger. Zuerst einmal bilde die Menge von Antikörpern in den Schleimhäuten eine Abwehrbarriere.
Deren Anzahl gehe mit zunehmendem zeitlichem Abstand von der Impfung zurück. So könne eine leichtere Infektion auftreten. Die tiefer liegenden Körperzellen etwa in der Lunge seien hingegen weiterhin geschützt. Schwere Krankheitsverläufe blieben damit aus. Das Immungedächtnis wehre dort die Coronaviren ab. Das gelte auch für die Delta-Mutation.
Wenn die Impfung nicht mehr ausreichend wirken würde, könnte man immer noch mit einer dritten Dosis reagieren. Berger nimmt aber nicht an, dass das schon in ein oder zwei Monaten der Fall ist. Man werde die Lage aber aufmerksam beobachten.
Da könnte was gehen: Der Bund intensiviert seine Verhandlungen über den Kauf des Vektorimpfstoffs des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson (Janssen). Er soll bei Personen eingesetzt werden, die aus medizinischen Gründen nicht mit den bisher verabreichten mRNA-Impfstoffen geimpft werden können.
Mit Johnson & Johnson (Janssen) laufen aktuell intensiviert Verhandlungen über den möglichen Bezug einer kleinen Menge von Impfdosen, wie das Bundesamt für Gesundheit am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Vertragsabschlüsse und die Anzahl von Impfdosen würden zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Der Wirkstoff des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson ist seit Ende März für den Gebrauch in der Schweiz befristet zugelassen. Er wurde in der Schweiz jedoch noch nicht verabreicht, weil der Bund bisher mit dem Hersteller keinen Vertrag abgeschlossen hatte. Es handelt sich um eine Einmalimpfung für Personen ab 18 Jahren.
Laut Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte (VKS), stösst die Kontaktverfolgung derzeit an ihre Grenzen. Mit dem Instrument könne die Virusausbreitung nur eingeschränkt verzögert werden. Er sagte:
Die Pandemie sei noch nicht vorbei, auch wenn einzelne Länder das Ende verkündeten. Gründe für die anhaltend hohen Fallzahlen seien unter anderem die ansteckende Delta-Variante des Virus sowie die Lockerungen der vergangenen Monate.
Zur Situation in den Schulen sagte Hauri, dass auch dort nicht jede Ansteckung verhindert werden könne. «Ziel ist es, eine zügellose Virusverbreitung zu verhindern.» Dazu dienten etwa repetitive Reihentests, die Maskentragpflicht und regelmässiges Lüften.
Die Kantone seien zudem dabei, ihre Impfkampagnen zu intensivieren, hielt Hauri fest. Die steigende Nachfrage nach einer Impfung könne von den Kantonen aufgefangen werden. Lokal könne es aber zu Wartezeiten kommen.
Wenn die Schweiz über die Aufhebung aller Corona-Schutzmassnahmen diskutieren wolle – wie dies etwa in Dänemark der Fall sei – müsse die Durchimpfungsrate höher sein, sagte Experte Patrick Mathys. Insbesondere Jüngere müssten sich nun impfen lassen.
Sie hätten lange verzichten und auf eine Impfung – auf ihren Schutz – warten müssten, sagte Mathys weiter. Jetzt könnten und sollten sie sich impfen lassen. Unter den Jungen kursiere das Virus derzeit stark.
Das Infektionsgeschehen sei weiterhin hoch, sagte der Fachexperte. Das liesse sich an den Positivitätsraten der Tests ablesen. 13 Prozent der PCR-Test und drei Prozent der Antigen-Tests seien positiv. Das Testvolumen habe seit Anfang August um rund 50 Prozent zugenommen.
Die Nachfrage nach Impfungen sei in den vergangenen Tagen aber gestiegen. 27'000 Impfungen pro Tag seien in den vergangenen Tagen durchschnittlich verabreicht worden. Mit einer hohen Durchimpfungsrate könnte man zulassen, dass sich mehr Personen anstecken, ohne dass die Spitäler über Gebühr belastet würden, da diese Personen vor einem schweren Verlauf geschützt seien.
(jaw/sda)