Schweiz
Coronavirus

Salathé zieht nach seiner Corona-Erkrankung eine düstere Bilanz

ARCHIVBILD ZUM RUECKTRITT VON MARCEL SALATHE AUS DER COVID-19-TASKFORCE DES BUNDES, AM SONNTAG, 21. FEBRUAR 2021 - Marcel Salathe, Professeur en epidemiologie de l'EPFL et responsable du groupe d ...
Der Epidemiologe Marcel Salathé war bis Februar 2021 Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes.Bild: keystone

Epidemiologe Salathé nach Corona-Infektion: «Covid ist scheisse, auch bei mildem Verlauf»

Der Epidemiologe Marcel Salathé hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Auf Twitter schildert er, wie er die Krankheit und die Isolation erlebt hat. Und zieht eine bittere Bilanz.
22.12.2021, 11:0522.12.2021, 14:24
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«Heute Abend endet meine Covid-Quarantäne», schreibt Marcel Salathé am Dienstagabend auf Twitter. Der Epidemiologe hatte sich vor einigen Tagen bei seiner Tochter angesteckt und seither seinen Krankheitsverlauf detailliert protokolliert. Auf dem Kurznachrichtendienst teilt er die gemachten Erfahrungen.

Seine Tochter sei zwölf Jahre alt und deswegen noch ungeimpft. In ihrer Schule habe man die Kinder nie getestet. Seit Beginn der Pandemie kein einziges Mal. Auch Masken hätten die Kinder nicht tragen müssen. «Es ist nicht überraschend, dass sich inzwischen fast alle in ihrer Klasse mit dem Virus angesteckt haben», schreibt Salathé.

In den letzten Monaten sei er zunehmend besorgt gewesen, dass sich auch seine Tochter anstecken könnte. «Ich hoffte, dass wenn sie sich das Virus einfängt, sie einen milden Verlauf haben wird.» Um sich selbst habe er sich anfangs keine Sorgen gemacht, da er doppelt geimpft sei. Doch als sich die Daten über den Rückgang des Impfschutzes zu häufen begannen, habe er eine Auffrischimpfung machen wollen. Als gesunder 46-Jähriger stand er allerdings nicht auf der Prioritätenliste.

Über sechs Monate lag Salathés zweite Impfung schon zurück, als er ein Impfzentrum betrat und sich nach einem Booster erkundigte. Dort wurde er aber abgewiesen, weil er keinen Termin gebucht hatte. Was nicht verwunderlich ist, weil zu jenem Zeitpunkt das Terminbuchungssystem für seine Altersgruppe noch gar nicht aufgeschaltet war. «Dieses Bild werde ich nie vergessen», schreibt Salathé. «Das fast leere Impfzentrum, wo mir gesagt wird, dass sie mich ohne Termin nicht impfen können, auch wenn die letzte Dosis über sechs Monate zurückliegt.»

Am nächsten Morgen war der Selbsttest seiner Tochter positiv. Glücklicherweise habe sie einen milden Verlauf. Drei Tage später zeigte auch sein Selbsttest ein positives Resultat an. Zu diesem Zeitpunkt habe er nur ein wenig Halsschmerzen und Husten gehabt. Dann kommt das Ergebnis des PCR-Tests seiner Tochter: Negativ. «Wie bitte?? Meine Frau sagte mir dann, dass es beim Testen nur ein kurzer Rachenabstrich war», so Salathé. Daraufhin hätten sie um einen zweiten, nasalen Abstrich gebeten. Dieser Test sei dann positiv zurückgekommen.

Den eigenen Krankheitsverlauf beschreibt Salathé als sehr unterschiedlich. Von Husten über Bauchschmerzen, Schnupfen, Kopfschmerzen, dazu kam ein gelegentlicher Hautausschlag. Seine Frau, die vor kurzem geboostert worden sei, und sein Sohn, dessen Impfung erst vier Monate zurückliege, seien inzwischen beide negativ getestet worden.

Am vierten Tag seien seine Symptome weg gewesen. Doch die Erschöpfung sei geblieben. «Das ist der seltsamste Teil. Ich stehe vom Stuhl auf, gehe eine Treppe hinauf, und mein Puls steigt von 70 auf über 120. Ich bin die nächsten 4 Tage weitgehend im Bett», schreibt er.

Was er gelernt habe? Dass Corona scheisse sei, selbst bei mildem Krankheitsverlauf. «Selbsttests sind grossartig. Impfungen schützen vor einer Ansteckung, wenn du sie zum richtigen Zeitpunkt bekommst.» Seine Empfehlung sei: «Holt euch den Booster, sobald ihr könnt.»

Abschliessend schreibt er, man sei noch lange nicht an dem Punkt, dass man das Problem kontrollieren könne. In den Schulen grassierten die Infektionen und die Massnahmen seien begrenzt. PCR-Tests würden nicht ordnungsgemäss durchgeführt, Selbsttests seien schwer zu bekommen. Und jetzt beginne Omikron. «Ich wünschte, wir wären nach zwei Jahren in einer besseren Position.»

(sar)

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174 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Radio Eriwan - mit Echtheitszertifikat
22.12.2021 11:24registriert November 2020
Wow, Klartext!
Ich stimme Ihn 100%-ig zu!

Meine bescheidene Erfahrung:
Wenn ich übetrachte, wie heftig es mich mit der 2. Impfung flach gelegt hat, will ich mir nicht ausdenken, wie ein ungeschützte Erkrankung verlaufen wäre.
Apropos: vor 2 Tagen die 3. Impfung erhalten, minimalste Nebenwirkungen.
Ergo: mein Immunsystem kann jetzt damit wesentlich besser umgehen.
Und ja, ich werde mich wieder und wieder stechen lassen, wenn das mein Umfeld schützt und mir gleichzeitig einen milderen Verlauf ermöglicht.
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Lokas
22.12.2021 11:13registriert August 2020
Bei uns hat sich die letzten Tage ähnliches abgespielt. Beide Kinder von uns haben sich in der Schule angesteckt. Sowohl meine Frau wie auch ich hatten Impfdurchbrüche, zum Glück aber einen milden Verlauf. Ich hätte trotz dem milden Verlauf gerne verzichtet. Seit 4 Tagen fehlt jeglicher Geschmackssinn... Geht boostern!
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AlleNicksVergeben
22.12.2021 11:15registriert Mai 2021
«Ich wünschte, wir wären nach zwei Jahren in einer besseren Position.»
Gut auf den Punkt gebracht. Aber es gibt halt Quengler, für welche Hände waschen und Masken tragen Diktatur ist, weshalb wir das wohl nie in den Griff bekommen. Massnahmenverlängerer.
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