Schweiz
Coronavirus

Corona Schweiz: Das Zertifikat soll es nur noch nach 3 Impfungen geben

Gilt bald nur noch als vollständig geimpft, wer drei Dosen erhalten hat?

Omikron rast um den Erdball. Doppelt Geimpfte haben unter Umständen nur noch 35 Prozent Schutz gegen diese Mutante. In den USA reagiert man: Der Begriff Booster sei irreführend, es wäre besser, von einer «Drei-Dosis-Impfung» zu sprechen.
20.12.2021, 20:2820.12.2021, 20:53
Patrik Müller, Sabine Kuster / ch media
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Colorado Gov. Jared Polis wears a face covering as he speaks during a news conference on the state's response to the COVID-19 pandemic, Tuesday, Dec. 7, 2021, in Denver. (AP Photo/David Zalubowsk ...
Jared Polis, Gouverneur von Colorado, sagt man solle aufhören, von «Booster » zu sprechen.Bild: keystone

«Booster» ist der Begriff der Stunde, doch nun gerät er in Verruf. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) definiert ihn als Auffrischungsimpfung. Es schreibt dazu auf einem Merkblatt: Die Auffrischimpfung könne auch bei Personen unter 65 Jahren dazu beitragen, den Schutz vor Infektionen und milden Erkrankungen und deren Folgen zu erhöhen und die Viruszirkulation vorübergehend zu reduzieren. Deshalb empfiehlt der Bund die Auffrischimpfung seit kurzem auch für alle Personen von 16 bis 64 Jahren.

Wegen der hochansteckenden Omikron-Variante stellt sich nun aber die Frage: Ist es noch angemessen, von Auffrischungsimpfung zu sprechen? Oder sollte die dritte Spritze fester Bestandteil des Impf-Schemas gegen Sars-Cov-2 sein?

In den USA macht Omikron bereits einen hohen Anteil an den Infektionen aus. Präsident Joe Biden wird am Dienstag in einer Ansprache an die Nation sagen, wie die Omikron-Welle gebrochen werden soll. Bidens demokratischer Parteikollege Jared Polis, Gouverneur von Colorado, gab am Sonntag in der TV-Sendung «Meet the Press» dem Präsidenten den Tarif durch. Polis sagte an Joe Biden gerichtet:

«Hör auf, von ‹Booster ›zu sprechen, sprich besser von einer ‹Drei-Dosen-Impfung›!»

Der Begriff «Booster» sei missverständlich, da er nach Option klinge, dabei sei die Drittdosis wegen Omikron absolut notwendig. Polis: «Wir wissen, wie wir dieses Ding stoppen können: Nur mit drei Dosen. Die Dreifachimpfung ist hochwirksam, nun müssen wir dafür sorgen, dass die Leute rausgehen und es tun.» Daten aus Colorado würden zeigen, dass das Risiko, nach einer Omikron-Infektion zu sterben, bei Dreifachgeimpften 47-mal kleiner sei als bei Ungeimpften. In Colorado soll bei Covid nur noch als «vollständig geimpft» gelten, wer dreifach geimpft ist.

In derselben TV-Sendung sprach auch Anthony Fauci, der Chefberater des US-Präsidenten, über den Booster. Er riet den Amerikanerinnen und Amerikanern, nur mit Drittimpfung an Weihnachtsfeste zu gehen. Habe man diesen vollständigen Impfschutz, könne man auch im grösseren Kreis unbesorgt Weihnachten feiern.

In der Schweiz fordert Peter Metzinger, der die Pro-Kampagne für das Covid-Gesetz leitete, das Covid-Zertifikat müsse sobald wie möglich auf den neuesten Stand gesetzt werden und «die Drittimpfung als neuen Impfstandard haben», wie er gegenüber «20minuten » sagte. Metziger gibt aber auch zu bedenken: «Es ist schon unfair, dass sich jetzt diejenigen, die seit Monaten geimpft sind, für den Eintritt in gewisse Lokale testen lassen müssen.» Die Forderung nach einem neuen Zertifikat mit drei Impfdosen unterstützen manche Politiker, so SP-Nationalrat Mustafa Atici, der findet, so bald alle, die wollten, einen Booster haben könnten, könne man das Zertifikat anpassen. Andere sind dagegen wie FDP-Nationalrat Marcel Dobler der sagt, 2G+ müsse abgeschafft werden, denn es seien vor allem Seniorinnen und Senioren und Vorerkrankte im Falle eines Impfdurchbruchs gefährdet. «Diese haben ein hohes Eigeninteresse, sich boostern zu lassen.»

Marie Theres Domont bekommt ihre Booster-Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff von einem Durchdienersoldaten der Sanitaetsschule Airolo im Impfzentrum in Delemont, am Dienstag, 14. Dezember 2021. (KEYSTO ...
Eine Frau holt sich im Impfzentrum in Délémont die dritte Dosis.Bild: keystone

Das 3-stufige Impfschema ist bewährt

Nicht nur die Coronawirkstoffe, auch andere Impfstoffe werden in drei Dosen verimpft, wie jene gegen Hepatitis, Diphtherie, Tetanus oder Polio. «Diese sind jedoch nicht so effizient wie die mRNA Impfstoffe», sagt Immunologe Christian Münz von der Universität Zürich. «Daher schrauben wir mit drei Dosen die Schutzwirkung langsam hoch.» Mit den mRNA-Impfstoffen wurde hingegen eine Effizienz von über 90 Prozent gegen die Alpha- und Delta-Varianten schon nach zwei Dosen erreicht.

Münz ist überzeugt: «Wenn 80-90 Prozent der Bevölkerung sich hätten impfen lassen, hätte man alle Schutzmassnahmen aufheben können und die Zirkulation des Virus hätte dann diese Grundimmunität geboostet», erklärt Münz. Ohne solche milden ­Reinfektionen sei die Immunität jedoch jetzt abgefallen.

Hinzu kommt aber auch Omikron, bei der zwei Dosen ohnehin nicht ausreichen um Infektionen zu verhindern. Da in den Ländern mit bereits hohem Omikron-Anteil nach wie vor mehr Ungeimpfte als Geimpfte im Spital landen, ist davon auszugehen, dass zumindest die sekundäre Impfantwort aus zwei Impfdosen einen gewissen Schutz bieten.

Immer noch laufende Planung

Die Diskussion um die Bezeichnung «Booster-» oder «Dreifach-Impfung» hat auch damit zutun, dass zu Beginn niemand wusste, wie lange der Schutz gegen eine Infektion anhält. Nun ist klar, dass sich das Antikörperniveau im Blut nach vier Monaten um die Hälfte halbiert und Infektionen wieder wahrscheinlich werden. Dass das Antikörperniveau wieder sinkt, ist auch nach anderen Impfungen und natürlichen Infektionen der Fall, denn der Körper kann seine Immunantwort gegen ein einzelnes Virus nicht immer auf Volldampf fahren lassen. Deshalb ist die Frage: Wie schlimm ist eine Infektion für Geimpfte? Und diesbezüglich: Kommt es tatsächlich bei infizierten Geimpften in 5 bis 10 Prozent der Fälle zu Long Covid, wie Studien nahelegen?

Selbst wenn die Corona-Dreifach-Impfung zum internationalen Standard wird (zum Beispiel auch als Bedingung für eine PCR-Test-freie Einreise wie momentan in Österreich) ist also immer noch nicht klar: Werden regelmässige Auffrischimpfungen nötig sein?

Immunologe Christian Münz hatte sich schon im Sommer dafür ausgesprochen, dass man sich kurz nach der zweiten Impfung mit einer Infektion anstecken lassen und natürlich boostern kann. Dafür hatte er wegen dem Long-Covid-Risiko Kritik geerntet. Doch sein Szenario bleibt aktuell - denn selbst eine frische Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor einer Infektion. Es kann also Sinn machen, den Kontakt mit den Virus in den ersten drei Monaten nach der dritten Impfdosis nicht zu scheuen: In dieser Zeit ist das Antikörperniveau im Blut am höchsten und das Immunsystem kann sich am besten verteidigen. Aktuell darf dies aber nicht geschehen, weil die akute Welle zuerst gebrochen werden muss um die Spitäler vor dem Kollaps zu bewahren.

Die Corona-Massnahmen verhinderten eine frühe Booster-Infektion

Warum sind die natürlichen Booster aber nicht schon im Sommer geschehen? Münz sagt, die Schutzmassnahmen hätten da den Geimpften nicht geholfen: «Die Beschränkungen, die wir über den Sommer für die Ungeimpften aufrechterhalten haben, haben sicherlich eine vorteilhafte Infektion früh nach der Impfung behindert.»

Ohne solche milden Reinfektionen sei die Immunität jedoch jetzt abgefallen, und hinzu komme eine neue Virusvariante die sogar Leute mit einer Grundimmunität infiziere. «Daher sehe ich den Booster eher als ein Nachbessern der zu geringen Impfquote, um zumindest die Impfwilligen zu schützen», so Münz.

Allerdings ist es gut möglich, dass eine Auffrischinfektion auch ohne irgendwelche Massnahmen im Sommer nicht ausreichend stattgefunden hätten. Statt automatisch auf Booster-Impfungen hätte man dann aber auf Tests setzen können, sagt, Münz. «Man hätte die natürlichen Infektionen relativ leicht mit Antikörpertests gegen das Nucleoprotein analysieren können.» Dieses Protein ist im Virus, aber nicht in den mRNA-Impfstoffen enthalten, weshalb damit auch nach einer Impfung eine natürliche Infektion nachgewiesen werden kann.

Antikörper testen - oder gleich impfen?

Solche Tests könnten vor dem Winter 2023 aktuell werden - oder aber die Auffrischimpfung wird zum Standard zumindest für Risikopersonen. Dies, weil das Nach-Testen ebenfalls aufwändig ist, seinen Preis hat und nicht klar ist, wann die natürliche Infektion stattgefunden hat.

Klar ist die Situation aktuell: Wer nicht geimpft ist, muss sich unbedingt schützen: «Ungeimpfte sollten in den kommenden Monaten Kontakte reduzieren, bis im Frühjahr die Sars-CoV-2 Transmission wieder abfällt und sie bei schweren Verläufen ausreichend versorgt werden könnten», sagt Münz. Es gelte die Durchseuchung der Ungeimpften zu verlangsamen.

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316 Kommentare
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Forest
20.12.2021 20:33registriert April 2018
Gibts bald als Abo..
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Ratchet
20.12.2021 20:47registriert Mai 2015
Was haben Geimpfte und Ungeimpfte gemeinsam? Es sind beide nie vollständig geimpft.
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Andy
20.12.2021 23:36registriert Januar 2014
Irgendwie hört sich das nach 2 Grundsatz-Optionen an:

a) Mach was man dir sagt, und hau dir alle 4-6 Monate Impfungen rein, was der Weg aus der Corona-Krise sein soll
b) Verlier praktisch jegliche Fun-Aspekte des Lebens und gelte als Schwurbler

Irgendwie läuft da gewaltig was falsche Leute. Was brauchts denn noch bis wir endlich mal Stop sagen? Dass der Moderna Chef mit unserer Regierung über ein Impf-Abo verhandelt und bei 70% Gewinn sicher auch noch die Preise erhöht?

Einfach mal aus Neugier, wo ist eure persönliche Grenze? Habt ihr noch eine Grenze?

Ein doppelt Geimpfter.
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