Die wissenschaftliche Meinung ist inzwischen recht einheitlich: Genesene sollen mindestens gleich behandelt werden wie Geimpfte. Auch die Gesellschaft für Virologie in Deutschland setzt sich in einer aktualisierten Stellungnahme dafür ein.
Die Virologen schreiben, in den ersten Monaten der Pandemie sei man von einer nur kurzlebigen, schützenden Immunität ausgegangen, weil einige Antikörper-Typen bereits wenige Monate nach der Infektion nicht mehr messbar gewesen seien.
Aber: «Diese Einschätzung ist mittlerweile überholt. In einer Vielzahl von Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine Sars-CoV-2 Infektion beim Menschen zur Ausbildung immunologischer Gedächtniszellen führt.» Diese sorgen dafür, dass bei erneutem Kontakt mit dem Erreger schnell Antikörper hergestellt werden. Sie seien auch in der Lage, Varianten von Sars-CoV-2 effizient zu neutralisieren. Wenn eine Infektion nicht verhindert werden könne, so erkrankten die Genesenen zumindest nicht schwer.
In den ersten sechs Monaten bleibe der Schutz vor erneuter Corona-Infektion mindestens so gut ausgeprägt wie jener von Geimpften. «Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen, dass eine Infektion sogar nach einem Jahr noch sehr gut vor Reinfektionen und schweren Krankheitsverläufen schützte.» Die Virologen kommen zum Schluss: «Auf Grund dieser aktuellen Erkenntnisse sollten Genesene bei der Pandemie-Bekämpfung den vollständig Geimpften für mindestens ein Jahr gleichgestellt werden.»
Dieser Meinung ist auch die Schweizer Covid-Taskforce. Am 21. September schrieb sie bereits in einem wissenschaftlichen Update: Zahlreiche neue Studien zeigten, dass der Langzeitschutz sehr hoch sei. Auf Anfrage präzisiert die Taskforce: «Genesene sind mindestens gleich gut oder besser gegen eine Durchbruchsinfektion mit Delta geschützt, im Vergleich zu Personen welche doppelt mit Pfizer/Biontech geimpft wurden.»
Vergleichsdaten von Genesenen mit Personen, welche mit Moderna geimpft wurden, seien nicht bekannt – der Langzeitschutz nach Impfung mit Moderna scheine robuster zu sein als nach Impfung mit Pfizer/Biontech.
«Aus wissenschaftlicher Perspektive kann die Dauer der Zertifikate von Genesenen und doppelt Geimpften angeglichen werden», sagt die Taskforce auf Anfrage. Die Taskforce sagt aber auch, letztendlich sei das eine Entscheidung von Behörden und Politik, welche idealerweise auch international koordiniert getroffen werde.
Damit widerspricht die Taskforce dem Schweizer Epidemiologen und Leiter der Studie Corona-Immunitas, Milo Puhan, der sagt, zumindest nach drei Monaten sei die Antikörper-Antwort nach einer Impfung viel konstanter und höher als nach einer Genesung. Seine Daten reichen noch nicht über sechs oder gar zwölf Monate.
Puhan und auch das BAG halten zudem den Schutz der Impfung vor den neuen Virusvarianten für höher als durch eine Erkrankung. Nani Moras vom BAG sagte letzten Samstag gegenüber dieser Zeitung: Das Ausmass der Immunität der Genesenen sei unterschiedlicher als bei Geimpften. Es brauche deshalb noch mehr Nachweise, um das Zertifikat für Genesene über sechs Monate hinaus zu verlängern.