Schweiz
Coronavirus

Coronavirus: Caritas stellt hunderte Food-Karten für Kurzarbeiter aus

Environ 2500 personnes auront attendus pendant 3 a 4 heures afin d'obtenir un sac d'alimentations, lors d'une distribution organisee par la Caravane de la Solidarite Geneve et aider par ...
Armut in der Schweiz: Tausende standen am Wochenende in Genf stundelang an, um Gratis-Nahrungsmittel zu ergattern. Bild: KEYSTONE

Essens-Not wegen Corona-Krise: Caritas stellt hunderte Food-Karten für Kurzarbeiter aus

Kilometerlang Schlange stehen für Gratis-Nahrungsmittel: Die Bilder aus Genf rütteln die Schweiz auf. Auch bei Caritas spitzt sich die Situation zu. Das Hilfswerk fordert den Bund auf, rasch zu handeln.
05.05.2020, 18:5206.05.2020, 11:18
Mehr «Schweiz»

Die Szenen aus Genf erschüttern die Schweiz auf: In Genf mussten am Wochenende Tausende Hilfsbedürftige stundenlang anstehen, um einen Sack Reis oder Pasta zu ergattern. «Wir sind uns solche Bilder aus Kriegsgebieten gewohnt. Aber ich hätte nie gedacht, so etwas eines Tages in der Schweiz zu erleben», sagt eine Mitarbeiterin von «Ärzte ohne Grenzen». Viele Menschen haben wegen Corona ihre Jobs verloren, ganze Familien müssen von den Essens-Spenden leben.

Die Corona-Krise treibt in der Schweiz Tausende in die Armut – mitnichten nur Sans-Papiers. Durch die Kurzarbeit rutschen etliche Angestellte aus dem Niederiglohnbereich unter die Armutsgrenze. Gastromitarbeitende etwa können hunderte Franken an Lohneinbussen nicht einfach so verkraften. Zur Veranschaulichung: Bei einer Einzelperson liegt die Armutsgrenze bei einem Einkommen von 2400 Franken, bei einer Familie mit zwei Kindern bei 4000 Franken.

Kaum mehr Geld für den täglichen Einkauf: Die Corona-Krise bringt Menschen am Existenzminimum in akute Notlagen. (Archivbild)
Wegen Corona gibt es einen Ansturm auf Caritas-Lebensmittelläden. Bild: KEYSTONE

Viele Betroffene bekamen die schmerzlichen Corona-Einbussen erst mit der Auszahlung des April-Lohnes richtig zu spüren. «Seit Mitte April stellen wir pro Woche mehrere hundert Karten aus, mit denen sich die Leute in unseren Läden vergünstigte Produkte kaufen können. Die Lage ist besorgniserregend», sagt Caritas-Sprecher Stefan Gribi zu watson.

«Die Lage ist besorgniserregend.»
Caritas

Die Betroffenen haben nur Geld für das Nötigste: Die Umsätze für Grundnahrungsmittel wie Reis, Nudeln oder Speiseöl sind in den Caritas-Läden um 50 Prozent angestiegen. «Die Menschen kaufen weniger Gemüse und Früchte, sondern versuchen mit den haltbaren Lebensmitteln über eine längere Zeitspanne durchzukommen», so Gribi weiter.

Lebensmittelgutschein als Rettung

Nicht nur in den Läden, auch bei den Armuts-Beratungsstellen spürt Caritas die Folgen der Corona-Krise unmittelbar. Die Nachfrage für Sozialberatung steigt stark an. «Viele Betroffene haben Mühe, ihre Miete zu bezahlen », so Gribi. Caritas zahlt an Armutsbetroffene Überbrückungshilfen wie Lebensmittelgutscheine oder einen Zustupf an Mieten aus. Für diesen Zweck hat das HIlfswerk von der Glückskette eine Million Franken erhalten.

Noch sind Szenen wie in Genf eine Ausnahme. Armut spielt sich in der Schweiz meist im Verborgenen ab. Die Betroffenen versuchen sich so gut wie es geht durchzuschlagen, ohne dass man ihnen ihre Notsituation ansieht. «Wegen der Corona-Krise haben viele Betroffene ihre letzten Reserven aufgebraucht. In den nächsten Monaten werden sich die sozialen Probleme zuspitzen», so Gribi.

Caritas fordert darum in einem Aufruf den Bund auf, ein Massnahmenpaket für die rund eine Million Armutsbetroffene in der Schweiz zu schnüren. Die Forderungen lauten:

  • Verbilligung von Krankenkassenprämien während 2 Jahren um 50 Prozent erhöhen
  • Kurzarbeitsentschädigungen für tiefe Einkommen, die 100 Prozent des Monatslohnes decken
  • Einmalige Direktzahlungen in der Höhe von 1000 Franken für Menschen mit Kleineinkommen und Marginalisierte
  • Kostenlose Krippenplätze für Familien mit kleinem Einkommen

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das neue Bundeshaus in der Bernexpo
1 / 18
Das neue Bundeshaus in der Bernexpo
Der Nationalratssaal auf dem BernExpo-Gelände.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Protest gegen Corona-Lockerungen in Florida
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
46 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hirngespinst
05.05.2020 19:27registriert August 2019
Die Schere zwischen Arm und Reich zeigt sich auf diesen Bildern in einer noch nie dagewesenen Form.
23947
Melden
Zum Kommentar
avatar
Garp
05.05.2020 19:35registriert August 2018
Der Artikel zeigt, die Mieten sind zu hoch, die sollten nicht mehr als ein Drittel des Lohnes betragen. Denke das ist das grösste Problem, wenn das Geld nicht einmal mehr für Reis und Nudeln reicht, die sind ja nicht teuer. Na ist nur ein Aspekt, gibt viele, wie KK, deren Unterstützung kantonal so unterschiedlich geregelt sind und so unterschiedliche Prämien haben. Kantönligeist!

Gesunde Ernährung mit Gemüsen und Früchten, sollte aber immer für alle zugänglich und finanzierbar sein und dass in einer reichen Schweiz so viele Hilfsorganisationen benötigt werden, ist ein Armutszeugnis.
17420
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fischra
05.05.2020 20:00registriert Juli 2016
Wir haben eine aussergewöhnliche Situation welche auch genau diese Hilfe für alle beinhalten soll.
4613
Melden
Zum Kommentar
46
Lohnstatistik Schweiz – Inflation bremst Lohnansteig auch 2023 aus
Das Bundesamt für Statistik hat heute die neue Lohnstatistik von 2023 veröffentlicht. Hier bekommst du einen Überblick zu den wichtigsten Erkenntnissen.

Die Löhne in der Schweiz sind im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Allerdings bremste die Teuerung den Lohnanstieg wie bereits im Vorjahr aus.

Zur Story