Eigentlich hätte der Bundesrat derzeit «sitzungsfreie Zeit». Doch Omikron und die stark steigenden Infektionszahlen zwingen ihn dazu, am letzten Tag des Jahres eine Telefonkonferenz abzuhalten. Diese diene dem «Informationsaustausch zur aktuellen Lage», gab Bundesratssprecher André Simonazzi am Donnerstag bekannt:
#CoronaInfoCH Morgen Freitag findet um 13.00 Uhr eine Sitzung des Bundesrats zum Coronavirus statt. Sie dient dem Informationsaustausch zur aktuellen Lage und wird als Telefonkonferenz durchgeführt. Im Anschluss daran ist eine schriftliche Kommunikation vorgesehen.
— André Simonazzi (@BR_Sprecher) December 30, 2021
Die Fallzahlen schnellten in den vergangenen Tagen nach oben. Am Donnerstag meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rekordhohe 19'032 bestätigte Infektionen. Auf den Intensivstationen liegen laut Covid-Dashboard des Bundes 329 Covid-Patientinnen und Patienten. Laut der wissenschaftlichen Taskforce kann ab rund 300 Covid-Patienten die gewohnte Behandlungsqualität nicht mehr aufrechterhalten werden. Kommt hinzu: Die aktuell stark steigenden Fallzahlen wirken sich erst mit Verzögerung auf die Intensivstationen aus.
#CoronaInfoCH Stand: 30.12.
— BAG – OFSP – UFSP (@BAG_OFSP_UFSP) December 30, 2021
129 Hospitalisationen mehr als am Vortag, 1195 Hospitalisationen in den letzten 14 Tagen. Auslastung der IS: 75,9%
19 032 laborbestätigte Fälle mehr als am Vortag. Reproduktionszahl Re (17.12.2021): 1,1https://t.co/vMBPcGwAPO pic.twitter.com/1jqTRF9HLe
Über Silvester und Neujahr veröffentlicht das BAG keine neuen Zahlen. Diese kommen erst wieder am Montag.
Angesichts steigender Zahlen hat sich Bundesrat Alain Berset diese Woche zu Wort gemeldet – und das bundesrätliche Abwarten verteidigt. Per Twitter und in einem Interview im Westschweizer Fernsehen RTS erklärte er, Massnahmen brauche es zurzeit nicht.
Zurzeit keine weitergehenden #COVID19-Massnahmen des Bundes. Das nächste Paket mit Massnahmen – auch mit Schliessungen – ist bereit. Der Bundesrat kann rasch entscheiden, wenn genauere Daten zur Gefährlichkeit von Omikron vorliegen.
— Alain Berset (@alain_berset) December 29, 2021
Der Anstieg der Fallzahlen sei zu erwarten gewesen; entscheidend sei, wie sich dieser auf die Hospitalisationen und die Belegung der Intensivstationen auswirkten. Denn es sei noch unklar, wie gefährlich Omikron sei, so Berset. «Wir werden reagieren, wenn es wirklich notwendig ist», versicherte er.
Am Freitag will der Bundesrat nach seiner Sitzung lediglich mit einer Medienmitteilung kommunizieren, eine Medienkonferenz ist nicht geplant. Entscheide werden keine erwartet.
Was die nächste Eskalationsstufe beinhalten könnte, hat der Bundesrat aber schon vorgespurt: Mitte Dezember hatte er zwei Varianten in die Konsultation geschickt – und sich danach für die mildere entschieden (unter anderem 2G in Restaurants). Massnahmen der schärferen Variante könnte er nun rasch in Kraft setzen, da sie bereits in Konsultation waren. Berset betonte, es seien «extrem brutale» Massnahmen, besonders für die Wirtschaft.
Konkret: Restaurants, Bars, Discos und andere Orte, in denen keine Maske getragen werden kann, könnten geschlossen werden. Für Hallensport und kulturelle Aktivitäten könnte der Bundesrat zusätzlich zu 2G eine Maskenpflicht anordnen. Auch im Privaten könnte der Bundesrat die Schraube anziehen und die 5er-Regel einführen: Wenn eine Person dabei ist, die weder geimpft noch genesen ist, wären maximal 5 Personen erlaubt. Heute sind es zehn.
Die wissenschaftliche Taskforce hat bereits am 11. Dezember weitreichende Massnahmen empfohlen, wie diese Woche bekannt wurde. Unter anderem schlug sie vor:
- Restaurants und andere Orte, in denen keine Maske getragen werden kann, sollen geschlossen werden.
- Private Kontakte sollen auf maximal zwei Haushalte eingeschränkt werden.
- An Schulen soll zwei Mal pro Woche getestet werden, alle Schüler und Schülerinnen sollten Masken tragen und die Schulzimmer mit CO2-Sensoren ausgerüstet werden.
- Homeoffice
Um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, müsste die Geschwindigkeit der Ansteckungen reduziert werden, erklärte die Taskforce. Der Bundesrat ist diesen Empfehlungen bei seinen Entscheiden Mitte Dezember weitgehend nicht gefolgt.
Aus einigen Kantonen erschallte in den letzten Tagen der Ruf nach einem härteren Kurs. Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf hatte am Dienstag schärfere Massnahmen vom Bundesrat verlangt. Sein Genfer Amtskollege Mauro Poggia forderte gegenüber RTS, dass der Bund wieder das Zepter an die Hand nehme und in die ausserordentliche Lage übergehe. In der Konsultation Mitte Dezember hatten sich die allermeisten Kantone indes gegen Schliessungen ausgesprochen.
Der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz, Lukas Engelberger, erklärte diese Woche, Bund und Kantone müssten prüfen, ob der aktuelle Massnahmenmix noch stimme. «Das ist gar nicht so einfach, da wir noch nicht sehen, wie sich Omikron auf die Situation in den Spitälern auswirkt», erklärte er gegenüber SRF. Und kündigte an:
Bereits reagiert hat das Bundesamt für Gesundheit. Weil die vielen Infektionen zu vielen Ausfällen von Arbeitnehmenden führen, empfiehlt die Behörde eine Kürzung der Quarantänedauer von zehn auf sieben Tage. Eigentlich müsste der Bundesrat dafür die Covid-Verordnung anpassen. Doch so lange warten wollte die Behörde nicht: Die Kantone könnten die neuen Regeln schon vorher umsetzen, erklärte sie kurzerhand.
Naja, wenn keine Entscheide gefällt werden, warum wurde gestern solch ein Drama gemacht?