Schweiz
Coronavirus

Masken-Gegner demonstirern vor Haus von Politiker – Drohungen nehmen zu

Masken-Gegner verfolgen Politiker bis vor die Haustür – «Das passt nicht zur Schweiz»

Rund 20 Personen protestieren am privaten Wohnsitz des Schwyzer Bildungsdirektors Michael Stähli gegen die Maskenpflicht an der Schule. Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften stuft den Vorfall trotz friedlichen Verlaufs als «bedenklich» ein.
02.02.2022, 14:53
Jürg Auf der Maur und Kari Kälin / ch media
Mehr «Schweiz»
Demonstration gegen die Corona Massnahmen in Zuerich am Samstag, 8. Januar 2022. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Demonstration gegen die Corona Massnahmen in Zürich am Samstag, 8. Januar 2022. (Symbolbild)Bild: keystone

In Deutschland veranstalten Massnahmengegner seit einigen Wochen sogenannte Corona-Spaziergänge, die auch schon zu Häusern von Politikern geführt haben. Diese Art des Protests ist jetzt auch angelangt in der Schweiz, die stolz darauf ist, dass sogar Mitglieder des Bundesrats im Tram ins Büro fahren und Politikerinnen und Politiker privat nicht behelligt werden.

Am Montagabend versammelten sich rund 20 betroffene Eltern vor dem privaten Wohnsitz von Bildungsdirektor Michael Stähli (Die Mitte) im schwyzerischen Lachen, um gegen die Maskenpflicht an der Schule zu protestieren. Die Versammlung verlief gemäss Informationen dieser Zeitung zwar ohne weitere Zwischenfälle, ist in dieser Art aber ein Novum. Vor der Eingangstüre des Regierungsrats wurden verschiedene Parolen deponiert. «Hände weg von unseren Kindern» hiess es etwa oder «Bitte lassen Sie uns frei atmen».

Regierungsrat Stähli bestätigt und schweigt

Regierungsrat Michael Stähli, der nicht zuletzt mit Interviewaussagen zu einer Demonstration in Schwyz von vergangener Woche den Zorn der Gegner und Gegnerinnen der Maskenpflicht auf sich zog, hält den Ball flach. «Ich kann bestätigen, dass die erwähnte Kundgebung stattgefunden hat. Weitere Einzelheiten kommentiere ich nicht», hielt er gestern auf Nachfrage fest. Ein Polizeisprecher sagte, es lägen keine Hinweise auf strafbare Handlungen vor. Stähli stellte schon vor der Protestaktion in Aussicht, die Maskenpflicht laufend zu überprüfen und vielleicht schon vor Ende Februar aufzuheben.

Michael Stähli
Der Schwyzer Regierungsrat Michael Stähli.Bild: Kt. SZ

Der Schwyzer SVP-Nationalrat Marcel Dettling sprach am vergangenen Freitag noch persönlich bei Stähli vor, um ihn zu einer sofortigen Aufhebung der Maskenpflicht an der Schule zu bewegen. Dass sich Demons­tranten vor dem Anwesen des Regierungsrates dafür starkmachen, findet er falsch: «Das passt nicht zur Schweiz. Auch Magistratspersonen haben ein Anrecht auf Privatsphäre.»

Eine Unmutsbekundung direkt vor der Haustür: Das sei in jedem Fall eine «neuartige Entwicklung für die Schweiz» sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Baier stuft den Vorfall trotz friedlichen Verlaufs als «bedenklich» ein. Auch wenn die Massnahmenkritiker das möglicherweise nicht beabsichtigt hätten, werde indirekt durchaus eine Drohung ausgesprochen, die sage: «Wir wissen, wo du wohnst; du kannst dich nicht sicher fühlen.» Aus seiner Sicht sei das Verhalten klar zu verurteilen. «Massnahmengegner haben sich an die in einer Demokratie vorgesehenen Wege der Bekundung von Protest zu halten und dürfen nicht derart ins Private eindringen.»

Mehr Drohungen gegen Politiker

Bei vielen Menschen liegen die Nerven wegen der Pandemie blank. Nicht immer verhalten sie sich gewaltfrei wie bei der Aktion in Lachen. Als die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli im August in Gossau einen Impfbus einweihte, wurde sie von einem Mann attackiert, der Apfelschorle über sie schüttete. Sie sei «total erschrocken» und habe so etwas noch nie erlebt, sagte Rickli. Eine Zielscheibe von Hass ist besonders Alain Berset. Eine «Arena»-Diskussion mit dem Gesundheitsminister stand Ende August unter Polizeischutz.

Bild
Bild: ch media/kä

Mitglieder des Bundesrats, des Parlaments, der öffentlichen Verwaltung und der kantonalen Regierungen sind in der Pandemie vermehrt Drohungen ausgesetzt, wie Zahlen des Bundesamtes für Polizei belegen. Im vergangenen Jahr zählte das Fedpol 1215 Drohungen (2020: 885). In 120 Fällen (2020: 64) erwies sich das Eskalationspotenzial als so gross, dass das Fedpol zum Beispiel die Gefährder an deren Wohnort aufsuchten oder Strafanzeige erstatteten. Je nach Bedrohungslage erhalten die exponierten Politiker und Politikerinnen Personenschutz.

Das ruppige Klima besorgt die Landesregierung. «Sie haben wahrscheinlich mitgekriegt, was das an Drohungen und Einschränkungen für mein Privatleben, für mein Familienleben, an Druck und Strapazen bedeutet. Das hätte ich mir gerne erspart», sagte Alain Berset im Interview mit CH Media. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte: «Man muss ein Stück weit lernen, damit umzugehen, dass sich Bundesrätinnen und Bundesräte heute nicht mehr so frei bewegen können wie vorher.» Sie hoffe, dass das nicht ein Dauerzustand bleibe.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Keine Schutzmaske? Hier 20 lustige Alternativen
1 / 22
Keine Schutzmaske? Hier 20 lustige Alternativen
bild: reddit

quelle: reddit
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Stressen dich die Maskenverweigerer in den ÖV? Hier kommt Hilfe!
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
126 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
lilas
02.02.2022 08:19registriert November 2015
Freiheit wollen und anderen diese nehmen. Demokratie verlangen und diese sabotieren.
Ich verstehe solche Menschen nicht.

Worüber wollen diese sich in Zukunft aufregen, wenn die Massnahmen aufgehoben werden?
33419
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pontifax
02.02.2022 08:03registriert Mai 2021
Es sind einfach verwirrte Menschen. Ausser einweisen und behandeln kann man bei denen nicht viel ausrichten. Für Vernunft jedenfalls sind sie nicht zugänglich und gut zureden bestärkt sie nur in ihrer Verwirrtheit.
22725
Melden
Zum Kommentar
avatar
sealeane
02.02.2022 08:22registriert November 2017
Die angeblichen Verfechter von Freiheit und "Ethik" sind aktueller die grösten Verfechter von Gewalt und Drohungen, für ihre angeblichen "politischen Gegner", genau so wie für unser ganzes politisches und geselschaftliche Klima. Und gleichzeitig schreien sie Nonstop gegen die Spaltung, die zu 80% von ihnen selbst geschürt wird, sie aber die anderen verantwortlich machen. Als ob ein Brandstifter Feuerwehleute anschreit keine Feuer zu schüren..
Es gibt ein Sprichwort welches mich schon die ganze Pandemie prägt und zwar für BEIDE Seiten: "Die Angst ist ein schlechter Ratgeber."
20614
Melden
Zum Kommentar
126
«Grosse Bestürzung»: Armeeangehöriger stirbt bei Bremgarten AG nach Schussverletzung

Traurige Nachricht aus Bremgarten AG: Am Dienstagvormittag ereignete sich bei einer Übung der Nachschub-Rekrutenschule 45 auf dem Waffenplatz Bremgarten ein Schiessunfall. Aus derzeit nicht geklärten Gründen löste sich in einem Militärfahrzeug ein Schuss aus einem Sturmgewehr und traf Armeeangehörigen am Kopf.

Zur Story