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Zertifikatspflicht: Parlamentarier fordern Ausstiegsplan

Bundesrat Alain Berset spricht an einer Medienkonferenz ueber die neusten Entscheide des Bundesrates zur Coronavirus-Pandemie, am Mittwoch, 13. Oktober 2021, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYS ...
Noch will Bundesrat Berset am Zertifikat festhalten. Bild: keystone

Berset zögert bei Zertifikats-Ende – und bringt Spezial-Zertifikat für Genesene ins Spiel

Der Gesundheitsminister hatte eigentlich andere Pläne, doch die epidemiologische Lage macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Parlamentarier fordern nun einen Ausstiegsplan.
19.10.2021, 19:2619.10.2021, 21:33
Nina Fargahi / ch media
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Obwohl im Ausland die Massnahmen tendenziell wieder verschärft werden und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag ein düsteres Bild der epidemiologischen Lage hierzulande gezeichnet hat, gerät die Zertifikatspflicht immer mehr unter Druck. Viele Parlamentarier sind der Meinung, dass die aktuelle epidemiologische Lage die Massnahmen des Bundesrates nicht mehr rechtfertige.

Bundesrat Berset hat die Kritik aufgenommen und an der letzten Medienkonferenz vor einer Woche gesagt, dass die Regierung die Aufhebung der erweiterten Zertifikatspflicht prüfen wolle. Doch jetzt hat Berset wohl kalte Füsse bekommen. Laut gut unterrichteten Quellen wollte der Bundesrat diesen Mittwoch ursprünglich drei Vorschläge in die Konsultation geben, unter anderem: Die vollständige Aufhebung der Zertifikatspflicht.

Extra-Zertifikat für Genesene

Doch nun krebst der Gesundheitsminister zurück, die Lage ist zu instabil. Vorerst kommt nur ein Vorschlag auf den Tisch, nämlich ein Extra-Zertifikat für Genesene. Aktuell müssen Genesene einen positiven PCR-Test vorlegen, um ein Zertifikat zu erhalten. Einige Kantone hatten angeregt, dass auch serologische Tests (Antikörpertests) zum Erhalt des Zertifikats berechtigen sollen. Offenbar kommt Berset diesem Wunsch nach. Dem Vernehmen nach will er erst Mitte November über die Aufhebung der Zertifikatspflicht diskutieren.

Berset will mit dem Extra-Zertifikat für Genesene wohl etwas Druck aus der Diskussion nehmen. Denn Ende November kommt das Covid-Gesetz an die Urne und das führt dazu, dass die Kritik an der Zertifikatspflicht zunimmt - und zwar von links über die Mitte bis rechts.

So sagte die Solothurner SP-Nationalrätin Franziska Roth kürzlich in dieser Zeitung, dass es an der Zeit sei, die Zertifikatspflicht infrage zu stellen. Roth sorgt sich um die Grundrechte, insbesondere aber warnt sie vor schädlichen Folgen: Für psychisch Kranke, aber auch für ungeimpfte Studierende, die aufgrund der Zertifikatspflicht und der Testkosten nicht an die Universität gehen können.

Lockerung der Zertifikatspflicht trifft auf viel Zustimmung

Auch bei diversen Mitte-Parlamentariern ist die Zertifikatspflicht umstritten. Nationalrat Alois Gmür sagt etwa, dass der Bundesrat vor Wochen die Belegung der Intensivstationen als Massstab für Verschärfungen kommuniziert habe. «Das ist für mich richtig und nachvollziehbar; diese Belegungszahlen sind aktuell sehr tief.» Der Bundesrat habe jetzt gemäss seinen früheren Aussagen zu handeln, so Gmür. «Die Zertifikatspflicht ist deshalb zu lockern.»

Der Mitte-Politiker findet klare Worte: «Sollte dies nicht gemacht werden, schadet das der Glaubwürdigkeit unserer Landesregierung.» Auch Mitte-Nationalrätin Marie-France Roth Pasquier findet den Einsatz des Covid-Zertifikats zu weitreichend. Vor allem in Jugendzentren oder kleinen Restaurants fordert sie eine Flexibilisierung. «Die Lage in den Spitälern ist nicht mehr so beunruhigend, daher denke ich, dass die Aufhebung der Zertifikatspflicht gerechtfertigt wäre.»

Portrait von Philipp Matthias Bregy, Mitte-VS, Fraktionschef der Mitte, auf dem Balkon des Nationalrats, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 3. Juni 2021 in Bern. (KEYSTONE ...
Mitte-Bregy will Ausstiegsplan. Bild: keystone

Ähnliche Positionen vertreten auch die Mitte-Politiker Martin Candinas und Thomas Rechsteiner. Und sogar Mitte-Ständerat Peter Hegglin fordert die Aufhebung der Zertifikatspflicht; ausgerechnet er, der wegen Corona sechs Tage auf der Intensivstation um sein Leben rang. Der Fraktionschef der Mitte, Philipp Bregy, zeigt sich differenzierter: «Es braucht eine verbindliche Strategie, wie man aussteigen will.» Das sei vertrauensbildend und deshalb notwendig. Die Bevölkerung brauche eine Perspektive. «Man hat nicht 100 Chancen, um der Bevölkerung glaubwürdige Lösungen zu kommunizieren», so Bregy.

«Wenn es so weitergeht, kann man den Einsatzbereich des Covid-Zertifikats in ein paar Wochen überdenken.»
Philippe Nantermod

Auch bei der FDP macht man sich Gedanken über die Zertifikatspflicht. Nationalrat Philippe Nantermod (FDP/VS) sagt: «Die Impfungen sind sehr wirksam, das ist eine gute Nachricht. Wenn es so weitergeht, kann man den Einsatzbereich des Covid-Zertifikats in ein paar Wochen überdenken.» Möglich wäre es, dass das Zertifikat nicht mehr überall obligatorisch sei, oder nur bei grossen Anlässen. «Aber solche Änderungen müssen mit der epidemiologischen Situation und den verfügbaren Daten im Einklang stehen; das ist nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine technische.»

Ähnlich sieht es FDP-Fraktionschef Beat Walti: «Angesichts der guten epidemiologischen Entwicklung und vorausgesetzt, diese bleibt in den kommenden Wochen gleich erfreulich, soll der Bundesrat eine Ausstiegsperspektive mit einem schrittweisen Abbau der Massnahmen aufzeigen.» Dadurch werde die Planungssicherheit für die Bevölkerung und die Wirtschaft verbessert. Klar bleibt aber auch: «Je höher die Impfquote, desto rascher können Lockerungen vorgenommen werden. (bzbasel.ch)

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BAG verteilt Torte zur Feier des Impffortschritts
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BAG verteilt Torte zur Feier des Impffortschritts
Sicht auf ein Plakat des BAG, am Montag, 19. Juli 2021, auf dem Bundesplatz in Bern. Das BAG informiert, dass die Impfkampagne voranschreite, zudem können sich Personen spontan gegen Covid-19 impfen lassen.
quelle: keystone / peter schneider
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Sputim legt Impfskeptiker rein
Video: watson
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214 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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just_a_name
19.10.2021 20:24registriert Januar 2017
Gopf, Watson. Es ist immer noch nicht Berset welcher entscheidet. Sondernd der Gesamtbundesrat. Solchen Headlines helfen nicht in den Köpfen der Menschen welche Berset als alleiniger Herrscher/Entscheidungsträger sehen/glauben.
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Gurgelhals
19.10.2021 19:45registriert Mai 2015
War ja zu erwarten. Kaum ist die Kacke nicht mehr ganz so derb am Dampfen, kommen sofort wieder die üblichen Schönwetterparlamentarier aus ihren Löchern gekrochen und meinen, dass jetzt mal gut ist und man die ganze Strategie wieder über den Haufen werfen kann. Und nach ein paar Wochen geht dann wieder das "Bitte Bundesrat, mach etwas!"-Geheule los, wenn die Kacke dann eben deswegen wieder besonders derb dampft.

Warum kann man eine mal gefasste Strategie nicht einfach mal konsequent durchziehen? Und: Sind die schlicht alle so blöd oder sind das gezielte, zynische Profilierungsversuche?
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Meiniger
19.10.2021 19:53registriert April 2016
Das Zertifikat für Genesene auf 12 Monate zu verlängern fordert auch Drosten und andere Wissenschaftler.

Ein Zertifikat nach positivem Antikörper-Test wäre auch schon lange notwendig.
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