Der Corona-Leichtsinn grassiert in der Schweiz. Zumindest kann man diesen Eindruck erhalten, wenn man mit aufmerksamen Augen durch Quartiere und Innenstädte streift. Freunde umarmen sich plötzlich wieder, Kumpels sitzen in grossen Gruppen zusammen und trinken Bier.
Es scheint, als sei die tödliche Gefahr des Coronavirus wegen mit dem Lockdown-Ende aus vielen Köpfen verschwunden. Umso mehr, wenn ordentlich Alkohol im Spiel ist. In der Steinenvorstadt in Basel versammelten sich am Samstagabend so viele Menschen, dass die gebotenen zwei Meter Abstand unmöglich einzuhalten waren. Ein Aufschrei ging durchs Land. «Diese Bilder machen mir schon Sorgen. Da scheinen sich viele Leute nicht an die offiziellen Empfehlungen zu halten», sagt auch die Epidemiologin Olivia Keiser im watson-Interview.
Nun steht das verlängerte Auffahrtswochende mit ersten lauen Sommerabenden vor der Türe. Szenen wie in der Steinenvorstadt haben die Verantwortlichen der Stadt Basel aufgeschreckt. Die Sicherheitsbehörden fassen nun gezielte Absperrungen von Arealen ins Auge: «Wenn Personen wieder so dicht beieinander sind, dass die BAG-Massnahmen nicht eingehalten werden können, sind Absperrungen nicht ausgeschlossen», sagt Toprak Yerguz, Sprecher der Justizdirektion Basel, zu watson. Wenn der Vorfall vom letzten Wochenende etwas Gutes habe, dann seine Bedeutung als «Schuss vor den Bug».
Die Basler Regierung kündigt nach der ausufernden Partynacht in der Steinenvorstadt nun härtere Massnahmen an. Dort ansässige Gastrobetriebe dürfen ihre Boulevardbereiche nicht mehr ausdehnen. Zudem will die Polizei ihre Präsenz vor Ort erhöhen. Und für den Extremfall wird eine totale Sperrung der Strasse ins Auge gefasst. Die Basler Regierung habe einen dreistufigen Massnahmenplan für die Gastrobetriebe in der Steinenvorstadt beschlossen, um einen Menschenauflauf wie am vergangenen Samstag zu verhindern, heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch.
So macht die Regierung als erste Massnahme die am 12. Mai gewährte Ausdehnung der Aussenbereiche ohne Bewilligung in der Steinenvorstadt per sofort rückgängig. Nachdem am vergangenen Samstag zahlreiche Personen Abstandsregeln missachtet hätten, seien die Voraussetzungen für die Ausdehnung der Aussenbestuhlung nicht mehr gegeben.
Für Restaurants, Cafés und Bars in der Steinenvorstadt gelten wieder die Boulevardflächen gemäss den ordentlichen Bewilligungen. Die Polizei wird zudem ihre Präsenz in der Steinenvorstadt erhöhen und kontrollieren, ob sich die Gäste künftig an die Abstandsregeln halten. Falls nötig, werden Ermahnungen und Bussen ausgesprochen.
Auch Zürich schliesst temporäre Absperrungen nicht aus. «Die Stadtpolizei wird einschreiten, wenn ‹es überbordet›», sagt die Stadtzürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Bilder wie in Basel wolle man in Zürich nicht sehen. Aber klar sei: «Die Leute haben ein Nachholbedürfnis.»
Vielen Menschen sehnen sich danach, endlich wieder am Zürichsee flanieren und sünnelen zu können. Der Druck, das Zürcher Seebecken für die Bevölkerung wieder zu öffnen, sei «gigantisch» so Rykart. Nichtsdestotrotz bleiben die grossen Zürcher Quaianlagen am See geschlossen. «Das Utoquai zu räumen an einem Freitagabend, wenn zu viele Leute zu nahe beieinanderstehen und die Leute den Platz nicht verlassen wollen, ist nicht machbar», so Rykart zur NZZ.
Anders sieht es in Luzern aus. Dort hat die Stadt am 11. Mai das Seebecken für die Bevölkerung wieder geöffnet. Doch die Akzeptanz für die Abstandsregeln schwindet. «Es kommt vermehrt zu Diskussionen zwischen Einsatzkräften und See-Besuchern», wie Armida Raffeiner vom lokalen Krisenstab zur Luzerner Zeitung sagt. Die Behörden haben darum eigens einen Sicherheitsdienst engagiert, der die Leute an das Corona-Regime erinnert und falls nötig die Polizei alarmiert.
In der Bundesstadt sind laut Behörden vorerst keine weiteren Massnahmen geplant, um Corona-Regeln durchzusetzen. Die Polizei werde wie gewohnt patrouillieren und wenn nötig einschreiten. Trotz «Ermüdungserscheinungen» bei der Bevölkerung und schönem Wetter sind die Behörden zuversichtlich: «Die Bernerinnen und Berner haben in den letzten Wochen mehr als bewiesen, dass sie die notwendigen Massnahmen einhalten können und wollen», sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause zum Bund.
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Zwei Monate keine Party und kein Friseur. Keine Party jetzt noch ein bisschen länger und das ist es.
Keine Lebenslange Haft, kein Leben in Kellern zerstörter Häuser im syrischen Bürgerkrieg. Das Virus, ob schlimm oder nicht, ist nebensächlich in diesem Artikel. Schockierend ist die mangelnde Durchhaltefähigkeit bei kleinsten Problemen unserer Spassgesellschaft.