Die Sozialhilfe ist vorurteilsbehaftet. Schnell ist von Faulheit die Rede. Umgekehrt wird das Thema Armut in der Schweiz totgeschwiegen. Doch die Armut betrifft im Jahr 2021 laut dem Bundesamt für Statistik rund 745‘000 Personen in der Schweiz. Die Sozialhilfe bietet dabei eine vorübergehende finanzielle Unterstützung für Personen in Notlagen.
2022 waren rund 256'800 Personen von finanzieller Unterstützung durch die Sozialhilfe abhängig. Im Verhältnis zur ständigen Wohnbevölkerung von rund 8'815'400 Personen ergibt sich die Sozialhilfequote von 2,9 Prozent — ein Rückgang von 0,2 Prozent im Vergleich zu 2021. Seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 2005 wurde einzig im Jahr 2008 eine solch tiefe Quote erreicht.
In absoluten Zahlen waren 8300 Personen weniger von der Sozialhilfe abhängig als noch im Vorjahr. Der Bund führt diese Veränderung auf die verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie auf die Covid-19-Massnahmen zurück, welche die Folgen der Pandemie auf die Sozialhilfe abfederten.
Spezifisch stark von der Sozialhilfe abhängig sind Kinder, AusländerInnen, Personen ohne obligatorische Ausbildung sowie alleinerziehende Eltern und alleinstehende Personen. Diese Personengruppen sind oft bereits stärker von Armut betroffen oder armutsgefährdet als der Durchschnitt der Schweizer Bevölkerung und gelten daher als Risikogruppen.
Überproportional von der Sozialhilfe abhängig sind Minderjährige. Mit fast 30 Prozent aller Sozialhilfebeziehenden sind sie mit Abstand am meisten auf die finanzielle Unterstützung angewiesen.
In 14 Kantonen nahm die Sozialhilfequote 2022 ab, in zehn verblieb sie auf dem gleichen Niveau. Einzig in den Kantonen Schaffhausen und Jura nimmt die Quote leicht zu, mit einem Plus von 0,1 Prozentpunkten. Sichtbar sind auch gewisse regionale Unterschiede. Beispielsweise sind die Sozialhilfequoten in der West- und Nordwestschweiz bedeutend höher als in der Zentral- und Ostschweiz.
Spezifisch stark ins Gewicht fallen die Abnahmen in den bevölkerungsreichen Kantonen Zürich und Bern mit je einem Minus von 0,2 Prozentpunkten. Den stärksten Rückgang können die Kantone Basel-Stadt (-0,4 Prozentpunkte) und Neuenburg (-0,3 Prozentpunkte) verzeichnen.
Der Einfluss der schulischen und beruflichen Ausbildung auf die Sozialhilfequote ist enorm. Personen zwischen 25 und 64 Jahren, die über keine berufliche Ausbildung verfügen, machen nur 14,6 Prozent der ständigen Schweizer Wohnbevölkerung aus. Doch machen sie mit 49,5 Prozent aller Sozialhilfebeziehenden einen unverhältnismässig grossen Teil der wirtschaftlich von der Sozialhilfe abhängigen Personen aus.
Im Gegenzug konnte der grösste Teil der ständigen Wohnbevölkerung (44,9 Prozent) eine tertiäre Ausbildung absolvieren, sprich, haben einen Abschluss an einer Universität oder einer Fachhochschule. Dieser gut ausgebildete Teil der Bevölkerung macht dann nur noch 7,6 Prozent der Sozialhilfebeziehenden aus.
Der deutlich grösste Teil der Sozialhilfebeziehenden nimmt nach weniger als einem Jahr keine Sozialhilfe mehr in Anspruch. 2022 waren rund 60 Prozent der Beziehenden nach maximal zwei Jahren nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen. 2005 waren es noch fast 79 Prozent.
Durch die tiefere Sozialhilfequote ist also ein verhältnismässig kleinerer Teil der Bevölkerung von der Sozialhilfe abhängig, doch besteht diese finanzielle Abhängigkeit oft länger als noch vor einigen Jahren.
Die meisten Menschen, die Sozialhilfe beziehen, gelten als Nichterwerbspersonen. Nach Definition des Bundes sind dies Personen, welche vorübergehend arbeitsunfähig, im Haushalt tätig, in Ausbildung, ohne Chance auf dem Arbeitsmarkt, Dauerinvalide oder Rentner sind. Auch ein grosser Teil ist erwerbstätig, doch reicht der Lohn nicht für das Existenzminimum, weshalb weiterhin eine Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung durch die Sozialhilfe besteht.