Es war eine spezielle «Arena» am Freitag vor dem Abstimmungswochenende. Nicht nur, weil ein KI-generierter Sandro Brotz das Publikum etwas hölzern zur Sendung begrüsste. Für einmal ging es im Studio 8 nicht um eine politische Vorlage. Anlässlich der Themenwoche zu Künstlicher Intelligenz (KI) bei SRF lud die «Arena» zu einer Diskussion zu den Chancen und Risiken ebendieser.
Zum Thema «Künstliche Intelligenz – wie verändert sie unser Leben?» diskutierten bei Moderator Sandro Brotz Gäste aus der Wirtschaft, Politik und Wissenschaft:
Als Experte mit im Studio war:
Dass ausgerechnet das Thema KI bereits vor der Sendung für Furore sorgen würde, hatte sich beim «Arena»-Team wohl niemand gedacht. Aber siehe da: Die FDP Schweiz reklamierte am Donnerstag via X, dass Juso-Präsidentin Mirjam Hostestmann als einzige Vertreterin einer politischen Partei eingeladen worden war.
Liebes @SRF, was genau qualifiziert die Juso-Präsidentin @MHostetmann (Germanistik- und Geschichtsstudentin, Klimaaktivistin) als einzige Vertreterin einer politischen Partei zur Teilnahme an einer KI-Arena, wenn es nicht die euch genehme politische Farbe ist?#SRFArena https://t.co/t5pg803Q2K pic.twitter.com/ZHkK2amYV0
— FDP Schweiz (@FDP_Liberalen) November 21, 2024
Die Sorge der FDP stellte sich nur zum Teil als unbegründet heraus. Denn auch wenn Economiesuisse-Präsidentin Monika Rühl in der «Arena» ihrer Rolle als Stimme der Wirtschaft alle Ehre machte, fuhr Hostetmann mit schwerem antikapitalistischem Geschütz auf.
Die Juso hatte Anfang Jahr eine KI-Resolution verabschiedet, in der sie unter anderem eine Enteignung grosser digitaler Unternehmen und eine demokratische Kotrolle von KI-Technologien gefordert hatte.
Als Brotz auf den Juso-Vorschlag zu sprechen kam, fragte er ungläubig in Richtung Juso-Präsidentin: «Enteignung, ernsthaft?» Und Hostetmann, ungerührt: «Ja, ernsthaft.» Wir müssten die Kontrolle über die Technologie wiedererlangen und mitbestimmen können, welche Produkte wir wollten. Rühl wurde es langsam zu blöd: Es wirke so, als sei die Juso auf allgemeiner Enteignungsmission. Auch Rühl bohrte nochmals nach, diesmal ehrlich irritiert: «Wollen Sie das wirklich?»
Hostetmann bejahte, es gehe um die Demokratie. Als der Zweikampf ins Persönliche abdriftete und die Economiesuisse-Präsidentin die 25-jährige Hostetmann fragte, ob sie denn jemals in einem Privatunternehmen gearbeitet habe und wisse, wie es dort so laufe, versuchte Brotz zunächst erfolglos, dazwischenzugehen. Zuvor teilte Rühl nochmals aus:
Brotz eilte nach diesem Schlagabtausch zu Marcel Salathé, der etwas abseits stand und von Brotz zum Schiedsrichter ernannt worden war. «Damit sich die Gemüter wieder ein bisschen beruhigen», erklärte er sich. Salathé, den viele als Epidemiologen aus der Coronapandemie kennen, war an diesem Abend als Co-Direktor des KI-Zentrums an der EPFL vor Ort.
Brotz' Mission gelang, Salathé ordnete die Dinge wieder für ihn. Es sei wichtig, nicht alles durcheinander zu bringen – soziale Medien, KI, das seien unterschiedliche Themen, so der Forscher.
Was Künstliche Intelligenz genau bedeutet, scheint also gar nicht so klar zu sein, auch nicht an diesem Abend in der «Arena». Mehrfach wurden KI, soziale Medien, Applikationen oder Tech-Konzerne beinahe synonym verwendet.
Dafür erklärte ein Einspieler in der Sendung nochmals für alle: Künstliche Intelligenz meint Systeme, die Aufgaben erledigen können, für die sonst menschliche Fähigkeiten nötig wären. Eine KI muss mit Daten trainiert werden, mit vielen Daten. Und sie wird bereits eingesetzt: im Verkehr, in der Medizin, im Krieg – oder am Handy mit ChatGPT.
Salathé plädierte im Umgang mit KI für einen «kritischen Optimismus». Brotz warf scherzhaft ein, dass das ja fast der Jobbeschreibung für einen «Arena»-Moderator entspreche. Ein wenig Vorsicht hält Salathé für angemessen, laut ihm handelt es sich bei der Verbreitung von KI um einen ähnlich dramatischen Umbruch wie die industrielle Revolution.
Der Ethiker Peter G. Kirchschläger warnte vor allem vor Urheberrechtsverletzungen, Umweltschäden, Wahrheitsverlust. Ethische Risiken, wo man hinschaut. Vor allem Kinder und Jugendliche müssten geschützt werden – ob vor KI, Social Media oder dubiosen Apps, war irgendwann nicht mehr so klar.
Einer, der sich tatsächlich mit KI auskennt, ist Pascal Kaufmann. Der Neurowissenschaftler und international anerkannte Technologie-Unternehmer will die Schweiz zu einer führenden Kraft bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz machen. Am sichersten sei es doch, wir würden die Technologie gleich bei uns entwickeln, griff er Hostetmanns Kritik an Big Tech wieder auf.
Die Positionen waren also klar verteilt: Hostetmann und Kirchschläger waren für die Risiken, Rühl und Kaufmann für die Chancen da. Und Salathé für die «Stimme der Ausgewogenheit», in Brotz' Worten. Entsprechend fielen auch ihre Stellungnahmen zu möglichen Regulierungen Künstlicher Intelligenz aus.
Seit diesem Sommer kennt die EU den AI-Act, eine Verordnung, die KI-Systeme in verschiedene Risikostufen einteilt und entsprechende Vorgaben macht. Gewisse KI-Anwendungen werden verboten, zum Beispiel solche, die soziales Verhalten bewerten können. In der Schweiz gilt diese Verordnung nicht, der Bund will bis Ende Jahr einen eigenen Vorschlag für KI-Leitplanken vorlegen.
Für den «Reality Check», wie Brotz es nannte, waren zwei Gymnasiasten aus dem Zürcher Oberland ins Studio eingeladen worden. Nach einer Stunde Zuhören durften Yuri und Ronny endlich erzählen, ob ihnen KI das Leben nun leichter oder schwerer mache. Differenziert schilderten die beiden, wie sie im Schulalltag mit KI umgehen. So eröffne KI eine Vielfalt an Möglichkeiten, die sie auch nutzten, so Yuri.
Für ihre Maturaarbeit hätten die beiden aber bewusst auf KI verzichtet, obwohl es erlaubt gewesen wäre. Zur Frage, ob sie für oder gegen Regulierungen der Technologie seien, lieferten sie so bedachte und eloquente Antworten, dass Brotz ihnen gleich ein Lob aussprach:
Ja, müssen wir nun Angst haben vor dieser Künstlichen Intelligenz oder ist alles ganz harmlos? Es folgte ein dramatischer Einspieler des öffentlichkeitswirksamen Historikers Yuval Noah Harari, der in der KI das Ende der von den Menschen dominierten Geschichte sieht. Nun ging es um die Gretchenfrage.
KI-Pionier Kaufmann winkte ab:
Salathé stellte zum Schluss die Gegenfrage: Warum hat man sich bei der «Arena» gerade für Hararis drastisches Statement entschieden? Hätte man ihn auch gezeigt, wenn sich dieser ausgewogen über KI geäussert hätte? Vermutlich nicht, antwortete Brotz ehrlich.
So offenbarte sich am Ende der «Arena», was sich schon früh abgezeichnet hatte. Wir müssen noch viel lernen, wenn es um Künstliche Intelligenz geht. Salathé schmunzelte, als er auf mangelnde Kompetenzen im Umgang mit KI hinwies, die auch in der Diskussion augenfällig geworden seien.
So bleibt KI in dieser «Arena» mehrheitlich Mythos und Projektionsfläche für jene Themen, die die Diskussionsteilnehmenden ohnehin schon beschäftigen, seien dies Kinderrechte, der freie Markt oder Klassenkampf.
Wenn ich also mit Hilfe von KI sagen wir 2x so produktiv bin wie ohne, Dann kann ich entweder die hälfte an Zeit arbeiten für gleichen Lohn oder ich kriege doppelten Lohn für doppelte Arbeit.
Leider wir es aber wohl so sein, dass der Konzern wieder alles selber einstreicht und nur die Managerkaste, die eigentlich vollständig durch KI ersetzt weden könnte, noch reicher wird.
«Es sind vor allem die Big-Tech-Firmen, die mit KI maximalen Profit scheffeln, während wir keine Ahnung haben, was mit unseren Daten passiert.»“ – naja, die Analyse ist zumindest genau richtig…