Es geht zu und her wie auf einem orientalischen Basar: National- und Ständeräte streiten derzeit darüber, wie der Strassenverkehr künftig finanziert werden soll.
Weitgehend einig sind sich die Politiker bloss darin, dass sie einen «Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds» (NAF) schaffen wollen, einen Geldtopf also, aus dem Sanierungen und Ausbauten bezahlt werden.
Streit jedoch herrscht über die Frage, woher das Geld kommen soll. 15, 6 oder 4 Rappen mehr für Diesel und Benzin?
Das sind die Werte, die bisher herumgeboten wurden. Oder soll künftig mehr Geld aus der bisherigen Mineralölsteuer in den Strassenverkehr fliessen statt in die allgemeine Bundeskasse? Heute ist es halb-halb.
Oder sollen gar sämtliche Einnahmen aus dieser Steuer dem Strassenverkehr zugute kommen? Dies verlangt die «Milchkuh-Initiative», die am 5. Juni zur Abstimmung kommt.
Das Positive an der Diskussion ist die Erkenntnis, dass auch die Strasse ausgebaut werden muss.
Der Verkehr hat sich seit 1990 verdoppelt, ohne dass das Netz substanziell erweitert worden wäre; vielerorts herrscht zudem dringender Sanierungsbedarf.
Die Linke sagt gern: «Wer Strassen baut, wird Verkehr ernten.» Man könnte entgegnen: «Wer keine Strassen baut, wird Stau ernten.»
Jedenfalls mutet der aktuelle Streit um Kassen, Rappen und Milliarden eigenartig an. Das bürgerlich dominierte Parlament könnte sich auch fragen, warum es den Ausbau und Erhalt der Infrastruktur über Jahrzehnte verschlafen hat.
Dass der Verkehr stark zunehmen würde, war absehbar. Unter Stau leiden alle: die Wirtschaft, die Umwelt und vor allem die Menschen, die so ihre Zeit vergeuden.
In jedem anderen industrialisierten Land wäre eine Hauptverkehrsader wie die A1 längst auf mindestens sechs Spuren ausgebaut und eine Stadt wie Basel durch eine durchgehend achtspurige Tangente entlastet worden.
Die Verkehrsprobleme haben sich nun sogar auf die Bewertung der Schweiz im neusten «Global Innovation Index» (GII) niedergeschlagen: Unser Land steht international an der Spitze – bloss bei der Infrastruktur sind wir nicht unter den Top-10.
Das Negative an den Diskussionen ist die Tatsache, dass sie sich im alten Denkmuster bewegt und die Veränderungen nicht berücksichtigt, die anstehen.
Und die kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Audi-Chef Rupert Stalder sagte kürzlich am Automobil-Salon in Genf über seine Branche: «Das selbstfahrende Auto ist der grösste Umbruch des Jahrhunderts und vergleichbar nur mit dem Zeitpunkt, als die Pferdekutschen in den Städten von den ersten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verdrängt wurden.»
In der Tat: Kapazitäten werden vervielfacht, wenn Autos Stossstange an Stossstange und in gleichem Tempo fahren.
Unterwegs verliert der Passagier keine Zeit; er kann schlafen, Zeitung lesen oder bereits arbeiten.
Auch das Auto – oder die fahrbare Kapsel, das es wohl eher wäre – muss andere Anforderungen erfüllen: Ein passendes Interieur wird wichtiger, die Anzahl PS spielt keine Rolle mehr.
Ohnehin braucht man kein eigenes Fahrzeug mehr: Man kann eines bestellen, wenn man es braucht, womit gleich noch ein Grossteil der Parkplätze überflüssig würde.
Klar, die Technik ist noch nicht ausgereift und es gibt Knacknüsse: Wer haftet bei einem Unfall?
Wie entscheidet der Algorithmus: Fussgänger überfahren oder Frontalkollision verursachen, wenn es nur diese beiden Optionen gibt?
Aber der Fortschritt wird sich durchsetzen, wie überall:
Handy? Ist viel zu schwer (es wog 25 Kilo).
Digitalkameras? Menschen wollen Fotos nicht am Bildschirm anschauen (sagten die Kodak-Chefs).
Das iPhone? Keine Chance, niemand zahle 500 Dollar zusätzlich, bloss um ein Apfel-Logo drauf zu haben (sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer).
Nespresso? Brauchen wir nicht, sagten die Nestlé-Chefs ihren Entwicklern und liessen das Kapseln 20 Jahre lang ruhen.
Das selbstfahrende Auto wird früher oder später die Regel – wer gerne mal aufs Gas drückt, kann am Wochenende zum Beispiel über den Passwang fahren. Das macht Spass.
Aber täglich im Stau will bestimmt niemand mehr stehen. Die Schweiz als überschaubares, hoch motorisiertes und wohlhabendes Land könnte eine Vorreiterrolle spielen beim Wandel der Mobilität.
Nun aber droht unser Land, das zu machen, was es vor Jahrzehnten hätte tun sollen – Strassen ausbauen – und das zu verschlafen, was die Zeichen der Zeit dieses Mal ebenso dringend verlangen: zu planen, wie der Verkehr in Zukunft bewältigt wird und in neue Technologien zu investieren.
Die meisten Politiker jedoch haben noch nicht erkannt, welcher Wandel bevorsteht. Sie halten es mit Wilhelm II., deutscher Kaiser von 1888 bis 1918, der sagte: «Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.» (aargauerzeitung.ch)