Mit dem Handy tragen wir gefühlt alles Wissen der Welt ständig in der Hosentasche mit uns. Fast jeder Inhalt ist fast immer von fast überall her einsehbar.
Doch das birgt auch Gefahren – gerade für Kinder und Jugendliche: Gewaltvideos, Pornografie, Drogen oder Waffen sind mehr oder weniger frei zugänglich.
Dem wollte das Parlament entgegensteuern, mit dem neuen «Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospielen». Demnach wären künftig alle Anbieter von Game- und Videoplattformen verpflichtet, das Alter aller Nutzerinnen und Nutzer zu überprüfen. Dazu gehörten Youtube oder Twitch, laut Bund, aber auch Netflix oder Facebook und Instagram.
Doch das Gesetz stösst auf Widerstand. Die Piratenpartei hat das Referendum ergriffen. Ein Überblick:
Das Gesetz verfolgt hehre Ziele: Kinder und Jugendliche sollen vor «Darstellungen von Gewalt, Sexualität und bedrohlichen Szenen» in Filmen, Videos und Games bewahrt werden. Da diese ihre «Entwicklung gefährden könnten».
Dazu wären zukünftig schweizweit alle Kinos, Detailhändler, Online-Versandhändler und Online-Videoplattformen oder Gameplattformen zu Alterskontrollen bei allen verpflichtet – und zwar vor der ersten Nutzung des Dienstes.
SP-Nationalrätin Sandra Locher Benguerel sagt gegenüber SRF:
Denn ohne eine Altersüberprüfung würde das Gesetz keine Wirkung entfachen.
Die Piratenpartei hat das Referendum ergriffen gegen das Gesetz. Sie wirft dem Parlament vor, dass das Ziel – nämlich Kinder und Jugendliche zu schützen – «vollumfänglich» verfehlt werde.
Gegenüber SRF sagt Pascal Fouquet, Vizepräsident der Piratenpartei:
Die sicherste Möglichkeit für Anbieter, das Alter zu überprüfen, sei, einen ID- oder Pass-Scan anzufordern. Allerdings besässen nicht einmal alle in der Schweiz lebenden Menschen einen Ausweis, da es hierzulande keine Ausweispflicht gebe, meint das Referendumskomitee. Somit würden Minderjährige und Erwachsene von Inhalten ausgeschlossen.
In der Botschaft des Bundesrates zum Gesetz wird sogar explizit erwähnt, dass Personalausweise eingefordert werden könnten:
Im Gesetzt wären nach Artikel 8.3 geregelt, dass die Ausweis-Daten von Minderjährigen ausschliesslich zur Altersverifikation genutzt werden dürften. Was mit den Daten von Erwachsenen passierte, ist offen.
Die Piratenpartei merkt weiter an:
So fielen zum Beispiel Bilder nicht unter das Gesetz. Oder Videos könnten über Dienste wie WhatsApp weiterhin problemlos ausgetauscht werden. Und mit einem VPN, der der Plattform vorgaukelt, dass man sich nicht im Land befindet, könne man sowieso alle Kontrollsysteme umschiffen, heisst es seitens des Referendumkomitees.
Das Referendumskomitee hat noch bis zum 19. Januar Zeit, Unterschriften zu sammeln. Es fehlen noch einige Tausend.
Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum, bestätigt gegenüber SRF die Vorwürfe der Piratenpartei:
Als Nutzer wäre kein anonymer Zugriff auf Videos mehr möglich. Das von Tech-Journalisten lancierte Online-Magazin «Dnip» meint diesbezüglich:
Daraus leitet Steiger eine weitere Befürchtung ab, die er auf seiner Internetseite formuliert: Damit Anbieter nicht ständig Nutzer überprüfen müssten, würden Plattformen nicht nur einen Ausweis-, sondern auch einen Klarnamenzwang einführen müssen.
Ob ausländische Plattformen wie Netflix oder Youtube extra für die Schweiz eine solch strenge Prüfung einführen würden, ist fraglich.
Zudem betont Steiger gegenüber SRF, dass ausländische Anbieter (wie Tiktok, Youtube oder Steam) zwar eigentlich gar nicht zum Einhalten des Gesetztes gezwungen werden könnten – aber der Anreiz trotzdem gross sei mitzumachen, da gratis Daten generiert werden können, um diese dann «zum Beispiel für Werbung, zu nutzen».
Datenschützer von «Dnip» hoffen nun, dass – sollte das Referendum nicht zustande kommen – wenigstens die Verordnung regeln wird, wie und welche Daten erhoben werden dürfen oder die Einführung einer eID abgewartet wird. Damit würden Plattformen wie TikTok und Youtube nur sehen, dass jemand volljährig ist. Es müsste also kein Ausweis ins Ausland übermittelt werden.
(yam/oli)