Die beiden grössten Telekomkonzerne in der Schweiz liegen sich weiterhin in den Haaren. Sunrise klagt gegen Swisscom auf Schadenersatz in der Höhe von 350 Millionen Franken zuzüglich Zinsen. Swisscom will die Forderung prüfen.
Sunrise wirft Swisscom vor, von 2001 bis 2007 ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht und durch die Preispolitik bei ADSL-Diensteng den Wettbewerb rechtswidrig behindert zu haben. Durch die von Swisscom praktizierte «Kosten-Preis-Schere» sei es Sunrise als Vorleistungsbezügerin nicht möglich gewesen, das ADSL-Geschäft profitabel zu betreiben.
Der Rechtsstreit zwischen den beiden Telekomanbietern dauert schon länger. Nach einem zehnjährigen Instanzenzug wurde die Sichtweise von Sunrise vom Bundesgericht im Dezember 2019 bestätigt und die Swisscom zu einer Busse von 186 Millionen Franken verurteilt.
Das Bundesgerichtsurteil folgte auf eine Verfügung der Wettbewerbskommission Weko von Ende 2009 nach einem 2005 eröffneten Verfahren. Die Weko kam zum Schluss, dass die Swisscom ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich des Breitbandinternetzugangs (ADSL) jahrelang missbraucht habe. Die Swisscom bestätigte am Freitag in einer eigenen Mitteilung diesen Sachverhalt.
Seitens der Weko resultierte vorerst eine Busse für die Swisscom in der Höhe von rund 220 Millionen Franken, welche in der Folge vom Bundesverwaltungsgericht auf 186 Millionen reduziert und danach vom Bundesgericht bestätigt wurde.
Sunrise hatte in der Folge das Beratungsunternehmen Swiss Economics mit der Berechnung des erlittenen Schadens beauftragt. Demnach wird der Schaden aus dem Marktanteilsverlust und verhindertem Zugewinn im Breitband-Internetmarkt sowie in den angrenzenden Märkten Festnetztelefonie- und Mobilfunkmarkt auf insgesamt 457 Millionen Franken beziffert, so Sunrise.
Er sei damit grösser als ursprünglich angenommen. Sunrise habe deshalb mit der Schadenersatzforderung vorsorglich die Verjährungsfrist für eine Forderung in der Höhe der genannten 350 Millionen zuzüglich Zins unterbrochen.
Die Klage wurde beim Handelsgericht in Bern eingereicht.
Die Swisscom bestätigte weiter in ihrer eigenen Stellungnahme den Eingang der Zivilklage von Sunrise. Man werde diese Forderung prüfen, zum nun hängigen Gerichtsverfahren aber keine weiteren Angaben machen, hiess es beim grössten hiesigen Telekomkonzern dazu.
Gleichzeitig bestätigte Swisscom die bisherige Geschäftsprognose für das laufende Jahr. Für mögliche zivilrechtliche Forderungen seien Rückstellungen gebildet worden. Die Swisscom peilt gemäss Angaben von Ende April einen Umsatz im Gesamtjahr von rund 11,1 Milliarden an, nach 11,5 Milliarden im Vorjahr. Beim operativen Gewinn (EBITDA) rechnet der Konzern mit rund 4,3 Milliarden Franken. Ausserdem wird eine erneut unveränderte Dividende von 22 Franken in Aussicht gestellt, sollten die Ziele erreicht werden.
Swisscom ficht vor Gericht verschiedene Sträusse aus. So hatte etwa die Weko Swisscom und ihre Tochterunternehmen Cinetrade und Teleclub im Mai 2016 wegen Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung mit einer Sanktion von rund 72 Millionen Franken belegt. Swisscom soll bei der Übertragung von Live-Fussball- und Eishockeyspielen im Bezahl-TV einigen Konkurrenten die Ausstrahlung von Live-Sport verweigert oder nur sehr partiell gewährt haben.
Gegen die Verfügung der Weko gelangten Swisscom und die Tochtergesellschaften ans Bundesverwaltungsgericht. Sunrise war bereits am Verfahren der Weko beteiligt und wurde in der Folge durch ein Urteil vom Bundesgericht auch vom Bundesverwaltungsgericht zu dieser Sache zugelassen, als sogenannte «andere Beteiligte». Das Bundesgericht ist laut einem Urteil vom Frühjahr 2019 auf eine Beschwerde von Swisscom gegen die Beteiligung von Sunrise nicht eingetreten. (awp/sda)
Von einem Staatskonzern mit 65% (!) Marktanteil, der uns was von starker Konkurrenz vorschwafelt, etwas eine seeehr seltsame Einstellung.