Meret Schneider, 32, erlebt derzeit einen Shitstorm, wie ihn wohl noch keine andere Schweizer Politikerin durchmachen musste. Die Zürcher Grünen-Nationalrätin wird auf den Social-Media-Plattformen von Usern aus der ganzen Welt zum Teil heftig kritisiert. Auf X haben sich prominente Accounts aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum mit Millionen von Followern auf Schneider eingeschossen.
Ausgelöst worden ist die Kontroverse durch Aussagen der Grünen-Politikerin gegenüber der «SonntagsZeitung». In einem Artikel über die Regulierung von Social Media sagte Schneider, Plattformen wie X, Facebook oder TikTok seien eine Gefahr für die Demokratie.
Mit Verweis auf den deutschen Wahlkampf kritisierte die Nationalrätin: «Posts, die der AfD nützen, werden gepusht, gegnerische Inhalte hingegen unterdrückt.» Es brauche dringend Regeln, und in letzter Konsequenz müssten diese Plattformen auch gesperrt werden können, so Schneider: «Heute betrifft es Deutschland, in ein paar Jahren vielleicht die Wahlen in der Schweiz.»
Die Aussagen Schneiders verbreiteten sich – teilweise verkürzt oder inkorrekt wiedergegeben – in Windeseile via soziale Medien. Sie wurden von in rechten und rechtsextremen Kreisen beachteten sogenannten Alternativmedien aufgenommen. So etwa dem für die Verbreitung von Verschwörungstheorien und Fake News bekannten deutschen Portal «Disclose.tv» mit Millionen von Followern.
Hier ein Beispiel, wie ein Video zu Meret Schneider mit falschen Untertitel versehen wird:
🚨BREAKING NEWS: Heroic Vegan Politician Saves Democracy by Banning Free Speech
— mdtlion (@mdtlion) February 17, 2025
BERN, SWITZERLAND – In a stunning display of bravery, Swiss Green Party Overlord Meret Schneider has proposed saving democracy once and for all—by banning it entirely.
Schneider, known for her… pic.twitter.com/F5DyyFfp5h
Im deutschsprachigen Raum kritisierten prominente Figuren wie Ex-SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel Schneiders Aussagen. Auch der bekannte österreichische Rechtsextreme Martin Sellner griff Schneider in einem unterdessen wieder gelöschten Post an.
Der Shitstorm gegen die in Uster wohnhafte Politikerin schaffte den Sprung über den Atlantik. Reichweitenstarke, rechte Accounts aus den USA wie «Libs of TikTok» (4,2 Millionen Follower auf X) oder Ian Miles Cheong (1,2 Millionen Follower) griffen die Kritik an Schneider auf. X-Besitzer und Trump-Intimus Elon Musk verbreitet Beiträge dieser beiden Accounts regelmässig weiter. Zu Meret Schneider hat sich Elon Musk, mit 218 Millionen Followern der reichweitenstärkste Nutzer, noch nicht geäussert.
Unter den Posts finden sich Hunderte von Beiträgen, in denen Schneider teilweise aggressiv beleidigt wird. Zahlreiche User greifen Schneider wegen ihres Aussehens an und bringen es in einen Zusammenhang mit ihrem Einsatz für eine vegane Ernährung. Seit Elon Musk X im Oktober 2022 übernommen hat, hat er die Mechanismen, um die Verbreitung von Hassrede und Falschinformationen auf dem sozialen Netzwerk zu verhindern, stark zurückgeschraubt.
Die Grünen-Politikerin leidet seit ihrer Kindheit unter einer Essstörung. Im vergangenen November, kurz vor ihrer Rückkehr in den Nationalrat für den zurückgetretenen Parteikollegen Bastien Girod, sprach Schneider in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» erstmals öffentlich über ihre Anorexie. Zuvor hatte sie sich an einem spezialisierten Zentrum der Universität Zürich in Behandlung begeben.
Am Montag hatte sich Schneider zu Beginn des Shitstorms gegen sie im «Tages-Anzeiger» geäussert. Was gerade auf X passiere, zeige exemplarisch, warum es nötig sei, diese Plattformen zu regulieren, so Schneider. Die Kommentare, die man auf der Plattform sehe, seien nur die Spitze des Eisbergs. In ihrer Mailbox häuften sich die Nachrichten, darunter auch Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Kritik zu äussern, sei wichtig und gut, aber solche Nachrichten gehörten nicht dazu.
Auf eine Anfrage von CH Media vom Dienstag hat Schneider bislang noch nicht reagiert.
(aargauerzeitung.ch)
In den sozialen Medien geht es nur darum wer als erstes, am lautesten und am extremsten seine Meinung äussert. Hauptsache Reichweite. X und Co müssen reguliert werden. Nicht jede Meinungsäusserung ist schützenswert.