Will der Kanton Schaffhausen nun, oder will er nicht? Diese Frage stellt sich derzeit im Abstimmungskampf zum E-ID-Gesetz. Sie ist deshalb umstritten, weil sie exemplarisch aufzeigen könnte, wer bei einem Volks-Ja die E-ID anbieten wird.
Sie entscheidet auch über das zentrale Argument der E-ID-Gegnerinnen und -Gegner: Sie denken, dass die elektronische Identität sowieso nur von privaten Unternehmen wie SwissSign angeboten wird. Bundesrätin Karin Keller-Sutter widerspricht und nennt eben den Kanton Schaffhausen als Beispiel. Zuletzt heute im «Blick».
Nur, ob das stimmt, ist eine andere Sache.
Stimmt es, dann ist die Leier vom «digitalen Schweizer Pass von privaten Unternehmen» ein Märchen. Denn das geplante Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass auch Kantone und Gemeinden eine E-ID anbieten können.
Stimmt es jedoch nicht, fehlt der Bundesrätin das eine Beispiel eines Kantons, der tatsächlich in der Zukunft eine aufwändige und nicht ganz günstige IT-Infrastruktur zur Ausstellung von E-IDs anbieten wird.
Sprich, dass am Ende die E-ID eben doch vor allem eine Sache von privaten Unternehmen sein wird.
Erste Zweifel an der Korrektheit des Schaffhausen-Beispiels wurden diese Woche in der «Schaffhauser AZ» gestreut. Das Wochenblatt fragte beim zuständigen Regierungsrat Walter Vogelsanger (SP) nach. «Wir haben noch keinen Beschluss dazu gefasst», wird er im Bericht zitiert. Dass Schaffhausen irgendwann die eigene, kantonale E-ID auch auf nationaler Ebene für alle anbieten werde, sei lediglich «eine Option».
Das klingt nach alles anderem als einer eindeutigen Absicht, dass der Kanton Schaffhausen selbst zum E-ID-Anbieter werden will. Die Verwirrung wurde praktisch über Nacht perfekt: Der «Blick» erhielt ein Dokument zugespielt, in dem der Kanton Schaffhausen schwarz auf weiss dem Bundesamt für Justiz (BJ) unter Keller-Sutter bestätigt:
Dieses Dokument liegt auch watson vor. Und es wirft noch mehr Fragen auf als es beantwortet. Sind Schaffhausens Pläne nur eine «Option» oder gar eine «Absicht»?
Nach dem Wirrwarr gibt sich das Departement des Innern in Schaffhausen wortkarg. In dieser Angelegenheit sei «bereits alles gesagt» worden, weitere Auskünfte gebe es nicht.
Im «Blick» hingegen spricht der zuständige Regierungsrat von «Wortklauberei»: Es ergebe keinen Sinn, jetzt als Gesamtregierungsrat etwas zukünftiges zur E-ID zu beschliessen. Man müsse erst den Ausgang der Abstimmung und die genauen Bedingungen für eine Akkreditierung als Identitäts-Provider abwarten.
Was Vogelsanger nicht erwähnt: Je nachdem, welche finanziellen und politischen Dimensionen das Projekt einer Schaffhauser E-ID auf nationaler Ebene einnimmt, bräuchte es zudem den Segen des kantonalen Parlaments. Bestätigt wird dies von Politikern aus der Geschäftsprüfungskommission. Und dennoch wiederholt Vogelsanger: «Die Absicht, die Schaffhauser Lösung dereinst als Identitäts-Provider schweizweit anzubieten, besteht.»
Das bringt die «Absichtserklärung» des Kantons Schaffhausen in ein schiefes Licht: Sie scheint derzeit nur vom einzelnen Regierungsratsmitglied Vogelsang zu kommen. Sein Departement wollte die watson-Frage, warum man trotzdem am 6. Januar 2021 dem Bundesamt für Justiz hoch formell in einem Schreiben die «Absicht» bestätigt habe, nicht beantworten.
Das könnte damit zu tun haben, dass das Beispiel «Schaffhausen» als Pro-Argument hätte dienen sollen. Gründe für die Vermutung liefert SP-Regierungsrat Vogelsang in der «Schaffhauser AZ» gleich selbst. Dort bestätigt er, dass das «Team um Keller-Sutter» nachgefragt habe, ob man «die mögliche Bewerbung Schaffhausens als E-ID-Anbieter an der Pressekonferenz erwähnen dürfe». Die Erlaubnis dazu wurde dem Bund am 6. Januar im besagten Schreiben geliefert.
Die dort erwähnte «Schaffhauser Absicht» blieb vergleichsweise lange geheim – obwohl es mittlerweile zum zentralen Argument beider Seiten wurde. Publik wurde es erst am 14. Januar, als Keller-Sutter ihren bundesrätlichen Auftritt zur Abstimmungsvorlage vollzog. Gedroppt wurde die angebliche Tatsache vom Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann in seiner Funktion als Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes.
Am selben Tag veröffentlichte der Bund auch das Abstimmungsbüchlein. Dieses war watson-Informationen zufolge bereits am 8. Januar «druckreif» und enthielt bereits den einen Satz gegen das Privatisierungsargument des Nein-Lagers: E-ID-Anbieter werden «private Unternehmen, aber auch Kantone und Gemeinden sein».
Spricht nicht gerade für die Glaubwürdigkeit des Schreibens 😅