Am 20. Dezember um 12.30 Uhr wird das Kernkraftwerk Mühleberg für immer abgeschaltet. Ein historisches Ereignis: Es ist das erste Schweizer Atomkraftwerk, das seinen Betrieb einstellt.
47 Jahre war das AKW am Netz. Für die Betreiberin, die BKW Energie AG, lohnt sich die Instandhaltung der Anlage aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr.
Nach einer Medienkonferenz am Freitagmorgen darf eingeladene Prominenz aus Wissenschaft, Industrie und Politik der Stilllegung ab 11.15 Uhr beiwohnen. Die Ausschaltung kann auf watson im Liveticker verfolgt werden. Die entscheidenden Handgriffe wird ein regulärer Mitarbeiter des AKWs durchführen: Um 12.30 Uhr wird er zwei rote Knöpfe drücken und damit den Reaktor ausschalten.
Am Abend gibt es neben dem Kernkraftwerk ein Anwohnerfest. Einladungen dafür wurden an 12'000 Haushalte in die Ortschaften um Mühleberg verschickt. Gleichzeitig feiern auch die AKW-Gegner ein «Nachglühfest» in der Berner Reitschule. Ab 19 Uhr gibt es Konzerte und DJs.
Seit dem Reaktorunglück in Fukushima im März 2011 stieg der Druck auf Mühleberg stetig an. Damit das Kernkraftwerk hätte weiter betrieben werden können, wären umfassende Nachrüstungen nötig gewesen. Dies forderte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi Ende 2012.
Es hätte eine neue Kühlwasserversorgung und ein erdbebensicheres Kühlsystem für das Brennelementbecken und ein zusätzliches Nachwärmeabführ-System gebaut werden müssen – alles in allem eine teure Angelegenheit.
Zudem wuchs der politische Druck. 2012 verlangte eine kantonale Volksinitiative, dass das KKW Mühleberg sofort vom Netz zu nehmen sei. Zwar wurde dieser Vorstoss mit 66 Prozent Nein-Stimmen verworfen. Doch die Berner Regierung versprach daraufhin, Mühleberg «möglichst bald» und spätestens 2022 auszuschalten.
Am 30. Oktober 2013 erklärte die BKW in einer öffentlichen Mitteilung, dass sie das AKW Mühleberg per Ende 2019 schliessen wolle. Der Verzicht auf die Investitionen für einen Langzeitbetrieb reduziere das unternehmerische Risiko wesentlich. Für die restlichen sechs Betriebsjahre investierte die BKW rund 200 Millionen für die Instandhaltung.
Im Sommer 2018 wurde der Kern des AKWs zum letzten Mal mit neuem Brennstoff beladen. Schon ab Anfang November dieses Jahres nahm die Leistung der Anlage langsam ab, weil sich der Brennstoff nach und nach aufbrauchte. Am Freitag werden langsam Steuerstäbe zwischen den Brennstoff gefahren, um die Leistung zu reduzieren. Um 12.30 Uhr drücken zwei Techniker im Kommandoraum zwei rote Knöpfe. Danach wird der Druck im Reaktor abgebaut und das AKW hört für immer auf, Strom zu produzieren.
Danach fällt die Reaktorwassertemperatur innerhalb von etwa sieben Stunden von 280 auf unter 100 Grad Celsius. Bis am 22. Dezember soll die Anlage vollständig heruntergefahren sein. Im neuen Jahr, ab dem 6. Januar 2020 beginnen die Rückbauarbeiten. Diese werden bis 2030 andauern. Das Areal Mühleberg kann erst ab 2034 wieder landwirtschaftlich oder industriell genutzt werden.
Der Rückbau soll 927 Millionen Franken kosten, die Entsorgung 1,4 Milliarden Franken.
Die Gesamtmasse des Kernkraftwerks Mühleberg beträgt rund 200'000 Tonnen. Etwa acht Prozent davon sind radioaktiv verunreinigt – der grösste Teil aber nur gering. Diese Materialien lassen sich nach einer speziellen Reinigung als normaler Bauschutt deponieren oder wiederverwerten. Übrig bleiben knapp zwei Prozent radioaktive Abfälle, die speziell entsorgt werden müssen.
Das Schweizer Entsorgungskonzept sieht dafür die Lagerung in tiefen Gesteinsschichten vor. Bis über einen Standort entschieden und das Tiefenlager betriebsbereit ist, werden die Abfälle im zentralen Zwischenlager in Würenlingen zwischengelagert.
Das AKW Mühleberg produzierte jedes Jahr rund 3000 Gigawattstunden Strom, das entspricht fünf Prozent des Schweizer Bedarfs. Mit der Abschaltung reduziert sich die Stromproduktion der BKW um einen Viertel. Laut dem Berner Energieunternehmen komme es dadurch aber nicht zu einer Versorgungslücke. Dank ihres Produktionsparks im In- und Ausland, dem Handelsgeschäft und ihrer europaweiten Vernetzung werde die BKW ihre Kunden weiterhin zuverlässig mit Strom beliefern.