Man stelle sich vor: Zwei Hausbesitzerinnen überlegen sich, ob sie eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installieren sollen. Die Projekte sind identisch, die Kosten gleich – doch die erzielten Einsparungen und Erlöse variieren je nach Region. Die Rentabilität der beiden Anlagen kann daher verschieden sein. Die Subvention auf nationaler Ebene, die Einmalvergütung, ist dennoch die gleiche. Das verursacht unerwünschte Effekte.
So lautet – vereinfacht umrissen – eine der Hauptkritiken der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Sie hat untersucht, was das Instrument der Einmalvergütung für Photovoltaikanlagen im Zusammenspiel mit weiteren Massnahmen taugt. Seit deren Einführung 2014 wurden Einmalvergütungen von insgesamt 1,5 Milliarden Franken Fördergeldern für 130'000 PV-Anlagen gewährt, wie die EFK in einem Bericht festhält. Ist dieses Geld gut investiert – und erreicht es seinen Zweck? Dieser Frage ging die Finanzkontrolle nach.
Ein Problem, das sie dabei entdeckte, ist die mangelnde Koordination zwischen den verschiedenen finanziellen Anreizen. «Die Abstimmung (…) ist lückenhaft oder fehlt», hält die EFK klar und deutlich fest. Die Anreize können dadurch im Einzelfall zu hoch oder zu niedrig sein – oder auch zu unsicher oder zu intransparent.
Wie rasch sich eine Anlage rechnet, hängt unter anderem von den Rückliefertarifen und dem Eigenverbrauch ab. Vereinfacht gesagt: Wie viel erhält ein Hausbesitzer, wenn er seinen Solarstrom einspeist – und wie viel müsste er bezahlen für den Strom, hätte er keine Photovoltaikanlage? Beide Tarife variieren je nach Ort. Hinzu kommen zum Teil Subventionen von Kantonen oder Gemeinden. Die Höhe der Einmalvergütung wird darauf nicht abgestimmt.
Das führt zu zwei unerwünschten Effekten, wie der zuständige Projektleiter Alkuin Kölliker erklärt: «Einerseits kann es geschehen, dass eine Anlage nicht gebaut wird, da die Rentabilität zu gering ist. Andererseits kann es aber auch sein, dass eine Anlage sehr rentabel ist und die Einmalvergütung eigentlich überflüssig ist.»
Diese Mitnahmeeffekte belaufen sich auf rund 50 Prozent. Das ergaben zwei Evaluationen im Auftrag des Bundesamtes für Energie, auf welche die EFK verweist. Sprich: Jede zweite Anlage wäre auch ohne Einmalvergütung gebaut worden.
EFK-Direktor Pascal Stirnimann betont, die Mitnahmeeffekte auf 0 zu bringen, sei unmöglich, und der Nutzen der Einmalvergütung sei ganz klar da. «Aber man sollte Massnahmen anstreben, um die Mitnahmeeffekte zu reduzieren, damit das Geld der Steuerzahlenden so effizient wie möglich eingesetzt wird.»
Das Bundesamt für Energie kennt das Problem der Mitnahmeeffekte: Die Zahl von 50 Prozent stammt aus Berichten, welche das Amt selber in Auftrag gegeben hatte. «Wir nehmen das sehr ernst», sagt Wieland Hintz, Verantwortlicher Solarenergie. «Deshalb haben wir bereits die Vergütungssätze gesenkt, und 2024 ist eine weitere Absenkung vorgesehen.» Die Behörde sieht ihren Handlungsspielraum beschränkt: Die fehlende Abstimmung sei «vor allem ein Ergebnis der politischen Vorgaben», hält sie im Bericht fest.
Sie will nun bis Ende 2024 ein Konzept zur besseren Koordination der Anreize erarbeiten. Dass es so lange dauert, begründet das Bundesamt damit, dass derzeit im Parlament verschiedene Elemente beraten werden, darunter etwa die Vereinheitlichung der Rückliefertarife.
Über die Bücher muss das Bundesamt für Energie nach Ansicht der Finanzkontrolle auch in einem anderen Bereich: Es soll die Strategie zur Nutzung der Solarstrompotenziale überarbeiten – und sich nicht mehr nur auf Gebäude fokussieren. Die Finanzkontrolle kritisiert, es fehle eine aktualisierte Nutzungsstrategie, welche «auch eine mögliche substanzielle Nutzung von Freiflächen beinhaltet». In der Schweiz seien daher, in «markantem Gegensatz zu verschiedenen anderen Ländern in Europa», bisher keine Freiflächenanlagen in nennenswertem Umfang realisiert.
Aus Sicht der EFK besteht ein «erhebliches Risiko», dass die Zubauziele bis 2050 bei einer Beschränkung auf Gebäude- und Infrastrukturpotenziale «mit den bisherigen Massnahmen nicht oder nur mit unnötig höheren Kosten erreicht werden können».
Das Parlament hat inzwischen eingegriffen und den Solarexpress verabschiedet, um den Bau von Photovoltaik-Grossanlagen in den Alpen anzukurbeln. Doch die Parlamentarier und Parlamentarierinnen hatten eigentlich nicht genügend Grundlagen zur Hand für diesen Entscheid, wie die EFK durchblicken lässt. «Effektivität, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit der 2022 vom Parlament beschlossenen dringlichen Massnahmen zugunsten von Photovoltaik-Grossanlagen in den Alpen sind somit nicht genügend sichergestellt», heisst es im Bericht.
Die Finanzkontrolle empfiehlt dem Bund daher, «zeitnah» eine aktualisierte Strategie zur Nutzung der bestehenden Potenziale für die Solarstromproduktion auszuarbeiten. Das Bundesamt für Energie will dieser Forderung bis Ende 2024 nachkommen. (aargauerzeitung.ch)