Der Zufall will es, dass das neue Buch von Roger Nordmann in der heissen Phase des Wahlkampfs erscheint. In «Klimaschutz und Energiesicherheit» zeigt der SP-Fraktionschef auf, wie sich die Schweiz umbauen kann, um bis 2050 ihr Netto-Null-Ziel zu erreichen. Der Plan stützt sich auf die Klimafonds-Initiative von SP und Grünen.
Eigentlich hätte sein Buch früher erscheinen sollen, sagt Nordmann. «Doch es kamen Ukraine-Krieg und Energie-Debatte dazwischen.» Die Verzögerung erweist sich für die SP als Glücksfall. Sie erhält einen Trumpf in die Hand im Duell mit den Grünen.
Nordmann sieht sein Buch als Umsetzungsplan für die «Klimafonds-Initiative» und für das Klimaschutzgesetz, dem die Bevölkerung am 18. Juni zustimmte. Es verankert das Netto-Null-Ziel bis 2050 gesetzlich.
Den Umbau will Nordmann über massive Investitionen in einen radikalen Umbau der Energieversorgung erreichen. Raus aus den fossilen Energien, rein in die einheimischen, erneuerbaren Energien, lautet seine Devise.
Er rechnet mit Bruttoinvestitionen von 430 Milliarden, um die Klimaneutralität zu erreichen. Das sind 17 Milliarden pro Jahr für die nächsten 25 Jahre, was in etwa 2 bis 2,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmacht. 1 bis 1,5 Prozent sollen Private, Unternehmen, Kantone und Gemeinden übernehmen. Der Bund soll den Klimafonds mit 1 Prozent des BIP speisen.
Der Bund soll das Geld über Verschuldung finanzieren. Das sei legitim, wenn es um die Finanzierung von Investitionen gehe und darum, die Handlungsfähigkeit der Wirtschaft zu erhalten, schreibt Nordmann.
In den Bereichen Wohnen, Verkehr und Industrie schlägt Nordmann Folgendes vor:
Ein Viertel der Treibhausgasemissionen der Schweiz stammt von den Gebäuden. Deshalb braucht es eine Sanierungswelle, mit der Gebäudehüllen isoliert, Gebäudetechnik modernisiert und Öl-, Gas- und Widerstandsheizungen ersetzt werden.
Für Personen mit hohem steuerpflichtigem Einkommen sei eine Sanierung dank Kumulierung von Zuschüssen und steuerlichen Abzügen schon heute «sehr attraktiv». Handlungsbedarf ortet Nordmann bei Personen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen und bei Unternehmen, die kaum Buchgewinne schreiben. Der Klimafonds könne für mehr Gerechtigkeit sorgen und eine höhere finanzielle Unterstützung für die Sanierung von vermieteten Gebäuden bereitstellen - wenn sich der Vermieter im Gegenzug verpflichte, die Mietzinsen nicht zu erhöhen.
Der Strassenverkehr ist für 14 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich, was 27 Prozent der Emissionen der Schweiz entspricht. Eine Elektrisierung des privaten Personenverkehrs sei «unerlässlich», hält Nordmann fest.
Elektroautos verursachen zwar nur einen Drittel der Emissionen eines fossil betriebenen Autos. Der Klimafonds soll sie aber nicht mitfinanzieren. «Ein Elektroauto an sich ist nicht umweltfreundlich», schreibt Nordmann. Finanziert werden soll die Stromversorgungskette mit Zwischenspeichernetz und Ladepunkten. 17 Terawattstunden (TWh) braucht es, um Diesel und Benzin im Strassenverkehr zu ersetzen.
Die Schweizer Industrie nutzt 17 TWh fossile Energieträger zur Wärmeerzeugung. Rund ein Drittel kann durch Wärmepumpen ersetzt werden. Um alle Hochtemperaturprozesse zu dekarbonisieren, brauche es aber auch Strom oder erneuerbare Synthesegase, schreibt Nordmann. Letztere sind hauptsächlich Wasserstoff oder Methan, die aus erneuerbaren Energien hergestellt werden.
Die Gesamtstrategie «Solar, Synthesegas und Industrie» (SSI) ist das Herzstück des Buches, eine Erfindung von Nordmann, wie er bestätigt. Ihr Ziel ist es, die Bereiche Immobilien, Landverkehr, Industrie und Elektrizität vollständig zu dekarbonisieren. Sie machen zwei Drittel der Treibhausgasemissionen der Schweiz aus. Nicht mit einbezogen ist einzig die Luftfahrt. Hier ist kein Ersatz für Kerosin in Sicht.
Und so funktioniert die Strategie: Es braucht einen massiven Ausbau der Photovoltaikproduktion für eine Stromproduktion von 76 Terawattstunden (TWh). Das ist 16-mal mehr als heute. Nötig ist auch ein Ausbau der Windkraft auf 1000 Windräder (6 TWh) – und eine Erhöhung der Speicherkapazität der Wasserkraftwerke um 20 Prozent (2 TWh). Damit wäre gemäss Nordmann der gesamte Winterstrombedarf ohne fossile Energien und auch ohne Atomkraft gedeckt.
Die Sommerüberschüsse an Strom sollen hauptsächlich dazu dienen, Synthesegas für die Industrie zu produzieren. Diese Strategie bedingt eine moderate saisonale Speicherung von Synthesegas in Speichern mit 12 TWh. Das ist ein Bruchteil der Ölvorräte von heute, die nicht mehr benötigt würden.
Sein Umbauplan sei als «Zeichen gegen die Endzeitstimmung» gedacht, betont SP-Fraktionschef Nordmann. «Es gibt einen rationalen Weg aus der Klimakrise – und den sollten wir beschreiten.»
Alternativ könnte der Bund oder auch die Energieunternehmen als Contracting auftreten und Dächer mit Solarenergie decken. Nach einer Laufzeit von 20-30 Jahren kann der Eigentümer entweder selber übernehmen oder verlängern. Dafür zahlt er dann während den Jahren einen fairen Energiepreis. So können die mit weniger finanziellen Eigenmittel mitmachen und wir schaffen ein weiterer Teil der Zero Strategie.
Und an all die Schnappatmer: Nein, ich bin überhaupt nicht dagegen, dass wir unseren Beitrag leisten. Ich habe nur extrem Mühe mit dieser „wenn wir das tun wird alles gut-Stimmung“. Es reicht nicht, wenn nicht alle auf der Erde mitmachen. Und das tun sie aus verschiedensten Gründen nicht. Der genannte Ukraine-Krieg zeigt es: Wieviel CO2 ist wohl nur schon dadurch zusätzlich und völlig sinnlos in die Luft geblasen worden?