Am Anfang klang Robert Habeck sehr motiviert: «Wir haben uns vergewissert, dass eine Energiewelt, die vernetzt ist, wo man sich helfen kann, eine bessere, eine stabilere, eine sicherere Welt ist», so der deutsche Wirtschaftsminister nach seinem Treffen mit den Bundesräten Simonetta Sommaruga und Guy Parmelin Ende Mai in Davos. Man sei sich deshalb einig, rasch ein Solidaritätsabkommen im Gasbereich auszuhandeln.
Dessen Ziel: Sicherstellen, dass das Gas zwischen Deutschland und der Schweiz selbst dann noch fliesst, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin den Hahn längst abgedreht hat und in Europa der Gasnotstand herrscht. Auch eine Vereinbarung im Strombereich soll angestrebt werden.
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Nun, zwei Monate später, muss der seit Anfang Dezember amtierende deutsche Vizekanzler offenbar feststellen, dass die Sache mit der Schweiz oft viel komplizierter ist, als am Anfang scheint. Ja, die Gespräche würden laufen, bestätigte Habeck gegenüber CH Media diese Woche am Rande des Treffens der EU-Energieminister in Brüssel. Die Schweiz brauche Europa und auch Europa können die Schweiz gut gebrauchen.
Doch dann fügt Habeck ein grosses Aber an: «Die Schweiz hat sich ja entschieden, viele den Binnenmarkt betreffende Regeln nicht zu übernehmen und da ist die EU sehr klar: Kein Rosinenpicken». Das heisse, man könne nicht die Sachen nehmen, die man gerade gut gebrauchen könne und jene draussen lassen, welche man aus politischen Gründen ablehne.
Habeck: «Wenn man weiterkommen will, also wirklich Solidarität und Kooperation im Energiebereich schaffen will, dann muss die Schweiz bereit sein, einen Status wie Norwegen anzustreben, also dann auch Teil des Binnenmarktes insgesamt zu sein». So zumindest verstehe er die Haltung der EU-Kommission.
Dazu muss man wissen: Bevor Deutschland mit der Schweiz ein Solidaritätsabkommen abschliessen kann, muss es dieses erst der EU-Kommission zur Genehmigung vorlegen.
Gut möglich, dass Maros Sefcovic, der für die Schweiz zuständige EU-Kommissar, Robert Habeck nochmals detailliert an die Prioritäten und Grundsätze der EU im bilateralen Verhältnis erinnert hat, als dieser ihn nur zwei Tage nach seinem Davoser Treffen in der Brüsseler EU-Zentrale besuchte.
Fest steht: Tatsächlich gestalten sich die Verhandlungen über das Abkommen komplizierter als gedacht, wie CH-Media-Recherchen zeigen. Ein konkretes Problem stellt sich bei der Streitschlichtung: Deutschland hat der Schweiz vorgeschlagen, dass im Streitfall der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet. Dieser könnte zum Beispiel beigezogen werden, wenn es Konflikte um Kompensationszahlungen gibt, nachdem Deutschland zu Gunsten der Schweiz Teile seiner Industrie vom Gas abgehängt hat oder umgekehrt.
Die Schweiz will den EuGH aber nicht akzeptieren. In Bern hat man offenbar Angst, damit einen Präzedenzfall in den laufenden Gesprächen mit Brüssel über die institutionellen Fragen zu schaffen, wo die Rolle des EuGHs umstritten ist.
Stattdessen schlägt Bern ein bilaterales Schiedsgericht vor. Ob das Erfolgschancen hat, ist ungewiss. Die Solidaritätsabkommen der EU-Staaten untereinander und mit Drittstaaten beruhen auf der EU-Richtlinie zur Versorgungssicherheit im Gasbereich. Diese bezieht sich direkt auf EU-Binnenmarktrecht und dieses kann bekanntlich nur vom EuGH ausgelegt werden.
Ohnehin stellt die sogenannte «SOS-Richtlinie» (Security of Supply) eine Herausforderung in den Verhandlungen dar. Sie regelt unter anderem die Bedingungen grenzüberschreitender Solidarität und legt die Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden über die Gasversorger fest. In der Schweiz gibt es aber kein entsprechendes Regelwerk.
Das Schweizer Rohrleitungsgesetz stammt aus dem Jahr 1963 und ist relativ rudimentär gehalten. Das meiste wird der Privatwirtschaft überlassen. Die Schweiz müsste wohl wenigstens die Kernelemente der Richtlinie übernehmen oder sie direkt mit Deutschland in das Abkommen reinverhandeln. Eine komplexe Angelegenheit, die aber unter Umständen auch das Parlament betrifft.
Unter diesen Voraussetzung ist es fraglich, dass trotz Zeitdruck ein Abschluss des Gas-Abkommens mit Deutschland bald stattfinden wird. Beim Departement für Umwelt und Verkehr (Uvek) gibt man sich zugeknöpft. Weder will man sich zur Rolle des EuGHs beim Solidaritätsabkommen noch einer allfälligen Übernahme der SOS-Richtlinie nicht äussern und verweist auf die laufenden Gespräche.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga jedenfalls scheint schon mal bestrebt zu sein, die geweckten Erwartungen etwas runterzuschrauben. Man müsse sich «keine Illusionen» machen über den tatsächlichen Nutzen des Solidaritätsabkommen. Sommaruga: «In einer Energiekrise, wie wir sie jetzt haben, gibt es keine Gewissheit», sagte sie im «Echo der Zeit».
Und nun erwarten wir in der Not DIE grosse Solidarität aus der EU. Hoffentlich lernen wir etwas daraus, aber zuerst steht kein einfacher Winter vor uns, soviel ist sicher.
Die SVP wird dafür natürlich ihre Schuldigen an den Haaren herbei ziehen, hoffentlich bekommen diese Energie-Lobbyisten endlich Ihre Quittung! Nichts ist so schlecht, dass dies auch für etwas gut wäre!