Im magischen Landwassertal, hoch über dem Nebelmeer, zwischen Weissfluh und Jakobshorn, herrscht in diesen Tagen fieberhafte Betriebsamkeit: Kameras werden in Position gebracht, Gesichter ein letztes Mal gepudert, Anweisungen ins Ohr geflüstert – das kann nur eines bedeuten, eine neue Staffel von:
«ICH BIN EIN BUNDESRAT – HOLT MICH HIER RAUS!» ist angelaufen!
Anstatt lebende Insekten zu verspeisen oder den Körper in giftigem Spinnen-Sekret zu wälzen und anschliessend am Lagerfeuer über präpubertäre Masturbationsfantasien zu plaudern, müssen sich die Kandidaten bei «ICH BIN EIN BUNDESRAT – HOLT MICH HIER RAUS!» viel VIEL härteren Herausforderungen stellen, zum Beispiel:
Eine zu steife Krawatte beim bilateralen Gespräch mit dem dänischen Hyggeminister kann für die Kandidaten schon fast das sichere Aus bedeuten, ebenso die Erwähnung des Worts «Menschenrechte» in der Gegenwart von chinesischen Regierungsvertretern. Und wer sich am Abend das eine Glas Chasselas zu viel gegönnt hat, der wird am nächsten Tag von der gnadenlosen Journalistenmeute KURZERHAND INS VBS GESCHRIEBEN!
Es gibt also wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren für die Teilnehmer der jüngsten Ausgabe von «ICH BIN EIN BUNDESRAT – HOLT MICH HIER RAUS!»
Ach Ueli, es hatte so gut angefangen ....
«The Dawg» Maurer hatte am Dienstag die erste Aufgabe im Alpencamp zu bestehen: die traditionelle Eröffnungsrede. Kein leichtes Unterfangen, aber eine machbare Challenge, erst recht für einen so erfahrenen Alpencamp-Teilnehmer wie Ueli Maurer (für ihn ist es eine rekordverdächtige 9. Teilnahme!).
Zu Beginn schlug sich Maurer an der Seite von Moderator Klaus «MC» Schwab ganz gut, die Ansprache brachte der höchste Schweizer Säckelmeister mehr als zufriedenstellend über die Bühne. Mit seiner dreisprachigen Rede punktete er vor allem ennet des Röstigrabens und bei Freizeitphilologen, und die vieldeutige Botschaft seiner Rede («have fun and pleasure») gemahnte gar an den legendären «IbeBhmhr» (die Space Ship-Edition)-Auftritt von Adolf Ogi.
Chapeau, das gab sieben goldene «Magistrats-Szepter» für Maurer, die Höchstzahl!
Dann aber, bei der nächsten Challenge, lief der überrumpelte Zürcher den Hatern voll ins Messer:
Was war passiert?
Das: Mit unverhohlenem Buchhalter-Stolz verkündete Maurer nach einem Treffen mit dem saudischen Aussenminister Folgendes in die Kameras der nach Fehltritten geifernden Agenturjournalisten: Der Fall Khashoggi sei «schon lange abgehandelt».
Zack, da brachte sich Maurer doch glatt um seine Siegeschancen. Und er setzte noch einen drauf: «Wegen diesem Fall kann man Saudi-Arabien jetzt nicht einfach auf Jahre hinaus diskriminieren.» Die Angelegenheit sei «bereinigt». Puh, das war starker Tobak. Selbst für einen so abgebrühten Haudegen wie Maurer.
Denn: Jamal Khashoggi, wir erinnern uns, war der regimekritische Journalist, der die saudische Botschaft in Ankara mit einem Begehren um Heiratspapiere betrat, und sie als Kofferinhalt wieder verliess. Saudi-Arabien hatte in der Folge die grösste diplomatische Krise der jüngeren Geschichte zu bewältigen, Berlin kappte zugesagte Waffendeals, Khashoggi erhielt Märtyrerstatus, der lupenreine Demokrat Erdogan (!) konnte sich als lupenreiner Demokrat inszenieren und nur viel viel Lippenbekenntnis verhinderte, dass Saudi-Arabien von der versammelten Weltgemeinschaft nicht so richtig gerügt wurde.
Maurer unbeabsichtigte Geschmacklosigkeit vorzuwerfen oder gar diplomatisches Kalkül, geht natürlich gar nicht. Ebensowenig gehört es sich, einen bekennenden Homosexuellen-Hasser wie den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zu «diskriminieren» und zum «Bösewicht zu machen» – das haben wir übrigens von niemand Geringerem als Ueli Maurer gelernt.
Im Übrigen hatte Maurer auch eine Entschuldigung für seine lausige Performance: Der SVP-Bundesrat war vermutlich ein wenig aufgeregt, wahrscheinlich auch ein wenig müde, vielleicht wurde er von den Saudis gar mit einer Knochensäge bedroht, wir wissen es nicht, im Alpencamp ist alles möglich.
Auf jeden Fall hat er sich mit seinem forschen Auftritt ins Abseits manövriert – Gerüchte deuten auf einen undankbaren letzten Platz im Bundesrats-Superpuma hinten links hin – die Höchststrafe für einen «IbeBhmhr»-Kandidaten.
Weiteren unbestätigten Gerüchten zufolge konnte man Maurer später am Abend im Arctic Basecamp hinter einem Schneemann leise die magischen Worte winseln hören:
«Ich bin ein Bundesrat – holt mich hier raus ...»
Die Moderatoren hatten Erbarmen und gewährten Maurer eine kurze Verschnaufpause im nachbarschaftlichen Ländle, wo er dem Vernehmen nach ausgelassen die 300-Jahr-Feierlichkeiten des Zwergstaates feierte.
Es ist wichtig, dass Maurer bald wieder zu Kräften kommt, denn es stehen WEITERE Challenges an für Maurer!
Weitere Challenges für Maurer:
Als Nächster war Alain Berset am Zug. Als Minister des Innern eher für leise Introspektionen zuständig, konnte er dem Drang nicht widerstehen, auch mal wieder auf der grossen Weltbühne symbolisch zu poltern – was seine Chancen auf ein Weiterkommen natürlich erheblich schmälerte. Sacrebleu!
Dabei liess sich seine Aufgabe vermeintlich einfach an: Berset sollte bloss einer Rede des brasilianischen Präsidenten Jair «Messias» Bolsonaro lauschen, der es sich wiederum zur Aufgabe gemacht hatte, trumpsche Gepflogenheiten in Lateinamerika populär zu machen, und dabei diplomatisches Wohlwollen an den Tag legen. Keine übermässig schwierige Challenge, könnte man denken ...
Aber weil Denken im Alpencamp hinter dem Reden und dem Zuprosten nur untergeordnete Bedeutung geniesst, vermasselte Berset die Challenge natürlich gründlich!
Noch während ein sympathischer uniformierter Begleiter Bolsonaro Spickzettel reichte, verliess Berset fluchtartig den Saal. Grosses Rätselraten in der Folge: War es eine symbolischer Mittelfingergeste Bersets, waren es die Morcheln vom Buffet oder ....
... war es vielleicht ein performativer Hilferuf, nämlich:
«ICH BIN EIN BUNDESRAT, HOLT MICH HIER RAUS!»
Wie sich später jedoch herausstellte, hatte Berset den Saal gar nicht frühzeitig verlassen. Der entsprechende Radio-Beitrag entpuppte sich als Fake News. Doch der Schaden war da bereits angerichtet, Bersets Chancen auf den Final sind nur noch verschwindend klein.
Weitere Challenges für Berset:
Aussenminister Ignazio Cassis, der in den früheren Staffeln von «ICH BIN EIN BUNDESRAT, HOLT MICH HIER RAUS!» jeweils als erster die Reissleine gezogen hat (wir erinnern uns an die «Rahmenabkommen»-Staffel, die «Nahostkonflikt»-Staffel und den jüngsten Eklat bei der «Rohstoff-Multi»-Staffel), meisterte die Prüfungen am ersten Tag mit Bravour. Seine Aufgabe bestand in erster Linie aus bilateralen Treffen und Stehhäppchen, ihm gebührte aber auch die Ehre, das geheimnisvolle «House of Switzerland» einzuweihen, das im Gegensatz zu früheren Episoden offenbar nicht mit Kameras in Duschkabinen und Toiletten ausgestattet ist.
Weitere WEF-Challenges für Cassis:
Auch Guy «PewPew» Parmelin, bei den Buchmachern Geheimfavorit auf einen frühen Fauxpaus, umschiffte bislang gekonnt alle Fettnäpfchen. Die Treffen mit den Finanzministern von Ägypten und Südafrika gingen dem Vernehmen nach reibungslos über die Bühne.
Aber auch Parmelin hat WEITERE CHALLENGES zu bestreiten!
Für Viola Amherd war es das erste Alpencamp. Die Newcomerin kriegte deshalb von den Veranstaltern eine vergleichsweise dankbare Aufgabe zugewiesen: Sie musste auf Tuchfühlung gehen mit den tapferen Wehrkräften, die seit der Absage Donald Trumps mutmasslich an Motivationsproblemen leiden. Anschliessend folgte als Highlight der Besuch einer Fliegerabwehrstellung.
Was für ein Tag für Amherd!
Was positiv auffiel: Amherd zeigte sich unbeeindruckt von bewaffneten Fans in Camouflage, und liess sich gar zu einem Selfie hinreissen. Das brachte Amherd fünf «Volksnähe»-Fähnchen aufs Konto. Gratulation, das nennen wir einen gelungenen Einstand!
Beim betrachten dieses bildes fallen mir zwei dinge auf.
Unsere vier bundesräte hätten auch super in goodfellas oder the sopranos gepasst.
Aber w.t.f ist das für eine frisur bei der frau hinter "pewpew"? Hatte sie einen stromschlag beim föhnen oder einfach den selben frisur wie don king🤣