«Ein Secondo, der in die Sek B ging, hat es mit fünf Stutz geschafft, Tausende von Leuten einen absoluten Quatsch-Artikel unterzujubeln», erzählt «Sputim» auf dem gleichnamigen Kanal in einem seiner YouTube-Videos. Was danach folgt, ist eine Abrechnung – und die akribische Erzählung seines Vorgehens.
Sputim heisst eigentlich Sasha, ist 33 Jahre alt, in Winterthur aufgewachsen und auf YouTube kein unbeschriebenes Blatt. In den 00er Jahren verzückte der Secondo die Video-Community mit Spongebobparodien.
Das jüngste Video ist alles andere als eine Parodie. Es ist ein Einblick in die reibungslos funktionierende Maschinerie der Fake-News-Verbreitung. Was Sasha dazu motivierte?
«Alle kennen jemanden im Freundeskreis, der einmal eine Verschwörungstheorie teilte. Das war lange alles sehr harmlos und hat niemandem geschadet. Seit der Pandemie ist das aber anders», so der 33-jährige gegenüber watson. Er wollte sich einfach einmal anschauen, was in den Corona- und Massnahmen-kritischen Telegram-Chats alles so diskutiert werde. «Ich habe wirklich versucht, ohne Vorurteile den Chats beizutreten.»
Schnell habe er aber festgestellt, dass einfach wahllos verbreitet werde, was dem eigenen Narrativ entspreche. In seinem YouTube-Rant erzählt er ein Beispiel:
Der Administratorin einer Schweizer Telegram-Gruppe mit rund 31'000 Mitglieder, die laut eigenen Angaben über «erlebte Impfnebenwirkungen- und Schäden» berichtet, schickt Sasha eine erfundene Geschichte eines «engen Kindheitsfreundes» über den «Sputim-Krankheitsverlauf».
Kurze Zeit später stellt die Administratorin Sashas Nachricht in den Telegram-Kanal– ohne Nachfrage, ohne Überprüfung von irgendwelchen Quellen. «Das war der Startschuss. Danach wollte ich sehen, wie weit ich wirklich gehen kann», erinnert sich Sasha.
Kurzerhand entschliesst er sich dazu, eine eigene Wordpress-Seite zu gestalten. Sasha arbeitet als Freelancer im Online-Marketing. Das Erstellen einer Webseite inklusive Logo? Für ihn eine Sache von drei, vier Stunden. Auf «lichtmacher.info» ergänzt er seinen zuvor schon erfundenen «Sputim-Krankheitsverlauf» mit weiteren Abstrusitäten. Gestalten wie Dr. Tenpenny und Dr. Kenshiro schildern, wie Körperteile von Kindern nach der Impfung explodieren. Das Ganze reichert er mit «Quellenangaben» an, die auf andere Impfskeptikerseiten verweisen.
Dazu kommen einige von QAnon-Seiten kopierte und maschinell ins Deutsch übersetzte Artikel mit wilden Behauptungen zu Corona und Impfungen. Fertig ist die Sashas «Newsseite».
Was danach passierte, damit hat selbst Sasha nicht gerechnet. «Ich dachte, vielleicht wird der Sputim-Artikel von einer Hausfrau in irgendeiner Facebookgruppe gepostet.»
Stattdessen explodieren die Zugriffe auf «Lichtmacher.info». Die Warnung vor «irreparablen Schäden an Kindern, welchen mRNA-Impfstoffe injiziert wurde» verbreitet sich bei Telegram wie ein Lauffeuer. In einigen Chats kommt die Warnung auf bis zu 200'000 Views. «Teilweise war meine Seite gar nicht mehr erreichbar, weil so viele auf den «Lichtmacher.info»-Link klickten», schildert Sasha.
Einige Tage später holt Sasha die Sputim-Geschichte vom Netz. Ebenso alle anderen kruden Geschichten über Big Pharma, mRNA-Impfungen und Bill Gates. Jetzt steht da nur noch:
Das war vor etwas mehr als einem Monat. Welches Fazit Sasha zieht? «Das Einzige, was ich machen konnte, war diese Leute mit ihren eigenen Waffen zu schlagen», sagt er heute. «Eigentlich habe ich mir mit dieser Wordpress-Sache noch zu viel Mühe gemacht.»
Ein politisches Statement wolle er damit nicht setzen. Aber erschüttert sei er schon. Mit den Mitgliedern dieser Chats zu diskutieren sei eine «verlorene Schlacht». «Fakten und Logik haben für sie keine Bedeutung mehr.»
Einige Statistiken über die Schwurbler, die ende August meine fake Querdenker-News Seite "Lichtmacher" besucht haben. #covidioten
— sputim (@sputim) September 24, 2021
Wie Lichtmacher zustande gekommen ist, ist in meinem Video zu sehen: https://t.co/U5yxEmT7Sb
Noch etwas mehr in meiner Antwort auf diesen Tweet. pic.twitter.com/FMlxjnNBVn
Er habe einige Anfeindungen und Todesdrohungen auf sein YouTube-Video erhalten. Wirklich kümmern tut ihn das nicht. Vor einer Woche stellte er bereits das nächste Video ins Netz. Eine Abrechnung mit der Corona-Massnahmen kritischen Bewegung «Mass-Voll».
Die Frage ob die Schwurbler was daraus lernen bleibt wohl trotzdem unbeantwortet