Die Zürcher FDP-Politikerin Vreni Spoerry ist am 29. Mai im Alter von 87 Jahren gestorben. Die «eiserne Lady» des Zürcher Wirtschaftsfreisinns war während 20 Jahren als National- und Ständerätin in der eidgenössischen Finanzpolitik äusserst einflussreich.
Der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger bestätigte namens der kantonalen FDP ihren Tod und damit einen Bericht der Tamedia-Zeitungen vom Montagabend. «Wir trauern um eine grosse liberale Frau, die für die Schweiz viel geleistet hat», sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Spoerry sei nahe bei den Menschen gewesen ohne abzuheben, erklärte der Präsident der FDP des Kantons Zürich weiter.
Die FDP Schweiz nahm mit grosser Trauer Abschied von «einer engagierten Politikerin und geschätztem Mitglied der FDP», wie sie auf X mitteilte. Parteipräsident Thierry Burkart schrieb dort, die Schweiz habe Spoerry viel zu verdanken.
Die am 8. März 1938 geborene Juristin stieg relativ spät in diePolitik ein, machte danach aber eine Bilderbuchkarriere. PolitischeÄmter hatte sie nur übernommen, wenn sich diese mit ihrer Aufgabeals Hausfrau und Mutter von drei Kindern vereinbaren liessen.
Die FDP-Politikerin startete ihre politische Laufbahn 1978 mit 40 Jahren als Gemeinderätin in Horgen ZH. Ein Jahr später wurde sie ins Kantonsparlament gewählt, das sie 1983 nach ihrer Wahl in denNationalrat wieder verliess.
Spoerry profilierte sich als Finanz- und Wirtschaftspolitikerin. Als stramme Verfechterin der liberalen Marktwirtschaft hing ihr bald das Etikett einer «eisernen Lady» an - in Anlehnung an die damalige Premierministerin Grossbritanniens, Margaret Thatcher.
Die Vertreterin des Zürcher Freisinns war die erste Frau in Verwaltungsräten von grossen Schweizer Unternehmen. 1986 wurdeSpoerry Verwaltungsrätin bei der damaligen Kreditanstalt (später Credit Suisse), zwei Jahre später nahm sie Einsitz im Verwaltungsrat der Swissair.
Gemessen am Kapital, das sie mit ihren Verwaltungsratsmandatenrepräsentierte, war Spoerry während Jahren das Parlamentsmitgliedmit der grössten Wirtschaftsmacht. Gleichzeitig entwickelte sie sich in Bundesbern zu einer heimlichen Bundesratskandidatin.
1995, nach dem Rücktritt von SP-Bundesrat Otto Stich, wollten Teile der FDP die Zauberformel sprengen und Spoerry in die Landesregierung boxen. Das Vorhaben scheiterte aber deutlich.
Im selben Jahr liess sich Spoerry vom National- in den Ständeratwählen. In der Kleinen Kammer vertrat sie den Kanton Zürich bis im Herbst 2003. Danach zog sie sich aus der Politik zurück.
Schon ab Mitte der 1990er-Jahre sank der Stern der Politikerinlangsam. Nach den Rücktritten von FDP-Grössen wie Ulrich Bremi,Richard Reich oder Peter Spälty war Spoerry die letzte Vertreterinder einst einflussreichen «Fraktion Bahnhofstrasse».
Besonders einsam wurde es um Spoerry im Zusammenhang mit demGrounding der Swissair im Oktober 2001. Als Verwaltungsrätin derSAirGroup geriet auch sie in die Kritik. Ihr wurde vorgeworfen,Exponentin der «Filzpartei FDP» zu sein. In der Öffentlichkeit wurde auch die FDP für das Swissair-Debakel verantwortlich gemacht.
Das Ende der SAirGroup war ein Grund, weshalb die FDP in der Folge eine Wahlschlappe nach der anderen einstecken musste. Insofern war Spoerrys Rückzug aus Politik und Wirtschaft auch ein Symbol des Niedergangs des einst so stolzen Zürcher Freisinns. (hkl/sda)