«Nicht glaubwürdig»: Umwelt-Studie belastet Migros und Coop
«Die Coop-Gruppe übernimmt Verantwortung in ihren Lieferketten», schrieb der Konzern 2021 in einem Strategie-Papier.
«Nachhaltigkeit ist ein Kernstück der Firmenkultur», schrieb die Migros 2023, ebenfalls in einem Strategie-Papier zu umweltfreundlicheren Lieferketten.
Diese Vorsätze bezweifelt Greenpeace. «Die Nachhaltigkeitsversprechen sind nicht glaubwürdig», hält die Umweltorganisation fest. Anstoss für die Kritik bietet eine Studie, die Greenpeace in Auftrag gegeben und nun veröffentlicht hat. Sie kommt zum Schluss, dass beide Supermärkte nach wie vor Rindfleisch aus Brasilien verkaufen. Obwohl kein anderer Wirtschaftszweig den Regenwald so stark dezimiert wie die brasilianische Rinderzucht.
Berüchtigte brasilianische Zulieferer
Das kratzt an der Glaubwürdigkeit der Detailhändler. Diese beteuern, auch bei Rindfleisch Wert auf nachhaltige Lieferketten zu legen. Beispielsweise die Migros: «Importe aus Brasilien sind aufgrund verschiedener Risiken seit 2020 ausgeschlossen», schrieb sie im erwähnten Strategie-Papier. Zudem versicherte die Migros 2022 sowohl der «Bauernzeitung» wie «20 Minuten», dass sie kein Rindfleisch aus Brasilien mehr beziehe.
Dem widerspricht die Greenpeace-Studie. Sie untersuchte bei der Migros die Herkunft verschiedener Fleischprodukte. Zum Beispiel von Beef Jerky der Marke Jack Link's. Im Online-Shop der Migros und auf den Verpackungen steht zur Herkunft des Rindfleisches: «Brazil». Auch Trockenfleisch von M-Budget stammt teilweise aus Brasilien.
Coop kommt in der Studie nicht besser weg. Hier wurde unter anderem die Herkunft von Corned Beef der Marke Bonfine untersucht. Noch 2022 nahm Coop das Dosenfleisch gegenüber der «Bauernzeitung» in Schutz: «Der Hersteller garantiert für die verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung».
Die Greenpeace-Studie behauptet das Gegenteil: Das Dosenfleisch stamme von JBS. Der grösste brasilianische Exporteur und Schlachter ist berüchtigt für seine Zulieferer. Die Menschenrechtsorganisation Global Witness schrieb im August, dass allein für Rinderfarmen von JBS täglich eine Fussballfeld-grosse Fläche Regenwald gerodet werde. Das kritisiert auch die Studie von Greenpeace, die hierfür Satelliten-Bilder von der Farm eines JBS-Lieferanten auswertete.
Nichtwissen oder Nichtwissen-Wollen?
Stimmt die Studie, wirft das Fragen auf. Wieso verbürgte sich Coop für die «verantwortungsvolle Beschaffung» des Dosenfleischs? Kennt der Detailhändler seine Zulieferer überhaupt? Anders gefragt: Sind Coop und Migros blind? Oder drücken sie beide Augen zu?
«Der Hersteller war uns bekannt», schreibt Coop auf Anfrage. Das Unternehmen versichert, sich für entwaldungsfreie Lieferketten einzusetzen. Das wisse auch der Hersteller des Dosenfleischs. Dieser soll vertraglich verpflichtet sein, Coops «Richtlinie für nachhaltige Beschaffung» zu befolgen. «Wir haben umgehend Kontakt aufgenommen.» Sollten sich die Vorwürfe von Greenpeace bestätigen, verspricht der Detailhändler, «Massnahmen umzusetzen». «Die Vorwürfe nehmen wir sehr ernst.»
Anders klingt es bei der Migros: «Das Fleisch stammt aus Regionen in Brasilien, die nicht von der Entwaldung betroffen sind.» Sie beziehe nur Rind aus Gegenden, die 500 Kilometer südlich der «zu schützenden Amazonasregion» liegen. Die Migros erklärt jedoch nicht, weshalb sie überhaupt noch Rindfleisch aus Brasilien importiert. Zumal sie mehrmals vorgab, das nicht mehr zu tun.
Das Problem trüber Quellen
«Die Herkunft von Fleisch bis zur Farm zurückzuverfolgen ist schwierig», sagt Lieferkettenexpertin Barbara Dubach. Mit ihrer Denkfabrik Engageability berät sie Unternehmen, wie sie nachhaltiger werden können. «Bei Importfleisch aus Übersee sind die Lieferketten oft undurchsichtig.»
Laut Dubach haben Schweizer Unternehmen dennoch Möglichkeiten. Als Beispiel nennt sie Netzwerke, denen Unternehmen beitreten können. Die Netzwerke setzen sich für durchsichtigere und nachhaltigere Lieferketten einzelner Rohstoffe ein. Beispielsweise für Kaffee und Palmöl. Die Netzwerke für Soja und Kakao umfassen Detailhändler wie Migros und Coop sowie Umweltorganisationen wie WWF und die Rainforest Alliance. «Auch für Import-Fleisch könnte so ein Netzwerk interessant sein», sagt Dubach.
Ob Fleischimporte aus Übersee in Schweizer Supermärkten Zukunft haben, ist angesichts regelmässiger Negativ-Schlagzeilen fragwürdig. Undurchsichtige Lieferketten bergen grosse Reputationsrisiken für die Unternehmen. Trübe Quellen können den Ruf beflecken.
