Bundesrat Alain Berset ist Hobbypilot. 2009 erwarb der SP-Politiker eine Pilotenlizenz, in seiner Freizeit mietet er sich immer wieder mal kleine einmotorige Sportflugzeuge. So auch am vergangenen Dienstag, dem 5. Juli.
Die Sonne schien, das Thermometer im französischen Burgund zeigte rund 27 Grad an, es war perfektes Flugwetter. Berset mietete sich die Cessna 182 HB-TDR und hob ab. Allein. Von einem Sportflugplatz zum nächsten. So zumindest der Plan.
Die französische Luftpolizei hatte aber andere Pläne für den Bundesrat: Nach einer Luftverkehrskontrolle kam es zu einer Fehlinterpretation seitens Bersets, was zu einem Luftpolizeieinsatz der französischen Armée de l’Air führte.
Zwei Rafale-Kampfjets werden losgeschickt, um Berset zurück auf den Boden zu holen. Nach einer Identitätskontrolle am Boden sowie einem Austausch über den Sachverhalt konnte der Bundesrat seinen Flug mit dem von ihm gemieteten Flugzeug wieder aufnehmen.
Dass die Öffentlichkeit dies überhaupt weiss, ist verschiedenen Medien zu verdanken, die Wind von der Sache bekamen und beim Eidgenössische Departement des Innern (EDI) um eine Bestätigung gebeten hatten.
Die oben genannten Schilderungen zeigen die offizielle Variante, wie sich die Geschehnisse zugetragen haben sollen. Denn das EDI sah sich gezwungen, eine Stellungnahme zu veröffentlichen, nachdem die NZZ ein anderes Bild der Lage gezeichnet hatte.
Dem zufolge löste Berset gleich zwei Interventionen der Police du Ciel aus. Berset soll auch direkt vom Flugplatz Fribourg-Ecuvillens gestartet sein, nicht erst in Frankreich. Auf einen ersten Einsatz der Luftpolizei habe Berset «ungewöhnlich reagiert». Im Rahmen eines zweiten Einsatzes wurde er dann von der französischen Luftwaffe zur Landung gezwungen.
«Etwas am Flug des Schweizer Kleinflugzeugs muss die französischen Flugverkehrsleiter gewaltig irritiert haben. Sonst hätten sie nicht die Kollegen der Luftwaffe informiert», schrieb die NZZ.
Der Einsatz der Luftpolizei mit Kampfjets stelle eine hohe Eskalationsstufe dar. Normalerweise würden verirrte Sportflugzeuge per Funk dazu aufgefordert, sich auf die erlaubte Route zurückzubegeben. Ein Einsatz mit Kampfjets erfolge nicht, wenn der Pilot den Anweisungen Folge leiste. Es müsse also ein «gröberes und möglicherweise längeres Fehlverhalten eines Piloten vorliegen», schreibt der «Tages-Anzeiger».
Gemäss der NZZ bestand Bersets Fehlverhalten darin, der Luftwaffenbasis Avord zu nahe gekommen zu sein. Dort stehen Teile eines französischen Luftraumüberwachungs- und Frühwarnsystems. Die fliegende Kommandozentrale stehe wegen des Kriegs in der Ukraine oft im Einsatz.
Die Zeitung belegt ihre Behauptungen mit Flugdaten von «Flightradar24», die Bersets Cessna 182 HB-TDR rund zehn Kilometer südlich der Luftwaffenbasis registrierte. Eine Kontrollzone, die nur mit der Erlaubnis eines Fluglotsen durchflogen werden darf. Dies dürfte zum Einsatz der Kampfjets geführt haben.
Der Fall sei anschliessend nach Paris gemeldet worden. Weil es sich bei Bundesrat Berset um ein Mitglied der Schweizer Landesregierung handle, sei auch der französische Präsident Emmanuel Macron informiert worden.
In Frankreich gebe es rund 200 Luftpolizeieinsätze pro Jahr. «Es ist das erste Mal, dass es ein Regierungsmitglied betrifft», sagt Loïc Tatard, Infochef der französischen Luftwaffe, zu «20min». In der Schweiz kam es 2020 zu fünfzehn sogenannter Hot Missions. 2021 sogar nur zu drei.
Gegenüber der NZZ sagte der Mediensprecher Bersets, dass kein Verfahren eröffnet wurde und es sich um eine Privatangelegenheit handle. Ob es noch zu einer Untersuchung kommen wird, ist unklar.
Die NZZ selbst hält die Sache nicht für eine «affaire privée». Die französischen Streitkräfte befänden sich derzeit im Echteinsatz und schützten die Nato-Ostflanke gegen russische Übergriffe. Für sie ist deswegen klar, dass es sich um eine «affaire publique» handle: «Allen Beteiligten müsste eigentlich schon aus sicherheitspolitischen Überlegungen an einer transparenten Klärung des Vorfalls gelegen sein. Ein Mitglied der Schweizer Landesregierung hat in einem Nachbarland einen Einsatz der Luftwaffe ausgelöst.»
Aviatik-Exerperte Sepp Moser schätzt den Fall hingegen als «nicht so dramatisch» ein. Gegenüber dem «Blick» sagte er: «Für einen Piloten ist ein solcher Vorfall peinlich. Wenn er Mitglied in einem Flugclub ist, wird er wohl noch ein paar Mal damit aufgezogen und muss bestimmt eine Runde zahlen.»
Berset macht als Bundesrat einen guten Job, aber die affaires privées häufen sich bei ihm in letzter Zeit etwas zu sehr für meinen Geschmack.