Schweiz
Geheimdienste

Staatsrechtler: «Spionage-Firma in Bülach muss unter die Lupe genommen werden»

Bild
bild: chris iseli

Staatsrechtler: «Spionage-Firma in Bülach muss unter die Lupe genommen werden»

Eine Firma in Bülach hört Gespräche ab und bildet ausländische Spione aus. Staatsrechtsexperte Rainer J. Schweizer hält die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Nachrichtendienst für bedenklich.
12.03.2015, 08:4512.03.2015, 09:04
remo hess /aargauer zeitung
Mehr «Schweiz»
Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Die Firma Wavecom hört von der Schweiz aus mutmasslich Gespräche mit und bildet ausländische Spione aus. Ist das legal, wie die Bundesanwaltschaft (BA) sagt? 
 Rainer J. Schweizer: Das ist schwer zu sagen. Die Firma bewegt sich sicher in einem Graubereich. Es sind verschiedene strafbare Taten denkbar, wie z. B. verbotenes Handeln für einen fremden Staat. Es stellt sich zudem die Frage, inwiefern sich der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als Förderer solcher Tätigkeiten einbringen will. Wollen wir, dass auf unserem Land durch Privatfirmen ausländische Spione ausgebildet und klassifizierter Funk abgehört wird? 

Der NDB ist über das Zentrum elektronische Operationen Zimmerwald Kunde von Wavecom. Seine Informationen dienten der BA als Grundlage für ihre Einschätzung. Doch ist der NDB nicht befangen?
Wenn der NDB eine für ihn wichtige Geschäftsbeziehung z.B. im Unterhalt der Funkaufklärung mit der Firma unterhält, würde ich sagen ja. 

Rainer J. Schweizer ist emeritierter Staatsrechtsprofessor der Universität St.Gallen. 
Rainer J. Schweizer ist emeritierter Staatsrechtsprofessor der Universität St.Gallen. Bild: KEYSTONE

Hat die Bundesanwaltschaft versagt? 
Für Aussenstehende ist dies schwer zu beurteilen. Es ist denkbar, dass es eine Weisung von oben gab, der Sache nicht weiter nachzugehen, da die Firma für den NDB wesentliche Dienste ausführt. Auf jeden Fall müsse die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments und die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) diese Geschichte unter die Lupe nehmen. 

Hätte das Bakom, das für das Fernmeldegeheimnis zuständig ist, eingreifen müssen?
Zumindest hätte es Aufklärung über die Vorgänge verlangen müssen. Das Betreiben einer klassifizierten Abhöranlage fällt im Rahmen des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs in den Kernbereich des Bakoms. 

Ist die Zusammenarbeit des NDB mit Privatfirmen, die Kunden aus aller Welt bedienen, nicht ein Sicherheitsrisiko für Schweiz?
Auf jeden Fall. Dritte können dank der Technologie dieser Firma Informationen über die Tätigkeit des NDB erhalten. Auch Staaten oder Organisationen, von denen wir das keineswegs wünschen. Das ist ein erhebliches Risiko. 

Nächste Woche sollen mit der Revision des Nachrichtendienstgesetzes die Kompetenzen des NDB ausgeweitet werden. Telefone abhören, Wanzen in Privaträumen, Internet-Überwachung etc. Ist das angebracht?
Ganz klar nein. Es wird eine Art «Geheimpolizei» entstehen, welche abgesondert von ordentlichen Strafverfolgungsbehörden in ihrer Parallelwelt lebt. Dass der NDB seine eigene Agenda verfolgt, zeigt sich für mich bei dieser Affäre exemplarisch. Fehlende Koordination führt zu Kompetenzrangeleien und schliesslich zu weniger Sicherheit für die Schweiz. Das sieht man beispielsweise bei der NSU-Affäre in Deutschland, wo die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und den anderen Behörden völlig scheiterte. 

Geheimdienste
AbonnierenAbonnieren

Wie könnten Strafverfolgungsbehörden und NDB besser koordiniert werden?
Man müsste ins Gesetz schreiben, dass der NDB regelmässig die verschiedenen Staatsanwaltschaften von Bund und Kantonen über seine geheimen Informationszugriffe im In- und Ausland informieren muss. Auch muss die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament wesentlich verbessert werden. Nicht zuletzt auch zum Schutz der Bevölkerung vor ungerechtfertigter Überwachung. 

Macht sich die Schweiz mit der Tolerierung der Aktivität von Wavecom (u.a. Abhören von Nato-Funk) strafbar gegenüber anderen Staaten?
Es ist unter Umständen möglich, dass völkerrechtliche Verpflichtungen verletzt werden. Ich denke da etwa an das Partnership-for-Peace-Abkommen. 

Jetzt auf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Koch packt aus: «Keiner meiner Freunde aus der Berufsschule arbeitet noch auf dem Beruf»

Der Stress begann bereits in meiner ersten Arbeitswoche: Ich musste während sechs Tagen 60 Stunden arbeiten. Damals war ich 15 Jahre alt. Aber ich muss sagen, irgendwie fand ich es cool. Es war alles so aufregend – eine neue, absurde Welt. Obwohl ich so viel arbeiten musste, machte es mich glücklich. Zunächst.

Zur Story