Die Preise steigen wieder lediglich in jenem Ausmass, welches die Schweizerische Nationalbank mit «Preisstabilität» gleichsetzt. Zuletzt gab es sogar ein halbes Jahr, in welchem das durchschnittliche Preisniveau gar nicht mehr anstieg, der hiesigen Notenbank die Inflation zu schwach war und sie ihren Leitzins auf bloss noch 0,5 Prozent herabsetzte.
Der Inflationssturm ist ausgestanden, doch wie fällt die Schadensbilanz aus? Wie viel teurer wurde alles? Warum gingen die Preise von Benzin und Strom besonders stark in die Höhe? Oder auch Mieten, Hypotheken, Flüge oder Nahrungsmittel? Und wie werden sich diese Preise weiter entwickeln?
Viele Antworten finden sich im Landesindex der Konsumentenpreise. Dieser wird vom Bundesamt für Statistik erstellt, das regelmässig die Preise aller Waren und Dienstleistungen sammelt, welche ein typischer Haushalt verkonsumiert.
Der letzte Stand dieses Landesindexes ist vom November 2024 und liegt um 5 Prozent höher als im November 2021. Dazwischen liegen die drei Jahre 2022, 2023 und 2024, in denen die Inflation erst wütete und dann schnell wieder verschwand. Während des Inflationssturms wurde also alles um durchschnittlich 5 Prozent teurer.
Nicht viel zu mäkeln gibt es am Erdölpreis. Das schwarze Gold kostet global wieder so viel vor der Inflationswelle. Die wohl wichtigste Erklärung dafür findet sich in China. Im Riesenland kriselt die Bauwirtschaft und boomt die Zahl der Elektroautos auf den Strassen. Beides reduziert den Ölbedarf.
Diese globalen Trends spiegeln sich in der Schweiz in den Preisen einiger erdölbasierter Energieträger wider – sie sind wieder so teuer wie früher. Dies gilt für Heizöl oder Benzin. Deren Preise sind vielleicht langsamer gefallen als gestiegen, aber sie sind jetzt wieder auf dem alten Niveau.
Für Strom gilt dies nicht. Er kostet noch immer um gut 50 Prozent mehr. 2025 wird es nur wenig besser, die Preise kommen landesweit ein Stück weiter herunter – vom aktuellen Niveau aus um 10 Prozent, wie die Stromaufsichtsbehörde Elcom sagt. Demnach muss die Schweiz noch ein weiteres Jahr mit teurem Strom leben. Teurer bleibt auch das Gas, und zwar um 60 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Wer also mit Gas heizt oder kocht, zahlt noch immer einiges mehr.
Warum sind Strom und Gas so teuer? Die Antwort hat mit der noch nicht ganz überwundenen Energiekrise in Europa zu tun und mit der Übertragung der europäischen Preise auf die hiesigen Steckdosen und Stromrechnungen. Die Energiekrise war ausgebrochen, als Putin einen militärischen Krieg gegen die Ukraine und einen wirtschaftlichen Krieg gegen die EU begann. Grosse Teile ihrer Öl- und Gasversorgung waren plötzlich infrage gestellt und brachen später tatsächlich weg – weil Putin Europa boykottierte oder Europa Putin.
Im europäischen Handel von Strom und Gas stiegen die Preise massiv an. Putin liess schon Videos anfertigen, um angeblich bitter frierende Europäer zu verhöhnen. Doch die EU reagierte und holte sich Ersatz. Das Schlimmste war bald überstanden, aber nicht alles.
Das Gas bereitet nach wie vor Sorgen und deshalb auch der Strom, weil Gas in dessen Produktion wichtig ist, wie Javier Blas erklärt, Experte bei Bloomberg. Europa habe zwar vielleicht derzeit noch genug Gas vorrätig, aber dafür viel Wetterglück gebraucht. Die letzten beiden Winter waren nass, warm, windig. So blieben Windräder in Schwung, Solarpanels im Sonnenlicht, Stauseen und Heizöltanks gut gefüllt. Aber wehe, es bleibt mal zwei Wochen trocken und bewölkt wie im November. Dann leeren sich die Gasspeicher und steigen die Preise rasant.
Anlass zur Sorge bereitet zudem: Noch immer gelangt russisches Gas nach Europa, bloss weniger über Pipelines, mehr in flüssiger Form über Strassen und Wasserwege. Damit ist Europa zwar weniger, aber weiterhin abhängig von Putin, wie Blas festhält. Kappt er sein Gas, wird es für Europa eng.
Diese beiden Sorgen – Putin und das Wetter – halten den Gaspreis hoch und verhindern damit einen stärkeren Rückgang der europäischen und der Schweizer Strompreise. Dennoch wäre hierzulande ein grösserer Preisrückgang möglich gewesen. Dass dies nicht geschah, liegt laut der Elcom an den Mehrjahresverträgen, mit denen sich die Schweizer Versorger am europäischen Markt eindecken. Diese Verträge haben zwar die Schweiz vor den schlimmsten Auswirkungen der europäischen Energiekrise bewahrt. Jetzt haben sie jedoch verhindert, dass die Schweizer Strompreise schneller wieder sinken.
Die gute Nachricht ist aber: Die Strompreise sollten mit Verzögerung weiter fallen. Laut Elcom wird im europäischen Grosshandel für die nächsten Jahre von fallenden Preisen ausgegangen.
Hohe Strom- und Gaspreise haben dazu beigetragen, dass verschiedene Branchen ihre Endpreise anhoben. So war das in der Gastronomie, wo Restaurants heute durchschnittlich 6,6 Prozent mehr verlangen und Hotels um 11 Prozent. Oder im Verkauf von Nahrungsmitteln, wo durchschnittlich alles um 7 Prozent teurer ist.
Bei den Nahrungsmitteln spielten die im Welthandel gezahlten Preise für besonders wichtige Rohstoffe eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel schnellten die Getreidepreise zwischenzeitlich in die Höhe. Olivenöl kostete zeitweise fast das Dreifache, weil Hitzewellen und Dürren grosse Erntemengen vernichtet hatten. In der Schweiz kosten Brote heute auch deshalb 11 Prozent mehr, Teigwaren gar 17 Prozent. Die grössten prozentualen Preisschocker resultierten bei Margarine und Speisefetten (24 Prozent), bei Zucker (26 Prozent) und beim Olivenöl mit 37 Prozent.
2025 dürften Nahrungsmittel zwar insgesamt wieder langsamer teurer werden. Aber im Welthandel dürfte es erneut wichtige Rohstoffe mit starken Preiserhöhungen geben. Mit dem Klimawandel häufen sich Dürren und Hitzewellen und somit Ernteausfälle und Preisschübe. Wie die UNO in ihrem «Food Outlook» berichtet, sind solche oder ähnliche Ereignisse gerade bei Tee und Kaffee zu beobachten – und vor allem beim Kakao.
Über den Wolken war die Inflation zwar nicht so grenzenlos wie angeblich die Freiheit, aber doch beträchtlich. Laut dem Landesindex kostete Fliegen von Januar bis November 2024 beinahe 30 Prozent mehr als noch 2019, dem letzten Jahr vor der Covid-Krise.
Die Fluggesellschaft Swiss und der Schweizer Reiseverband verweisen auf die Kosten. Nahezu alles ist teurer geworden, was eine Airline so braucht, um die Kundschaft glücklich oder wenigstens nicht stinkig zu machen: Personal zum Beispiel, Flugsicherung oder Sicherheitskontrollen. Darum erwartet die Swiss für sich «weiterhin höhere Durchschnittspreise als vor der Pandemie». Langfristig würden Flugtickets wohl weiter so viel kosten wie zurzeit – oder noch mehr. Denn auf einen Luftverkehr mit weniger CO₂-Emissionen umzustellen, sei mit hohen Kosten verbunden.
Die Preisunterschiede hingegen seien gross, heisst es beim Schweizer Reiseverband. Auf europäischen Strecken kämpften Billigairlines mit Preisen ab 50 Euro um die Kundschaft. Auf interkontinentale Flügen hingegen gebe es wie vor Corona wenig Wettbewerb und gerade zur Hochsaison hohe Preise.
Auch die Wohnungsmieten wurden teurer. Hierfür liegt der Landesindex im November 2024 um 7,4 Prozent höher als im November 2021. Es ist ein grosser Teuerungsschub bei einem der grössten Ausgabenblöcke für Mieter. Verantwortlich dafür waren vor allem die Leitzinserhöhungen der Nationalbank. Dadurch stieg der mittlere Zins auf allen ausstehenden Hypotheken und in Folge auch zwei Mal der Referenzzinssatz für die bestehenden Mietverträge. Und damit wurden auch die Mieten erhöht. Auch das Bauen wurde teurer, es kamen weniger Wohnungen auf den Markt und Neumietende zahlten noch mehr.
Mit den Leitzinssenkungen kommt es nun zu einer kleinen Trendwende. Der Referenzzinssatz wird dieses Jahr sicher einmal und laut der Bank Raiffeisen vielleicht sogar zwei Mal fallen. Im Bau zeichnen sich eine Erholung und eine etwas geringere Knappheit ab. Gemäss Raiffeisen werden darum die Mietkosten bald weniger als halb so schnell steigen, als sie es aktuell tun. Es wird also schlimmer, aber weniger schnell als zuletzt.
Die Nationalbank ging schnell hoch mit ihrem Leitzins, dann schnell hinunter. Die Zinsen auf Hypotheken machten erst das Hoch munter mit, nun das Hinuntergehen. Laut der UBS kostet ein Grossteil der neu abgeschlossenen Geldmarkthypotheken heute bereits lediglich zwischen 1,1 und 1,6 Prozent. In einem Jahr seien es noch zwischen 0,8 und 1,3 Prozent.
Die Zinsen auf 10-jährige Festhypotheken sind innerhalb eines Jahres bereits um 0,8 Prozentpunkte gesunken. Weiter runter geht es laut UBS aber nicht. Die Mehrheit dieser Hypotheken habe aktuell einen Zins zwischen 1,1 und 1,6 Prozent. Das werde auch in einem Jahr noch so sein.
Hypotheken sind also günstiger geworden. Zugleich steigen jedoch die Immobilienpreise wieder stärker in noch schwindelerregendere Höhen. Tiefere Zinsen, aber steigende Preise – ein Eigenheim zu kaufen, wird unter diesen Bedingungen insgesamt nicht unbedingt billiger. Zumal selbst Ökonomen sich fragen, wer eigentlich zu diesen Preisen noch kaufen kann. Eine häufige Antwort: Erben.
Wäre der Referenzzinssatz verantwortlich, wären die Mieten viele Jahre lang gesunken und würden auch ab Frühling wieder sinken.
Es scheint, der Haupttreiber für die Mietzinssteigerungen ist anderswo zu finden…