Ein Mann tötete am Dienstagabend in Corcelles (NE) seine 47-jährige Frau und seine beiden Töchter. Damit zählt die Schweiz 22 Femizide im laufenden Jahr. Es sind jetzt schon mehr als 2024. Wobei die Zahl der Femizide seit Jahren konstant hoch bleibt: Es waren auch in den Jahren zuvor viele Fälle. Zu viele.
Dass sich häusliche Gewalt hauptsächlich gegen Frauen richtet, ist bekannt. In 89,9 Prozent der Tötungsdelikte innerhalb der Partnerschaft ist der Mann der Täter, Opfer sind in 86,8 Prozent der Fälle Frauen, wie Nora Markwalder sagt. Die Professorin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität St. Gallen hat die Datenbank aller Tötungsdelikte in der Schweiz ausgewertet. Aus dieser lassen sich klare Muster ablesen.
So wird ein Drittel aller Partnertötungen während der Trennung verübt, in etwa 20 Prozent der Fälle tötet der Mann nach dem Ende einer Beziehung. «Eine Trennung ist ein sehr heikler Zeitpunkt für die Frau», sagt Markwalder. «Das Risiko einer Gewalttat ist dann extrem hoch.» Daraus stelle sich unmittelbar die Frage, wie Frauen in Trennungssituationen besser geschützt werden können, beispielsweise in Frauenhäusern oder mittels elektronischer Überwachung.
Auch das Strafrecht sieht Massnahmen vor wie ein Rayon- oder Kontaktverbot. Aus der Statistik lässt sich ablesen: «Wenn es in Beziehungen vorgängig zu wiederholter und schwerer Gewalt kommt, ist die Tötung häufig der tragische Schlusspunkt einer Gewalterfahrung», sagt Markwalder.
Warum bloss, interveniert niemand früher?
Offenkundig steckt die Prävention in der Schweiz noch in den Anfängen. Sie hat sich zwar 2019 mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet, die Gewalt an Frauen zu bekämpfen. Doch alleine die stabile Zahl an Femiziden zeigt: Die Massnahmen sind entweder ungenügend oder nur kantonal in Kraft.
Es reicht der Blick nach Spanien, um zu belegen, dass ein umfassendes Programm zum Schutz vor häuslicher Gewalt wirkt. Zwar verzeichnet das Land ähnlich viele Femizide wie die Schweiz, es hat aber fünf Mal mehr Einwohner. Darum will der Bundesrat von den Spaniern lernen. 2024 besuchte Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider Madrid, 2025 reiste Justizminister Beat Jans hin. Beide informierten sich über das Programm «Cometa», das Gewalttäter sehr engmaschig elektronisch überwacht. Das System schlägt Alarm, sobald der Gefährder die gerichtlich verfügte Distanz zur bedrohten Frau unterschreitet. Nebst den involvierten Personen wird auch die Polizei sofort informiert – und notfalls aufgeboten.
Auch Zürich testet das elektronische Monitoring. Inwiefern solche Massnahmen schweizweit ausgerollt werden, liegt in der Hand der Kantone. Dafür müssten sie Ressourcen für die Technik, Überwachung, Polizei und Strafverfolgung aufstocken. Auch müssten die Kantone einen gemeinsamen Nenner finden, von dem sie starten wollen. Nora Markwalder sagt: «Die Dynamik der Tötungsdelikte ist überall gleich, egal ob in Appenzell oder in Genf.»
Prävention und Schutz können nicht alle Femizide verhindern. Das zeigt die Auswertung ebenfalls: «Es gibt immer Fälle, die überhaupt nicht auf dem Radar der Justiz erscheinen», sagt Markwalder. Ein einheitliches Profil der Täter gebe es nicht. Sie sind älter als bei anderen Tötungsdelikten, teilweise psychisch vorbelastet und ausländische Täter sind übervertreten. Wobei Nora Markwalder wenig von Pauschalisierungen hält. «Die Nationalität erklärt per se nicht, wieso jemand tötet.»
Andere Faktoren wie Bildung, Sozialisierung oder wirtschaftliche Umstände beeinflussten gewalttätiges Verhalten. Gleichzeitig gibt es auch Täter, die komplett aus dem Raster fallen. Markwalder appelliert darum auch an die Gesellschaft: «Es müssen nicht nur die Behörden hinschauen, sondern eben auch die Nachbarn, die Freunde und die Familie.» (aargauerzeitung.ch)
Femizid ist nicht bloss ein Beziehungdelikt. Es ist Mord.
Mord ist zu verurteilen.
Einem häufigen Mordhergang, der statistisch vorhersagbar ist, ist mit (effektiver & sinnvoller) Prävention zu begegnen.
Unglaublich...