Im Fall der Erschiessung eines ägyptischen Diplomaten in Genf im Jahr 1995 hat der Verteidiger des Hauptangeklagten am Donnerstag vor dem Bundesstrafgericht einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Die Ermittlungen der Bundespolizei kritisierte er scharf.
Der Verteidiger bemühte sich, das von den psychiatrischen Sachverständigen und dem Bundesanwalt am Vortag gezeichnete «erdrückende Bild» seines Mandanten zu korrigieren. Er sprach von einem komplexen Mann, der zu Lügen fähig sei, aber auch offen reden könne.
Die ersten Tage des Ermittlungsverfahrens wurden ausführlich besprochen, insbesondere die Umstände, unter denen der Angeklagte den Satz «Die Technik hat mich eingeholt» gesagte hatte, den er später bestritt. Es war eine «kleine Lüge», erklärte der Anwalt.
Aber die Bundeskriminalpolizei (Fedpol), die eine Akte gegen ihn anlegen wollte, habe diese Worte als Geständnis interpretiert und damit eklatant gegen die Unschuldsvermutung verstossen, argumentierte der Anwalt.
In diesem Sinne sollten auch die «seltsamen» Erklärungen des Angeklagten nicht wörtlich genommen werden, argumentierte der Verteidiger. Und: «Er versucht auf ungeschickte Weise, sich selbst zu entlasten, aber die Aussagen seien nicht belastend.»
Weiter kritisierte der Verteidiger die Auswertung der DNA-Spuren, die auf dem selbstgebauten Pistolenschalldämpfer gefunden wurden, der bei dem Verbrechen verwendet wurde. Der Anwalt sagte, die Expertisen seien ungenau. Für die Vermischung der DNA von sechs verschiedenen Personen, darunter der Angeklagte und seine damalige Freundin, gebe es keine Erklärung.
«Alles ist ein Fehler bei der Beurteilung der Spuren», fasste der Anwalt zusammen. «Der wissenschaftliche Beweis wird nicht erbracht». Das Szenario eines Auftragsmordes stufte er als «völlig fiktiv» ein. «Warum wurden andere Spuren nicht untersucht?», fragte der Anwalt. «Etwa die eines Kollegen, der die Tat begangen haben könnte».
Die Bundesanwaltschaft hatte am Vortag eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren für den Hauptangeklagten gefordert. Sie ist der Ansicht, dass der Straftatbestand des Mordes erfüllt ist. Allein für dieses Delikt müsse für den italienisch-ivorischen Doppelbürger eine Strafe von 17 Jahren verhängt werden. Aufgrund der weiteren vorgeworfenen Straftaten sei das Strafmass auf 20 Jahre zu erhöhen.
Dem Hauptangeklagten werden ferner Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Drohungen sowie Besitz von Gewaltdarstellungen vorgeworfen. Zu den von einer Ex-Partnerin angezeigten Vergewaltigungen sagte der Verteidiger, dass das zweideutige Verhalten der Ex-Partnerin für seinen Mandanten nicht nachvollziehbar sei.
Die zugegebenermassen chaotische Beziehung sei über einen Zeitraum von zehn Jahren mit Höhen und Tiefen fortgesetzt worden. «Vergewaltigungen gab es keine», behauptete der Verteidiger, nachdem er zahlreiche intime Nachrichten zitiert hatte, die das Opfer an den Angeklagten geschickt hatte.
Die angeblichen Freiheitsberaubungen dieser Frau und einer weiteren Ex-Freundin seien ebenfalls ein Bestandteil komplizierter Beziehungen. «Auf sie folgte ein Wiedersehen, daher kann es sich nicht um eine Freiheitsberaubung gehandelt haben», stellte der Anwalt fest.
Die anderen Straftaten, wie das Aufzeichnen von Telefongesprächen und der Besitz von Gewaltbildern, seien vor allem auf eine Nachlässigkeit des Angeklagten zurückzuführen. Was die ungetreue Geschäftsbesorgung und die Versicherungsbetrügereien betrifft, so seien diese in einer «schwierigen Zeit» nach der ersten Untersuchungshaft begangen worden.
Schliesslich folgte der Anwalt der Linie seines Mandanten. Er bestritt den Grossteil der Anschuldigungen. Er äusserte sich nicht zu einem Strafmass, widersetzte sich aber auch nicht dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Landesverweis.
Weiter forderte der Verteidiger eine Entschädigung von fast einer halben Million Franken im Falle eines vollständigen Freispruchs. Er wies darauf hin, dass der Angeklagte bislang 1670 Tage in Untersuchungshaft verbracht hat.
Das Urteil wird am Montag, den 27. Januar verkündet. (sda)