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Molina sticht mit Taiwan-Motion in ein Wespennest – so erklärt er sich

Fabian Molina, SP-ZH, spricht waehrend der Debatte um die Motion "Zusammenarbeit von Nationalrat und Legislative Yuan (Taiwan) verstaerken", waehrend der Sondersession der Eidgenoessischen R ...
Der Nationalrat hat eine Motion zur Stärkung der Beziehung zum taiwanesischen Parlament angenommen. Eingereicht wurde sie von Fabian Molina.Bild: keystone

Molina sticht mit Motion zu Taiwan in ein Wespennest – so erklärt sich der SP-Nationalrat

Der Entscheid, dass der Nationalrat seine Beziehungen zum taiwanesischen Parlament verstärken will, löste heftige Diskussionen aus. watson hat mit dem Urheber der Motion Fabian Molina gesprochen.
04.05.2023, 17:5202.10.2023, 10:40
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Seit Dienstag ist klar: Der Nationalrat möchte seine Beziehungen zum taiwanesischen Parlament verstärken. Dieses Bestreben bekräftigte er, indem er eine Motion seiner Aussenpolitischen Kommission mit 97 Stimmen gegen 87 Stimmen angenommen hat.

SP-Nationalrat Fabian Molina, der Urheber der Motion, sagt gegenüber watson: «Ich bin sehr froh, dass der Nationalrat sich so entschieden hat. So kann ein Austausch stattfinden über Fragen, die von bilateraler Relevanz sind. Und insbesondere auch über regionale Sicherheit und den Frieden.»

Er ergänzt: «Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass die Schweiz Solidarität zeigt gegenüber dem demokratischsten Land in der Region. Zudem sollte sich die Schweiz diversifizieren in ihren Beziehungen und nicht alles auf die Karte China setzen.»

Molinas Motion erhält auch ausserhalb des Parlamentes Zuspruch. So twittert auch Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero, dass die Ein-China-Politik der Schweiz abgeschafft gehöre.

Doch lange nicht alle sind von dem Entscheid positiv überrascht. Im Nationalrat war eine Minderheit aus SVP und FDP überzeugt, dass der Vorstoss dem Konzept der parlamentarischen Diplomatie zuwiderlaufe und im derzeit angespannten internationalen Umfeld unangebracht sei.

Maurers Besuch beim chinesischen Botschafter

Die chinesische Botschaft in Bern bekundet in einer offiziellen Stellungnahme ebenfalls eine «starke Unzufriedenheit» und lehnte die Motion ab.

Kurz nach dem Entscheid des Nationalrats veröffentlichte die Botschaft auf ihrer Website ein Foto von einem Treffen von Alt-Bundesrat Ueli Maurer und dem chinesischen Botschafter Wang Shihting. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist bemerkenswert, denn schliesslich fand das Treffen schon Mitte April statt. Die Botschaft schreibt: «Bundesrat Maurer betonte, dass die schweizerisch-chinesischen Beziehungen eine gute historische Grundlage haben und die bilaterale Zusammenarbeit in den letzten Jahren reiche Früchte in den Bereichen Wirtschaft, Handel und Finanzen getragen haben.»

Ueli maurer trifft chinesischen Botschafter
Alt-Bundesrat Maurer und der chinesische Botschafter Wang Shihting. Bild: Chinesische Botschaft Schweiz

Laut Bundesratssprecher André Simonazzi traf sich Maurer mit dem offiziellen chinesischen Staatsvertreter in der Schweiz ohne Wissen des amtierenden Bundesrats.

Molina sagt dazu: «Was da genau dahintersteckt, ist rein spekulativ. Vor allem warum genau jetzt dieses Bild publiziert wird, obwohl es schon drei Wochen alt ist. Aber es ist bekannt, dass Ueli Maurer immer ein speziell enges Verhältnis zum autoritären China gepflegt hat. Es ist davon auszugehen, dass er diese enge Beziehung mit China auch nach dem Rücktritt seines Amtes noch benötigt, um wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Das ist natürlich sehr problematisch.»

«Ein Alt-Bundesrat hat ein sehr grosses Wissen und Netzwerk. Das ist gewissermassen ein Missbrauch dieses Wissens und Netzwerks, denn dieses gehört schlussendlich der Schweiz – und ein solches Verhalten von einem Alt-Bundesrat könnte der Schweiz auch schaden. Denn es könnte für Propagandazwecke missbraucht werden. Genau das hat die chinesische Botschaft jetzt gemacht», ergänzt Molina.

Das entgegnet Molina den Gegnern der Motion

Der FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann sagte während der Diskussion in der grossen Kammer, dass auch Katalonien die Schweiz für eine enge politische Zusammenarbeit angefragt hätte. Doch die Schweiz hätte diese abgelehnt. Portmann schlussfolgerte: «Katalonien ist kein souveräner Staat, so wie es auch Taiwan nicht ist. Wir können doch diesen Rat hier nicht für etwas missbrauchen, hinter dem – das ist jetzt meine Einschätzung – irgendwo eine ideologische Haltung steht, eine Haltung jener, die diese Motion zustande gebracht haben und denen viele – leider viele – hier drin auf den Leim gekrochen sind.»

Hans-Peter Portmann, FDP-ZH, links, spricht neben Fabian Molina, SP-ZH, waehrend der Debatte um die Motion "Zusammenarbeit von Nationalrat und Legislative Yuan (Taiwan) verstaerken", waehren ...
Hans-Peter Portmann sprach sich entschieden gegen die Motion aus.Bild: keystone

Molina sagt zu diesem Vorwurf gegenüber watson: «Das ist ein völlig anderer Fall. Katalonien ist rechtlich und faktisch ein Teil des spanischen Staatsgebiets. Damit ist auch klar, dass das eine innere Angelegenheit Spaniens ist. Taiwan hingegen war bei der Gründung der UNO noch Mitglied des Sicherheitsrats und wurde somit als Staat anerkannt. Völkerrechtlich ist Taiwans Status unklar und muss erst noch geklärt werden.»

Zudem lehnt Molina den Vorwurf ab, dass die Motion der Ein-China-Politik widersprechen würde. Er erklärt: «Die offizielle Haltung der Schweiz ist klar: Der Status Taiwans und alle bestehenden Differenzen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China müssen in einem politischen Prozess und friedlich gelöst werden. Der Nationalrat nimmt seine Verantwortung für die Aussenpolitik wahr und führt einen Dialog mit dem taiwanesischen Parlament – da spricht überhaupt nichts dagegen. Und das verstösst auch nicht gegen Pekings Ein-China-Doktrin.»

Der SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi war der gleichen Ansicht wie Portmann und sagte, dass man dem Büro des Nationalrates keine neuen Aufgaben übertragen könne. Am Ende seiner Stellungnahmen hielt er fest: «Ich möchte Sie bitten, die Aussenpolitik in erster Linie dem Bundesrat zu überlassen und diese Motion deshalb abzulehnen.»

Thomas Aeschi, SVP-ZG, spricht waehrend der Debatte um die BVG-Reform, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 28. Februar 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Thomas Aeschi empfahl während der nationalrätlichen Sitzung, die Motion abzulehnen.Bild: keystone

watson hat Molina gefragt, ob die Aussenpolitik tatsächlich die Aufgabe des Bundesrates sei. Dieser entgegnet: «Das stimmt nicht. Die Aussenpolitik ist eine geteilte Aufgabe von Bundesrat und Parlament. Natürlich hat der Bundesrat die Aufgabe, die exekutive Funktion auszuüben, aber das Parlament legt die Strategie fest. Wir haben jetzt beschlossen, dass der Nationalrat als Institution Beziehungen aufnimmt mit dem taiwanesischen Parlament.»

Molina bleibt trotz der Aufregung optimistisch: «Wir müssen ruhig bleiben und selbstbewusst eine handlungsfähige Aussenpolitik verfolgen. Das bedeutet, dass wir – getreu dem Artikel 54 unserer Bundesverfassung – den Frieden und die Demokratie auf der Welt fördern. Das heisst aber auch, dass wir die Demokratien, gerade in dieser geopolitisch sehr schwierigen Situation, unterstützen.» (jub)

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153 Kommentare
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Tannzapfen
04.05.2023 18:16registriert Februar 2022
Die Schweiz alle anderen Staaten sollten Taiwan als unabhängiger Staat anerkennen. Das ewige kuschen vor China muss Enden. Es ist ist Zeit China in die Schranken zu weisen.
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Tokyo
04.05.2023 18:11registriert Juni 2021
Begrüsse diesen Entscheid des Nationalrates
Spannend ist einmal mehr das Kuschen der SVP vor einer Diktatur.
Jene Partei die lauthals die Souveränität verteidigen will, die sich gegen jegliche Einmischung des Auslandes aufregt, kriecht nun dem Regime der VR China hinten rein...
20249
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Thurgauo
04.05.2023 18:16registriert November 2017
Erstaunt mich, dass die SP diese Karte nicht früher gespielt hat. Hier kann man exemplarisch zeigen, wem es um unsere Werte geht und wem ums Geschäft.
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