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China und der Ukraine-Krieg: Ein Frieden ist nicht in Sicht

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Xi Jinping und Wladimir Putin am 23. März in Moskau. Mit Wolodymyr Selenskyj wollte der chinesische Präsident lange nicht sprechen.Bild: keystone
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Warum China den Ukraine-Krieg nicht beenden kann (oder will)

Das Gespräch von Wolodymyr Selenskyj mit Xi Jinping erzeugt Hoffnungen auf eine Vermittlung Chinas im Krieg mit Russland. Ein rascher Frieden ist aber nicht in Sicht.
27.04.2023, 15:1427.04.2023, 15:43
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Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine verhält sich die Volksrepublik China offiziell neutral. In der UNO-Generalversammlung hat sie sich jeweils der Stimme enthalten. Faktisch aber steht Peking auf der Seite Moskaus. Die staatliche Propaganda verbreitet das russische Narrativ, das den Westen und die NATO für den Krieg verantwortlich macht.

China kauft fleissig russisches Öl und Gas und hilft Wladimir Putin so bei der Finanzierung seines Kriegs. Auch äussern Beobachter vermehrt den Verdacht, Russland erhalte bei der Umgehung der westlichen Sanktionen Hilfe vom grossen Verbündeten. Die US-Regierung geht sogar davon aus, China habe Russland die Lieferung von Waffen zugesagt.

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Ein russischer Soldat in der Ukraine. China soll angeblich Militärhilfe zugesagt haben.Bild: keystone

Dies berichtete die «Washington Post» aufgrund einer Auswertung der Geheimdokumente, die auf der Gaming-Plattform Discord veröffentlicht wurden. Die Waffenhilfe sollte getarnt als zivile Güter erfolgen, denn eine offene Unterstützung des Aggressors würde China zur Kriegspartei machen, und das wolle Peking aus diversen Gründen vermeiden.

Risiken für China

Ob die Waffenlieferungen tatsächlich erfolgen, ist unklar. Eine am Mittwoch von «Foreign Affairs» veröffentlichte Analyse betrachtet einen solchen Schritt als ernsthafte Möglichkeit, erwähnt aber auch die Risiken. Angesichts der gravierenden Defizite der russischen Armee könne Militärhilfe aus Peking den Krieg allenfalls verlängern, aber nicht entscheiden.

Sicher ist, dass Staatschef Xi Jinping trotz der angeblichen Neutralität kein Geheimnis aus seiner Freundschaft mit Putin macht. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingegen zeigte er bislang die kalte Schulter. Der letzte bekannte Austausch fand am 4. Januar 2022 statt, dem 30. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Zeitpunkt nicht gegeben

Seither hatte Xi mehrfach mit Putin telefoniert und ihn dreimal persönlich getroffen. Zu einem Gespräch mit Selenskyj aber kam es nie. Er sei dazu bereit, wenn «die Bedingungen und der Zeitpunkt gegeben sind», sagte Xi beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking.

China's President Xi Jinping, center, his French counterpart Emmanuel Macron, left, and European Commission President Ursula von der Leyen meet for a working session in Beijing Thursday, April 6, ...
Xi Jinping beim Treffen mit Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen in Peking.Bild: keystone

Nun war dies offenbar der Fall. Am Mittwoch kam es zu einem «langen und ziemlich vernünftigen Gespräch», erklärte der ukrainische Staatschef. Die Reaktionen im Westen waren positiv. Das Telefonat sei «eine gute Sache», meinte John Kirby, der Sprecher des US-Aussenministeriums. Die Reaktionen aus Moskau waren deutlich zurückhaltender.

Krise statt Krieg

Mit dem Gespräch verbindet sich die Hoffnung, China könne zu einem Ende der Kämpfe beitragen. Kürzlich gelang es Peking, eine Aussöhnung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien zu vermitteln. Jetzt wurde Li Hui zum Sondergesandten ernannt. Er war Botschafter in Moskau und gilt laut der «New York Times» als diplomatisches Schwergewicht.

Manche Analysten aber bezweifeln den Willen Chinas, den Krieg zu beenden. So fehlen im offiziellen Statement zum Gespräch zwischen Xi und Selenskyj die Begriffe Russland und Krieg. Stattdessen wurde die Notwendigkeit einer politischen Lösung für die «Ukraine-Krise» erwähnt. Einmal mehr warnte China zudem vor einer nuklearen Eskalation.

Der undiplomatische Diplomat

Bereits im Februar hatte Peking einen «Friedensplan» mit 12 Punkten veröffentlicht, ohne sich danach um dessen Umsetzung zu bemühen. Kritiker vermuten hinter Xi Jinpings plötzlicher Gesprächsbereitschaft vor allem ein Motiv: die kontroversen Aussagen von Lu Shaye, dem chinesischen Botschafter in Frankreich, in einem Fernsehinterview.

Dabei hatte der undiplomatische Diplomat die Souveränität von Staaten infrage gestellt, die aus der Sowjetunion hervorgegangen waren. Lus Äusserungen sorgten in Europa und besonders in den drei baltischen Staaten für Empörung, worauf das Aussenministerium in Peking betonte, man respektiere den Status der früheren Sowjetrepubliken. Das gelte auch für die Ukraine.

Keil zwischen Europa und den USA

Das Telefonat von Xi Jinping mit Wolodymyr Selenskyj war nach dieser Lesart ein weiterer Versuch, den Schaden zu begrenzen. Denn China bemüht sich in letzter Zeit um ein gutes Verhältnis zu den Europäern. Das hat wirtschaftliche Gründe, doch Peking hofft auch, einen Keil zwischen Europa und die USA treiben zu können, besonders im Konflikt um Taiwan.

Eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg käme dabei gelegen. Gleichzeitig strebt Xi eine «multipolare» Weltordnung an, mit China und Russland als Gegengewicht zum Westen und besonders den USA. Man habe in Peking deshalb kein Interesse daran, dass Russland aus dem Krieg geschwächt oder gar besiegt hervorgehen könne, wird spekuliert.

Keine Illusionen

Illusionen über ihre Erfolgschancen machen sich die Chinesen keine. «Niemand glaubt, dass Russland und die Ukraine derzeit zu Gesprächen bereit sind», sagte Yun Sun, Leiterin des China-Programms am Stimson Center in Washington, gegenüber CNN. China hoffe aber, seinen diplomatischen Einfluss auszuweiten und Goodwill in Europa zu schaffen.

A worker holds corn from a truck that being filled with Ukrainian corn from the ship AK Ambition, sailing under the flag of Panama at Tripoli seaport, in Tripoli, north Lebanon, Monday, Sept. 26, 2022 ...
China ist der grösste Abnehmer von ukrainischem Mais.Bild: keystone

Auch wirtschaftliche Interessen könnten eine Rolle spielen. Vor dem Krieg war China der wichtigste Handelspartner der Ukraine und der grösste Käufer von Mais. Der Löwenanteil der durch das Getreideabkommen ermöglichten Exporte geht nach China. In Kiew wiederum hofft man, dass die Chinesen sich in grossem Stil am Wiederaufbau beteiligen werden.

Es dürfte einer der Gründe sein, warum sich die ukrainische Regierung mit Kritik an China zurückgehalten hat, trotz dessen Parteinahme für Russland. Nun könnte sich die Waage ein wenig ausbalancieren, doch auf ein baldiges Kriegsende zu hoffen wäre vermessen. Die Ukrainer werden sich auch von China nicht von ihrer Gegenoffensive abhalten lassen.

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Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
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Traurige Szenen – die Heldengräber in der Ukraine
Ukrainische Soldaten begraben kurz nach Weihnachten 2023 ihren Kameraden Vasyl Boichuk im Dorf Iltsi.
quelle: keystone / evgeniy maloletka
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Hilferufe von der Front – russische Soldaten appellieren mit Videos an Putin
Video: watson
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87 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cpt. Jeppesen
27.04.2023 16:02registriert Juni 2018
Die Aussage des Diplomaten Lu Shaye war kein Versehen, sondern Vorsatz. China ist auch nicht an einer Multipolaren Welt, mit China und Russland als Pole, interessiert. Vielmehr ist es Chinas Traum, dass sich alles nur um China dreht. Russland ist nur Mittel zum Zweck, wenn Russland destabilisiert genug ist, dann wird sich China das Amur-Gebiet (und mehr) zurück holen. Die erhoffte Wirtschaftshilfe Chinas an die Ukraine ist ebenfalls Blendwerk, China will die Filetstücke der Ukraine für sich und eine weitere Basis in Europa.
China unter Xi's Führung ist definitiv nicht zu trauen!
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Daniel Noger
27.04.2023 15:41registriert November 2022
China profitiert vom billigen Gas und Öl. Das Interesse an einem Frieden ist nur Fassade und heisse Luft. Da wird viel geredet und Nichts passiert. Mit den Russen auf einen Frieden hinzusteuern ist zwecklos. Das einzige was sie verstehen sind Waffen, leider. Aber die "Alternative" für die Ukraine ist, sich von den Russen abschlachten und auslöschen zu lassen. Hier muss für den Kriegsaggressor eine scharfe Linie gezogen werden. Als andere sind naive Forderungen von westlichen Wohlstandverwahrlosten.
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Martin Baumgartner
27.04.2023 15:23registriert Juni 2022
Xi bekam mit diesem Krieg billiges Gas und Öl und eine sicheren Abnehmer für chinesische Rüstungsgüter. Dazu hat er mit Putin einen hörigen Juniorpartner der ihm nach dem Munde spricht. Warum sollte Xi danach verlangen, Frieden zu stiften.
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