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Bund finanziert Sexportal mit – und die EVP ist wenig begeistert

Ein Hilfsangebot in der digitalen Welt: Callmetoplay ist Sexportal und Informationsstelle zugleich.
Ein Hilfsangebot in der digitalen Welt: Callmetoplay ist Sexportal und Informationsstelle zugleich. bild:screenshot/callmetoplay

Bund finanziert Sexportal mit – jetzt regt sich Widerstand im Parlament

Ein Westschweizer Sexportal, auf dem Sexarbeiterinnen ihre Dienste anbieten, wird von Bundesgeldern mitfinanziert. Das Portal will den Schutz von Prostituierten auch im Netz gewährleisten. Der EVP ist die Plattform ein Dorn im Auge.
29.03.2019, 07:2529.03.2019, 07:42
Helene Obrist
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Die Sexarbeiterinnen nennen sich «Maîtresse Lola», «Sweet Louise» oder «CH-Traumfrau» und bieten Rollenspiele, Bestrafung oder Tantramassagen an. Zu finden sind ihre Angebote auf dem Sexportal Callmetoplay. Das Portal unterscheidet sich kaum von anderen einschlägigen Angeboten.

Nur in einem Punkt hebt es sich ab: Es wird mit Geldern vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) und vom fedpol unterstützt. Das fedpol sprach einen Betrag von 45'650 Schweizer Franken, das BAG bezahlte rund 300'000 Schweizer Franken. Eine Verordnung gegen Menschenhandel ermöglicht es dem Bund, solche Projekte finanziell zu unterstützen.

Initianten des Projekts Callmetoplay sind die zwei Westschweizer Organisationen Fleur de Pavé und Aspasie. Beide setzen sich für die Rechte von Prostituierten ein und sensibilisieren die Sexarbeiterinnen auf Themen wie Aids, sexuell übertragbare Krankheiten und Gewalt.

Callmetoplay soll das Sexgewerbe auch im Netz sicherer machen, heisst es bei der Organisation Aspasie. «Mit der Digitalisierung sehen wir eine gewisse Isolation, anders als in den Bars oder den Bordellen, wo es einen Austausch gibt», so Pénélope Giacardy, Koordinatorin der Plattform.

Hilfs- und Informationsangebote sowie ein geschlossenes Forum für Prostituierte, wo man sich über gefährliche Freier oder ausbeuterische Betreiber von Etablissements austauschen kann, sollen Sicherheit und Aufklärung schaffen.

Wenig begeistert vom Projekt ist EVP-Nationalrätin Marianne Streiff. Vergangene Woche reichte sie im Parlament einen Vorstoss ein, der Genaueres über das Projekt wissen will.

Streiff bezweifelt, dass Callmetoplay den verlangten Präventionszweck wirklich erfüllt. «Prävention ist prinzipiell Aufgabe des Bundes, aber nicht, wenn das Mittel dem Präventionszweck zuwiderläuft.» Für Streiff ist unklar, ob das Portal dem Menschenhandel womöglich in die Hände spielt.

«Kann der Bund wirklich sicherstellen, dass auf die­sem staat­lich finan­zier­ten Sex­por­tal keine Opfer von Men­schen­han­del ange­bo­ten wer­den?», heisst es in der parlamentarischen Anfrage. Weiter kritisiert Streiff, dass Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden, sich womöglich kaum auf einem vom fedpol mitfinanzierten Portal anmelden.

Une prostituee attend des clients qui passent en voiture sur un trottoir du centre ville dans la nuit du jeudi 7 au vendredi 8 juillet 2014 a Lausanne. La scene de la prostitution est visible sur la r ...
Die heutigen Sexarbeiterinnen sind häufig nur für wenige Wochen in der Schweiz. Oft kennen sie ihre Rechte nicht oder wissen nicht, wo sie Hilfe holen können. Bild: KEYSTONE

Das BAG und das fedpol verweisen beide auf Anfrage an die Organisation Aspasie. Diese sei für die Evaluation zuständig.

Laut Pénélope Giacardy, Koordinatorin des Projekts bei Aspasie, stösst die Seite auf viel Anklang. «Sie wird sehr aktiv genutzt, es kommen jeden Tag mehr Inserate dazu», so Giacardy. Die Sexarbeiterinnen würden Callmetoplay begrüssen. «Die Reaktionen sind positiv.» Besonders, dass das Portal den Prostituierten gratis zur Verfügung steht und sie schnell zu hilfreichen Informationen kommen, werde sehr geschätzt. Mehr will Giacardy nicht sagen. Eine umfassende Evaluation ist auf Ende dieses Jahres geplant.

Ob Callmetoplay bald in der Deutschschweiz lanciert wird, lässt Giacardy offen. «Ausgeschlossen ist es nicht, aber dafür müsste man zuerst die Infrastruktur aufbauen und mit lokalen Organisationen in Kontakt treten.»

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quelle: epa/epa / christian bruna
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48 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pun
29.03.2019 08:15registriert Februar 2014
Die EVP fühlt sich gezwungen, sobald jemand Spass hat, den christlichen Moralfinger aus dem Po zu nehmen und hoch zu heben. Soweit alles verständlich. Aber das Portal stimmt mit der Suche nach alternativen Möglichkeiten zum Schutz der Sexarbeiter*innen überein. Viel besser finanziert der Bund ein solches Portal als dass alles in der Grauzone passiert und somit viel mehr Nährboden für Menschenhandel beinhaltet. Verbote haben die Prostitution auch noch nicht gestoppt.
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Nik G.
29.03.2019 09:33registriert Januar 2017
Man könnte Prostitution als Beruf anerkennen. Dann wären alle die kein Diplom haben Schwarzarbeiter/ innen. Kaapiert doch lieber, dass die Prostitution immer da sein wird (Schweden verdrängt es einfach) Aus dem Auge aus dem Sinn heisst nicht, dass es kein Angebot gibt.
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Deep sea
29.03.2019 08:59registriert Juli 2015
Die EVP sollte sich eigentlich still halten. Genau den Kirchenvätern würde man lieber solche Dienste zur Verfügung stellen, anstatt, dass sie sich an wehrlosen Kindern vergehen.

Die Kirche sollte endlich einsehen und dazu stehen, dass ihre nach aussen ausgelebte Enthaltsamkeit in den eigenen Reihen auf ündwürdigste Art und Weise gebrochen wird.
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