Am Tag, bevor offiziell bekannt wurde, dass Staatssekretärin Livia Leu als Chefunterhändlerin mit Brüssel aufhört, hat Aussenminister Ignazio Cassis eine Rede gehalten zu Europa. Anlass war der Empfang der EU-Botschaft zum Europatag am Dienstag in Bern. Cassis sprach viel über die Ukraine, und er erwähnte die «positive Dynamik» bei den Sondierungsgesprächen mit Brüssel - freilich ohne konkret zu werden.
Hingegen machte er eine Ankündigung: Die Schweiz sei gerne bereit, «in Zukunft einen Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft zu einem für beide Seiten günstigen Zeitpunkt auszurichten», sagte Cassis.
Die Europäische Politische Gemeinschaft (EPC) ist nicht mit der EU zu verwechseln. Sie wurde letztes Jahr auf Initiative von Frankreichs Präsident Macron lanciert und umfasst alle Staaten Europas, also auch Nichtmitglieder der EU wie Grossbritannien oder die Schweiz. Am ersten Gipfel im Oktober in Prag waren die Staats- und Regierungschefs von 44 Ländern vertreten. Lediglich Russland und Weissrussland waren nicht eingeladen. Cassis vertrat den Bund als damaliger Bundespräsident.
Merci au Président @EmmanuelMacron pour notre échange entre voisins et amis en marge de la réunion de la Communauté Politique Européenne. Unies par des liens historiquement étroits, la 🇨🇭 et la 🇫🇷 partagent des valeurs communes et une solidarité européenne. #PlusQueDesVoisins pic.twitter.com/NvoljdyKjK
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) October 6, 2022
Cassis hegt offensichtlich grosse Sympathien für die EPC. Sie habe «eine starke symbolische Bedeutung, da ihre Teilnehmer nach geografischen Gesichtspunkten und nicht nach ihrer Zugehörigkeit zu der einen oder anderen politischen Institution ausgewählt werden», erklärte er am Dienstag: Es brauche auch diese Ebene, «um die Standpunkte unter den EU- und Nicht-EU-Mitgliedstaaten zu den gemeinsamen Interessen des europäischen Kontinents aus geopolitischer Sicht festzulegen».
Auf Nachfrage teilt das Aussendepartement (EDA) mit, der Bund erwäge einen Gipfel ab 2025 auszurichten. Die Treffen finden halbjährlich statt, das nächste am 1. Juni in Chisinau Moldau. «Die Bereitschaft, einen solchen Anlass zu organisieren, zeigt, dass die Schweiz ihren Teil der Verantwortung für die Zukunft des europäischen Kontinents übernimmt», schreibt das EDA. Zudem sei es eine «Chance, sich als Partner auf dem europäischen Kontinent zu positionieren».
Doch welche Rolle spielt der EPC in der Europapolitik des Bundes? Die Teilnahme am EPC sei «Teil der Schweizer Europapolitik im weiteren Sinne und ergänzt sie», schreibt das EDA dazu. Als «zusätzlichen Rahmen für die Stärkung der Beziehungen mit der EU» und Beleg für eine enge Partnerschaft, «die weit über das normale nachbarschaftliche Verhältnis hinausgeht».
Eine Alternative zum bilateralen Weg mit Brüssel, das lässt sich aus dieser Antwort folgern, ist sie nicht. (aargauerzeitung.ch)