Der Schweiz gehen langsam aber sicher die Gemeinderäte und Gemeinderätinnen aus. Bereits jede dritte Kommune hat «erhebliche Schwierigkeiten», die Ämter in der Exekutive zu besetzen. Dies zeigt eine am Donnerstag publizierte representative Studie der HTW Chur. Dabei wurden 600 Gemeinden und 1000 junge Erwachsene befragt.
Die junge Generation ist in den Gemeinderäten stark untervertreten. Nur jedes 18. Exekutivmitglied ist unter 35 Jahre alt.
Jetzt gibt der Gemeindeverband Gegensteuer. Unter anderem bringt der Ideenwettbewerb «zukunftsfähiges Milizsystem 2030» unkonventionelle Vorschläge aufs Tapet, um die Ämter für Junge wieder attraktiver zu machen.
Hier einige Beispiele:
Kann der Zivildienst auch das Milizsystem retten? Zusätzlich zu den bestehenden Einsatzmöglichkeiten sollen neu auch Behördentätigkeiten als Zivildienst anerkannt und angeboten werden.
Ausserhalb der Parteien gibt es in der Politik kaum Talentförderung. Dies ist insofern relevant, da immer mehr Parteilose in Gemeindeämter drängen. Darum sollen junge Miliz-Politiker zu Polit-Influencern ausgebildet werden, die etwa mit Youtube-Videos oder Instagram-Posts andere Jugendliche zu politischen Tätigkeiten motivieren sollen.
Ausser einem mehr oder weniger symbolischen Lohn kriegen Milizpolitiker bislang kaum eine Entschädigung. Das soll sich ändern: Künftig sollen Arbeitgeber die Gemeindepolitiker für ihre Aufgaben freistellen. Die Kosten dafür soll die Erwerbsausfallersatz-Entschädigung (EO) übernehmen, wie dies etwa bereits bei Jugend&Sport-Programmen der Fall ist.
Um den Pool an Gemeinderatskandidaten zu erhöhen, sollen die Gemeinden das passive Ausländerstimmrecht einführen.
Seit über zwei Jahren sitzt der 26-jährige Nirosh Manoranjithan für die FDP im Gemeinderat des 4000-Seelen-Dorfs Vilters-Wangs im Sarganserland. Das bedeutet: Unterlagen durchlesen, Sitzungen, am Wochenende öffentliche Termine wahrnehmen. Pro Woche wendet er 10 bis 12 Stunden für sein Amt als Leiter Ressort Gesundheit, Umwelt, Jugend und Integration auf. «Zum Glück habe ich einen flexiblen Arbeitgeber, so kann ich mir die Gemeindetermine selber einteilen», sagt Nirosh zu watson.
Das können längst nicht alle: Der grosse Zeitaufwand sei auch aus seiner Sicht der entscheidende Faktor, der Junge Leute vom Einstieg in die Politik abhalte. «Es geht viel Freizeit verloren. Dafür lernt man immer wieder etwas Neues.»
Der Hauptgrund für sein politisches Engagement liegt aber woanders. «Ich will einerseits der Gemeinde etwas zurückgeben, weil sie meine aus Sri Lanka stammende Familie aufgenommen hat», sagt der Ostschweizer, der vor 12 Jahren eingebürgert wurde. Der Lohn sei bei einem Jahressalär von rund 10'000 Franken keine grosse Motivationsspritze .
«Ich mache den Job sicher nicht wegen des Geldes. Das Gemeinderatsamt ist für mich vielmehr ein Sprungbrett beziehungsweise ein guter Einstieg für eine politische Karriere», so Nirosh weiter. Seine Erfahrungen in der Gemeindepolitik will er nun auf nationaler Ebene nutzen. So kandidiert er für die Nationalratswahlen. Und will später im zweiten Anlauf die Wahl in den St.Galler Kantonsrat schaffen.
(amü)