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Ranking: Das sind die einflussreichsten Politiker im Bundeshaus

Das sind die einflussreichsten Politiker im Bundeshaus

Wer sich im Parlament durchsetzen kann und wer den Debatten in der Öffentlichkeit den Stempel aufdrückt: Ein neues Ranking misst, welche der 246 Mitglieder von National- und Ständerat am meisten Einfluss haben.
02.12.2024, 18:12
Christoph Bernet / ch media
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Formell sind alle 246 Mitglieder von National- und Ständerat gleichgestellt: Ihnen stehen die gleichen parlamentarischen Mittel zur Verfügung, und ihre Stimmen zählen gleichwertig.

Doch beim tatsächlichen Einfluss gibt es erhebliche Unterschiede: Die einen sind unauffällige Hinterbänkler, die im Gesetzgebungsprozess kaum Spuren hinterlassen, die anderen Strippenzieherinnen, die gewichtigen Vorlagen ihren Stempel aufdrücken. Die einen sorgen als Tenöre in den öffentlichen Debatten wöchentlich für neue Schlagzeilen, die anderen sind Leisetreterinnen, deren Namen nicht einmal eingefleischte Politnerds kennen.

Das Public-Affairs-Unternehmen Burson hat mit seinem «Influence Index 2024» versucht, diesen Einfluss zu vermessen. Er umfasst den Zeitraum vom 1. Dezember 2023 bis Ende September 2024. Mit einer datengestützten Methodik hat Burson zwei Rankings erstellt, eines zum Parlamentarischen Einfluss, das andere zur Einflussnahme in der Öffentlichkeit.

Beide Rankings seien gleichwertig zu betrachten, betont Dominik Banny, Leiter Public Affairs bei Burson Schweiz. Zu einer funktionierenden Demokratie gehöre neben der Arbeit im Parlament auch ein lebhafter öffentlicher Diskurs über die Themen, welche die Bevölkerung bewegen.

Germann am einflussreichsten im Parlament

Das Ranking zum parlamentarischen Einfluss stützt sich auf eine Million Datenpunkte zu Indikatoren wie Führungspositionen innerhalb der Fraktion und den Kommissionen, die Netzwerkarbeit, die Fähigkeit, bestimmte Vorlagen bis ins Detail zu prägen sowie die Anzahl Dienstjahre im Parlament.

Der einflussreichste Parlamentarier gemäss Ranking ist der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann, der seit 2002 in der kleinen Kammer sitzt. Er löst damit Mitte-Ständerat Erich Ettlin (OW) ab, der im letztjährigen «Influence-Index» den Spitzenrang belegt hatte. Germann gehöre zu den Erfahrensten in Bundesbern, schreiben die Autoren der Studie. Auch sein Einsitz in drei Delegationen und drei wichtigen Kommissionen inklusive eines Vizepräsidiums (Gesundheitskommission SGK) trügen zu seinem Einfluss bei.

Auf Platz zwei der einflussreichsten Figuren im Parlament folgt SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (ZG), Präsident der grössten Fraktion im Bundeshaus und der prestigeträchtigen Wirtschaftskommission (WAK). Rang drei belegt der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin, Präsident der Finanzdelegation (FinDel). Aeschi und Hegglin verdrängen im Vergleich zum letztjährigen Index die Ständeräte Benedikt Würth (Mitte/SG) und Carlo Sommaruga (SP/GE) vom Podest.

«Ich freue mich natürlich über diesen Spitzenrang, ich fühle mich dadurch geehrt und in meiner Arbeit bestätigt», sagt SVP-Ständerat Germann auf Anfrage. Seine langjährige Erfahrung mit dem parlamentarischen Handwerk habe sicherlich zur Positionierung beigetragen, ebenso wie Verlässlichkeit in den Positionen und seriöse Arbeit. Auf sozialen Netzwerken halte er sich hingegen eher zurück.

Auch deshalb landet Germann im Ranking zum öffentlichen Einfluss lediglich auf Rang 127. Diese Rangliste stützt sich auf 6 Millionen Datenpunkte in drei Indikatoren: der Reichweite, Relevanz und Resonanz auf der Plattform X, der Anzahl Erwähnungen in Medien sowie den Google-Suchanfragen zu einzelnen Parlamentsmitgliedern.

Pfister dominiert in der Öffentlichkeit

Spitzenreiter in Bezug auf den öffentlichen Einfluss ist Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister, der als amtsältestes Mitglied des Nationalrats seit 2003 im Bundeshaus sitzt. Mit seiner eloquenten Art löst er auf dem Spitzenplatz den zurückgetretenen SVP-Nationalrat Roger Köppel (ZH) ab. Die Studienautoren heben Pfisters Talent für markante Worte hervor. «Er besitzt die Fähigkeit, mit einem einzigen Tweet die Redaktionen der Schweizer Verlagshäuser ins Schwitzen zu bringen.»

Auf den Rängen zwei und drei folgen mit Jon Pult (GR) und Co-Parteipräsident Cédric Wermuth (AG) zwei SP-Nationalräte. Jon Pult, der erst seit 2019 im Nationalrat sitzt, habe sich bereits als «feste Grösse» im Bundeshaus etabliert, so die Autoren. Zu seinem zweiten Platz dürfte auch die mediale Aufmerksamkeit beigetragen haben, die er für seine letztlich erfolglose Bundesratskandidatur erhielt. Wermuth fällt im Vergleich zum Vorjahr vom Platz zwei auf drei zurück. Vom Podest fällt die letztjährige Drittplatzierte Eva Herzog (SP/BS), die im damaligen Ranking von ihrer Bundesratskandidatur im Herbst 2022 profitiert hatte.

Gerhard Pfister schreibt auf Anfrage, er nehme das wie jedes Ranking zur Kenntnis, ohne es überbewerten zu wollen – und zitiert ein englisches Sprichwort: «One day you're a peacock, the next you're a feather duster» (in etwa: Am einen Tag ist man ein Pfau, am nächsten ein Staubwedel). Das öffentliche Auftreten gehöre zu den Aufgaben eines Parteipräsidenten: «Ich versuche das mit den Mitteln, die ich habe, angesichts dessen, dass die Mitte nicht auf die Unterstützung von Medien zählen kann wie die FDP oder die SVP.»

Weitere wichtige Erkenntnisse der Studie:

  • Überlegenheit der langjährigen Parlamentsmitglieder: «Insbesondere innerhalb des Parlaments sind es erfahrene Köpfe, die besonders einflussreich sind», sagt Dominik Banny von Burson Schweiz. Sie erhielten Einsitz oder gar ein Präsidium oder Vize-Präsidium in den wichtigsten Kommissionen, könnten so Geschäfte stärker mitprägen und ergriffen auch öfter das Wort: «Gerade in grösseren Fraktionen ist es für Neugewählte schwierig, direkt Einfluss zu nehmen.» Hingegen sei es mit der richtigen Themenwahl und einer aktiven Präsenz auf sozialen Medien einfacher, auch als neu gewähltes Parlamentsmitglied öffentlichen Einfluss zu erlangen. sagt Banny. Als Paradebeispiel nennt er die Zürcher SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser, die bereits vor ihrer Wahl ins Parlament eine der reichweitenstärksten LGBTQ-Aktivistin des Landes war. Rosenwasser steigt direkt auf Platz 20 des Rankings ein.
  • Männerdominanz in Bundeshaus und Öffentlichkeit: In beiden Rankings schaffen es deutlich weniger Frauen als Männer in die Top 20. Bei parlamentarischen Einfluss sind es lediglich zwei, Am besten schneidet Maya Graf (Grüne/BL) auf Platz 5 ab. Beim öffentlichen Einfluss sind es sechs von 20. Am einflussreichsten hier ist Magdalena Martullo-Blocher (SVP/GR) auf Platz 8.
  • Zug ist Epizentrum der Schweizer Politik: Dank den Spitzenrängen der Nationalräte Pfister und Aeschi und von Ständerat Hegglin ist Zug gemessen an der Anzahl Sitzen der politisch einflussreichste Kanton der Schweiz. Er löst den Nachbarkanton Luzern ab.
  • Mitte verliert an Einfluss, verteidigt aber Spitzenrang: Im Vergleich zum letztjährigen Index verteile sich der Einfluss innerhalb des Parlaments deutlicher gleichmässiger über die Fraktionen hinweg, sagt Dominik Banny von Burson. Zwar liegt die Mitte hier weiterhin auf dem ersten Platz, doch haben sich der Vorsprung auf die anderen sowie die Abstände weiter hinten in der Rangliste deutlich verringert. Die SP hingegen beweist laut den Studienautoren ihre Stärke in der öffentlichen Wahrnehmung – und liegt im zweiten Ranking deutlich voraus.
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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El_Chorche
02.12.2024 19:31registriert März 2021
Eine wahre Sympathieparade... aber was wunder ich mich, wenn sogar ein Rösti der beliebteste BR sein soll.

Das kann doch niemand mehr ernst nehmen. *abwink
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ABWESEND
02.12.2024 18:35registriert September 2024
Also die SVP hat in der Öffentlichkeit und im Parlament am wenigsten Einfluss und doch nerven sie uns am meisten mit ihrem Blablubb?
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