Der neue Bundesrat heisst Martin Pfister. Mit grosser Wahrscheinlichkeit dürfte der Gesamtbundesrat dem Obersten, der Chef der Katastrophenhilfe der Territorialregion 3 war, am Freitag das Verteidigungsdepartement VBS übergeben. Dort muss Pfister viele Probleme lösen.
In den letzten zwei Wochen kündigten gleich drei zentrale Führungsfiguren im Verteidigungsdepartement (VBS): Armeechef Thomas Süssli, Luftwaffenchef Peter Merz und Christian Dussey, der Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB).
Es ist die wichtigste Aufgabe des neuen Bundesrats, Ersatz zu finden für diese Schlüsselpositionen. Süssli soll zwar noch bis Ende Jahr Armeechef bleiben und Dussey bis im März 2026. Die Übergangsphase mit Dussey stösst allerdings auf grosses Unverständnis in der Politik. Dussey müsse früher gehen, sagen Parlamentsmitglieder von links bis rechts. «Je früher, desto besser», wie SVP-Nationalrat Thomas Hurter im «Tages-Anzeiger» betonte.
Als neuer Chef des NDB startete Christian Dussey auf Geheiss von Bundesrätin Viola Amherd ab April 2022 eine grosse Reorganisation im Nachrichtendienst. Kaderangestellte mussten sich neu auf ihren Job bewerben. Die Umstrukturierung missglückte und führte zu einer anhaltend schlechten Stimmung in der Belegschaft. Eine Personalumfrage von 2024 bei den 450 Mitarbeitenden zeigte: Nur rekordtiefe 25 Prozent sind mit der obersten Führung zufrieden.
Inzwischen hat sich gemäss «Tages-Anzeiger» ein Drittel der Mitarbeitenden verabschiedet. Ob nachrichtendienstliche Offizierin im Bereich Terrorismus, Sektionschef in der Russlandbearbeitung oder Leiter des Rechtsdienstes: Beim NDB sind viele Stellen frei.
Das hat Folgen für die Qualität der Arbeit. Die Kantone schlugen schon Anfang 2024 Alarm. Seit der Neuorganisation beim NDB klappe der Austausch immer weniger, monierten sie. Der NDB funktioniere wie ein «Flaschenhals»: Sogar dringliche Geschäfte blieben «ungebührlich lange» liegen.
Der neue VBS-Chef muss nicht nur sehr schnell einen neuen NDB-Direktor einsetzen. Er wird wohl nicht darum herumkommen, sich persönlich darüber ins Bild setzen zu lassen, was es braucht, damit das Frühwarnsystem der Schweizer Regierung bald wieder besser funktioniert.
In einem Brief an Verteidigungsministerin Viola Amherd zeigt sich die Finanzdelegation als Finanzaufsicht des Parlaments äusserst beunruhigt über die zunehmende Zahl von bedeutenden Rüstungsvorhaben, die in grossen Schwierigkeiten stecken. Es geht dabei um ein Gesamtvolumen von 19 Milliarden Franken.
Besonders stark betroffen sind zwei IT-Projekte: einerseits die Neue Digitalisierungsplattform (NDP), die als eine Art Betriebsplattform verschiedene Systeme integrieren soll, und andererseits C2Air, ein Projekt für die Luftüberwachung. Süssli hatte vor den Medien betont, die Digitalisierungsplattform sei gegen kinetische Angriffe und gegen Cyberattacken geschützt und stehe deshalb nicht zur Debatte. Auch bei C2Air sieht er nach einem Marschhalt eine positive Entwicklung. Martin Pfister wird aber genau hinschauen müssen – und das vordringlich.
Die Lehre aus dem Ukraine-Krieg ist für Deutschland klar: Es brauche eine enorme Drohnen-Offensive, stellte die Bundeswehr fest. Und CSU-Chef Markus Söder sprach in der Welt am Sonntag gar von einer veritablen Drohnen-Armee mit 100'000 Drohnen, um ein Schutzschild zu schaffen.
Auch das Schweizer Verteidigungsdepartement hat 2024 eine Taskforce Drohnen ins Leben gerufen. Ziel ist es, in naher Zukunft unterschiedliche Drohnen in grösserer Anzahl einsetzen zu können – in Zusammenarbeit mit Schweizer Start-ups. Denn die Schweiz hat an sich ein grosses Know-how bei Drohnen.
Dennoch scheint sie international massiv im Rückstand, wenn man bedenkt, welch grosse Umwälzungen sich im Ukraine-Krieg bei den Drohnen zeigen. So hat die ukrainische Armee Drohnen-Einheiten im Einsatz. Ende 2024 hatte die Ukraine über eine Million Drohnen selbst gebaut. Und gerade folgt der nächste technologische Umbruch: Drohnen, die über eine etwa zehn Kilometer lange hyperleichte Glasfaserleitung gesteuert werden, können nicht mit Elektronik ausgeschaltet werden. Russland liegt hier vorn in der Entwicklung.
Die Schweiz hingegen schlägt sich noch immer mit dem Aufklärungsdrohnensystem herum, das sie 2015 in Israel bestellte. Es umfasst sechs Hermes-900, die eigentlich seit 2019 im Einsatz sein sollten, es aber auch 2025 noch nicht sind. Die israelischen Drohnen sind heute völlig veraltet. Sie sind mit 8,3 Metern Länge und 15 Metern Spannweite viel zu gross und werden sofort entdeckt. Zudem sind sie selbst für Aufklärungsflüge viel zu laut.
Das Problem der Aufklärungsdrohne Hermes-900 zeigt: Der neue VBS-Chef wird hier genau hinschauen und die Entwicklung markant vorantreiben müssen, will die Schweiz ihren frappanten Rückstand verringern.
Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle zeigten vor zwei Wochen Erschreckendes: Ein ehemaliger Ruag-Spitzenbeamter soll den Bund mit illegalen Panzer-Deals um Millionen betrogen haben. Das VBS wusste seit 2019 von dem Fall, unternahm aber nichts.
Das zeigt: Martin Pfister als wahrscheinlicher neuer VBS-Chef muss ein System entwickeln, über das er die Ruag besser überwachen kann. Der Bund ist Alleinaktionär der Ruag MRO. Es geht dabei um die Einhaltung von Gesetzen, Vorschriften und ethischen Standards. Der Bundesrat lässt derzeit die Rechtsform der Ruag MRO als privatrechtliche AG überprüfen. Denkbar ist, dass sie ins VBS integriert wird, das sowieso für die strategische Ausrichtung zuständig ist. (les)