In Bern kannte ihn bis vor wenigen Wochen kaum jemand. Jetzt ist der 61-jährige Zuger Regierungsrat Martin Pfister der neue Bundesrat der Mitte-Partei. Das ist bemerkenswert, denn «Quereinsteiger» haben es bei Bundesratswahlen nicht leicht. In diesem Fall galt dies erst recht, denn Kontrahent Markus Ritter gehört zu den Schwergewichten im Parlament.
Trotzdem oder gerade deshalb ist der machtbewusste St.Galler gescheitert. Längst nicht alle haben Begegnungen mit ihm in guter Erinnerung. Ritter ist ein Mann mit zwei Gesichtern: Er kann jovial und umgänglich sein, aber auch hart und rücksichtslos, wenn es um die Sache der Bauern geht. Für sie geht er nicht gerade über Leichen, aber stets ans Limit.
Ritter ist ein Ein-Themen-Politiker. Ausser der Landwirtschaft interessiert ihn wenig. Das macht ihn trotz eines klar katholisch-konservativen Profils ideologisch flexibel. Mit den Grünen geht er bei ökologischen Themen wie Biodiversität und Wölfen auf Kollisionskurs, gleichzeitig politisiert er bei Sozialstaat oder Service Public nahe bei der SP.
Dennoch gingen die sozialdemokratischen Stimmen praktisch geschlossen an Martin Pfister, was einiges darüber aussagt, wie gross die Vorbehalte gegenüber Ritter waren. Er schien zuletzt aufgeholt zu haben, auch weil Pfister in den Hearings nicht nur überzeugen konnte. Am Ende war es deshalb weniger ein Votum für den Zuger als eines gegen den St.Galler.
Jetzt ist die Zentralschweiz erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder im Bundesrat vertreten. Die Ausgangslage für Pfister ist schwierig, nicht nur weil er eher ein stiller Schaffer als ein «Macher» ist. Er kennt die komplexen Mechanismen in Bundesbern nicht und muss sich erst einarbeiten. Und er dürfte mit dem VBS ein schwieriges Departement übernehmen.
Eine Überraschung (Beat Jans?) ist nicht ausgeschlossen, doch in ersten Interviews sprach Pfister bereits wie der neue Verteidigungsminister. Auf ihn warten grosse Herausforderungen, aufgrund der geopolitischen Umwälzungen. Die Armee muss aufrüsten, doch es ist nicht klar, woher das Geld dafür kommen soll. Gleichzeitig gibt es im VBS zahlreiche Baustellen, beim Personal oder bei diversen Beschaffungsprojekten.
Vor allem in der SVP hatten viele gehofft, dass Markus Ritter dort «aufräumen» wird. Doch mit der Kettensäge wie Milei und Musk – oder schweizerisch-bäuerlich mit der Mistgabel – bringt man die IT-Projekte nicht auf Trab. Die Israelis liefern die Hermes-Drohnen nicht schneller, und die USA die F-35-Kampfjets nicht pünktlicher und zum vereinbarten Preis.
Bundesrat Pfister muss zudem neues Spitzenpersonal finden, etwa einen Nachfolger für Armeechef Thomas Süssli. Als Oberst, der nach eigenem Bekunden rund drei Jahre Militärdienst geleistet hat, besitzt er dafür das nötige Know-how. Ob er sich gegen das macht- und prestigebewusste Offizierskorps durchsetzen kann, ist eine andere Frage.
Das VBS ist kein einfacher Laden, doch in einem Punkt gibt es Grund zur Zuversicht: Martin Pfister wirkt aussenpolitisch offener als Markus Ritter, und zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit Europa und der NATO gibt es keine Alternative. Thomas Süssli betont das bei jeder Gelegenheit. Dazu gehören gemeinsame Beschaffungen, etwa mit dem Programm «European Sky Shield».
Die Schweiz steht unter akutem Trittbrettfahrer-Verdacht. Hier gilt es anzusetzen, auch mit der Finanzierung der Armee. Ohne zusätzliche Einnahmen geht es nicht, das anerkennen zunehmend selbst bürgerliche Politiker. Martin Pfister aus dem finanzstarken Kanton Zug besitzt die nötige Glaubwürdigkeit, um in dieser Hinsicht Druck zu machen.
Ob er das auch will und vor allem kann, etwa gegen die sparwütige Finanzminister Karin Keller-Sutter, wird sich zeigen. Die Erwartungen sind nicht sehr hoch, doch das kann für Bundesrat Pfister ein Vorteil sein. Er muss einfach bereit sein, die Chance zu nutzen.