Schweiz
Gesellschaft & Politik

Christoph Blocher, die letzte Schlacht: «Werden über den Tisch gezogen»

Alt-Bundesrat Christoph Blocher spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Vernehmlassung von Pro Schweiz zum EU-Vertragspaket, am Montag, 27. Oktober 2025 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Auch mit 85 Jahren zeigt Christoph Blocher keine Müdigkeit, gegen die EU anzukämpfen.Bild: keystone

Blochers letzte Schlacht: «Wir werden über den Tisch gezogen»

1992 verhinderte Christoph Blocher den EWR-Beitritt. Jetzt geht wieder um eine stärkere Anbindung an die EU. Der 85-jährige SVP-Parteivater erklärt, wie er sich engagieren will und wie es um seine Kräfte steht.
27.10.2025, 20:2927.10.2025, 20:29
Julian Spörri / ch media

Der grösste Saal des Kantons Nidwalden ist gefragt: In der Mehrzweckhalle in Stans drängen sich an diesem Oktoberabend 650 Gäste. Sie lauschen den Worten von Christoph Blocher – dem Zürcher SVP-Mann, der das Volk aufruft, die Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen und nicht an Europa abzutreten. Der vom Widerstand gegen die Classe politique spricht, vom Kampf David gegen Goliath. «Wie in einer Kirche haben Sie dem Missionar zugehört», lobt er zum Schluss das Publikum.

Das war im Jahr 1992. Blocher zog damals als Wanderprediger gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durchs Land – und brachte das Volk fast im Alleingang auf seine Seite. Zumindest jene 50,3 Prozent, die den EWR-Beitritt an der Urne ablehnten.

Der spitze Vergleich zum F-35

Jetzt, 33 Jahre später, wirft der alt Bundesrat erneut seinen Hut in den Ring, um die institutionelle Annäherung der Schweiz an Europa zu stoppen. Er will die Verträge, die der Bundesrat mit der EU ausgehandelt hat, bodigen. «Wir haben 1992 gegen alle gewonnen, die sogenannt Rang und Namen haben. Und so wird es auch jetzt wieder herauskommen», sagt Blocher am Montagnachmittag im Hotel Bern.

Während der 85-Jährige heute seine Ellbogen auf dem Tisch abstützt und gelegentlich vom Manuskript abliest, ist sein Hauptargument unverändert: Mit den neuen Verträgen würde sich die Schweiz der EU «unterwerfen». Schon der Umfang von 900 Seiten rufe nach einer Ablehnung, findet Blocher. Er beweist mit einer spitzen Bemerkung zum Preisdebakel um den F-35-Kampfjet, dass er politisch à jour geblieben ist. «Wir können ja nicht einmal ein paar Flieger kaufen in den USA. Schon ein solches ‹Verträglein› führt dazu, dass wir über den Tisch gezogen werden.» Bei einem Vertrag von 900 Seiten sei das erst recht der Fall.

Blocher will den Geldbeutel öffnen

Das Votum von Christoph Blocher erfolgt im Rahmen einer Medienkonferenz von Pro Schweiz, der Nachfolgeorganisation der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns). Der EU-kritische Verein hat zum Ende der laufenden Vernehmlassung seine (wenig überraschende) Ablehnung der neuen EU-Verträge bekannt gegeben. Pro Schweiz fordert zudem, dass bei der Abstimmung neben dem Volks- auch das Ständemehr zur Anwendung kommen soll.

War das der Auftakt Blochers zu einer erneuten Ochsentour durch die ganze Schweiz? «Ich werde mich voll engagieren», antwortet der alt Bundesrat auf eine entsprechende Frage von CH Media. Wie genau müsse er noch sehen. Sicher wird Blocher die Kampagne finanziell unterstützen – auch wenn er keinen konkreten Betrag nennen will.

In seinen Augen präsentiert sich die Ausgangslage «besser» als 1992. Damals habe er zuerst die eigene Fraktion überzeugen müssen. Heute gebe es ein breites Spektrum an Personen, die auf Podien auftreten könnten. «Ich dränge mich nirgends auf. Aber wenn ich gefragt werde, dann komme ich», stellt Blocher klar.

Alt Bundesrat Christoph Blocher gibt ein Interview waehrend der SVP an der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Volkspartei SVP, fotografiert am Samstag, 25. Oktober 2025 in Wimmis. (KEYSTONE/Ch ...
Der SVP-Übervater Christoph Blocher ist gefragt wie eh und je.Bild: keystone

Hat der 85-Jährige noch genügend Energie?

Zuletzt hatte der SVP-Parteivater seine öffentlichen Auftritte reduziert. Bei der alljährlichen Albisgüetli-Tagung hält er seit diesem Jahr keine Rede mehr. Mittlerweile sei er «ja schon fast ein Passivmitglied» der SVP, meinte er vor zwei Wochen in einem Blick-Interview zu seinem 85. Geburtstag. Im Widerstand gegen die EU-Verträge will Blocher nun aber nochmals Vollgas geben, um sein Lebenswerk zu verteidigen. Hand in Hand mit seiner Tochter, SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher, die sich innerhalb der SVP zur Wortführerin im EU-Dossier gemausert hat.

ARCHIVBILD ZUR MELDUNG, DASS SICH CHRISTOPH BLOCHER VOLLSTAENDIG AUS DER POLITIK ZUR�CKZIEHEN WIRD --- Nationalrat und EWR-Beitrittsgegner Christoph Blocher, mit Zigarre im Mund, laeutet am 30. Novemb ...
Das Husarenstück, das Blocher gerne wiederholen würde: 1992 bodigte er und seine SVP den EWR-Beitritt im Alleingang.Bild: keystone

Dass Christoph Blocher heute nicht mehr als Einzelkämpfer agiert, ist altersbedingt auch nötig. Bekannt ist, dass er 1992 nach der gewonnenen Abstimmung völlig erschöpft war. Der damals 52-Jährige zog sich im Frühjahr 1993 drei Wochen in ein abgelegenes Jagdhaus im österreichischen Vorarlberg zurück.

Heute sagt Blocher, er sei froh, wenn er in der bevorstehenden Kampagne nicht jeden Tag ausrücken müsse. Er tue einfach, was die Kräfte noch hergeben. «Nach dem Kampf kann ich Ihnen dann sagen, ob die Energie gereicht hat.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
52 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Firefly
27.10.2025 20:10registriert April 2016
«Wir werden über den Tisch gezogen»

Sagt einer der reichsten der Schweiz. Wieviele er wohl schon über den Tisch gezogen hat um seine Milliarden zu scheffeln!?
12214
Melden
Zum Kommentar
avatar
JJBlues
27.10.2025 20:01registriert Juli 2021
ER hat uns alle mit dem damaligen EWR Nein über den Tisch gezogen! Er sollte seinen letzten Herbst geniessen und besser die Klappe halten. Beim Bewirtschaften von Problemen ist die SVP seit Blochers Übernahme Spitzenklasse, Lösungen hat sie seitdem keine mehr präsentiert
10719
Melden
Zum Kommentar
avatar
Weltbürger
27.10.2025 20:12registriert März 2019
«Wir können ja nicht einmal ein paar Flieger kaufen in den USA. Schon ein solches ‹Verträglein› führt dazu, dass wir über den Tisch gezogen werden.»

Ist ja nicht so, dass seine partei glühend für die beschaffung gewesen wäre ...
8010
Melden
Zum Kommentar
52
SNB dürfte im dritten Quartal hohen Gewinn erzielt haben
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte im dritten Quartal 2025 einen hohen Gewinn erzielt haben. Laut einer Schätzung der UBS wird sie dank dem starken Anstieg des Goldpreises und der positiven Entwicklung an den Aktienmärkten ein Plus von 25 bis 30 Milliarden Franken ausweisen können.
Zur Story