Mehr Facebook, Twitter und Instagram, weniger Flyer und Plakate: Der Wahlkampf 2019 findet viel stärker als in vergangenen Jahren in den sozialen Medien statt. Um Stimmen zu holen, setzen die Parteien auf die Reichweite von Social Media – und deren Möglichkeiten, spezifische Wählergruppen mit massgeschneiderten Inhalten anzusprechen.
Mit der sogenannten Facebook Ad Library lässt sich nachverfolgen, wer politische Werbung auf Facebook schaltet. Das Online-Magazin Republik berichtete im Juli erstmals darüber, dass dieses Tool bald in der Schweiz Einzug halten werde. Seit Mitte August ist es online. Die Ad Library erlaubt einen Einblick in die Werbeausgaben der Schweizer Parteien.
Dank der Ad Library ist nicht nur einsehbar, wie viel Geld die Parteien für zusätzliche Reichweite bei öffentlich einsehbaren Beiträge ausgeben. Das Tool erlaubt es auch, jene Beiträge zu sehen, die nicht für alle Facebook-User sichtbar sind, weil sie nur an eine gewisse Zielgruppe ausgespielt werden – sogenannte «Dark Ads».
Dieses Kampagnenmittel geriet im Rahmen des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 in Verruf. Unter anderem wurden aus Russland finanzierte «Dark Ads» geschaltet, mit denen afroamerikanischen Wählern – welche überdurchschnittlich häufig für die Demokraten stimmen – davon abgeraten wurde, für Hillary Clinton zu stimmen. Dort wurde unter anderem behauptet, Clinton werde vom Ku Klux Klan unterstützt.
Auch weil der Konzern aufgrund solcher Desinformationskampagnen unter politischen Druck geriet, rief Facebook die Ad Library ins Leben.
Vollständig transparent wird die Politwerbung auf dem sozialen Netzwerk hierzulande durch die Ad Library nicht. Denn die Teilnahme bleibt freiwillig. Die meisten Parteien machen jedoch mit. Aus der Reihe tanzt einzig die SVP: Bei ihr ist noch kein Entscheid dazu gefallen, ob man freiwillig für Transparenz bezüglich Facebook-Werbung sorgen will.
Doch auch bei den teilnehmenden Parteien lässt sich der Umfang der Facebook-Werbung nicht auf den Rappen genau beziffern. Die Ad Library gibt jeweils einen Maximalwert beziehungsweise eine Spannbreite für die Werbeausgaben und die erreichten Impressionen an. Absolute Zahlen werden nicht angegeben. Unter Impressionen gibt Facebook an, wie oft eine Werbeanzeige zu sehen war.
Die Ad Library erhält auch Informationen über die User, welche die Parteien per Werbung erreicht haben: Alter, Geschlecht und Wohnort. Daten über Interessen, politische Vorlieben oder andere individuellen Merkmale gibt es hingegen nicht zu sehen.
Ausserhalb von Facebook sind die Parteien ohnehin nicht zur Transparenz verpflichtet. Im Gegensatz zu anderen Ländern kennt die Schweiz keinerlei Offenlegungspflichten bezüglich Wahlkampfausgaben.
watson hat die bisher verfügbaren Werbungen unter die Lupe genommen und eine Übersicht erstellt. Teilweise ist der Registrierungsprozess der Parteien in der Facebook Ad Library noch nicht vollständig abgeschlossen. Aus mehreren Parteisekretariaten heisst es, der Prozess sei aufwändig und die Kommunikation mit Facebook schwierig. So sind beispielsweise noch keine Angaben über die französischsprachigen Seiten von FDP und der SP verfügbar. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann unsere Auswertung somit (noch) nicht erheben.
Zusätzlich zu den Daten aus der Ad Library haben wir bei den Parteien nachgefragt, in welchem Ausmass sie bis zu den Wahlen Facebook-Werbung einplanen, ob und welche Art von zielgruppenspezifischer Werbung («Targeted Ads») geschaltet werden soll und wie sie es mit der Verwendung von «Dark Ads» halten.
Die ausgewerteten Daten entsprechen dem Stand am Dienstag, 27. August 2019 nachmittags.
Die SP Schweiz plane, gesamthaft 100'000 Franken für Online-Werbung auszugeben. Diese Summe werde jedoch nicht ausschliesslich für Facebook verwendet. Wie alle anderen Parteien setzen auch die Sozialdemokraten setzen auf zielgruppenspezifische Werbung. Allerdings wollen sie hierfür nur allgemeine User-Angaben wie Alter, Wohnort oder Geschlecht verwenden. «Gerade Informationen über politische Präferenzen erachten wir aus Gründen des Datenschutzes als heikel und wollen deshalb unsere Werbekampagne nicht darauf abstützen», so Haesler. Auf sogenannte «Dark Ads» verzichtet die SP. Die auf Facebook beworbenen Beiträge seien jederzeit auf ihrer Facebook-Seite für alle Facebook-User einsehbar.
Auch der Freisinn setzt auf zielgruppenspezifische Werbung. Allerdings stünden dabei nicht soziodemographische Daten wie Geschlecht oder Alter im Vordergrund, sagt FDP-Sprecher Martin Stucki: «Wir werden technische Zielgruppen erstellen, die sich auf Basis der Performance einer Werbung ergeben», so Stucki. Derzeit teste die FDP Werbungen mit unterschiedlichen Forderungen aus ihren Positionspapieren. «Dark Ads» werde man keine schalten.
Sprecher Martin Stucki macht auf Anfrage keine Angaben über das für Facebook-Werbung vorgesehene Wahlkampfbudget. Die FDP Schweiz nennt lediglich die Gesamtausgaben für die Kampagne: 2 bis 2.5 Millionen Franken.
Die CVP will laut Angaben des «Tages-Anzeigers» 13 Prozent ihres gesamten Wahlkampfbudgets von 2 Millionen in den sozialen Medien investieren – rund 260'000 Franken. Das sieht man auch den Beiträgen in der Facebook-Ad-Bibliothek an: Von allen Parteien liess sich die CVP die Werbung auf Facebook bisher am meisten kosten. Sie setzt ebenfalls auf «Targeted Ads», verzichtet aber auf «Dark Ads».
Die Grünen haben 50'000 Franken für Werbung in den sozialen Medien budgetiert. Generalsekretärin Regula Tschanz sagt gegenüber watson, dass man zwar auf zielgruppenspezifische Werbung setzt – etwa beworbene Posts gezielt an Frauen ausspielen lasse – aber auf «Dark Ads» verzichte. Alle Inhalte seien für alle User nicht nur in der Ad Library, sondern auch auf der Facebook-Seite der Partei zu sehen: «Das finden wir im Sinne von Fairplay demokratiepolitisch wichtig.» Zudem verzichten die Grünen aus datenschützerischen Motiven auf die Custom-Audience-Funktion von Facebook.
Die BDP wird laut Generalsekretärin Astrid Bärtschi heuer sicher mehr für den digitalen Wahlkampf ausgeben als 2015. Sie rechne derzeit mit 2 Prozent der Gesamtkosten, wobei die Arbeitsstunden hier nicht mit eingerechnet sind. Auf Facebook wird die BDP wohl ebenfalls vereinzelt auf «Targeted Ads» setzen und beispielsweise spezifisch Bewohner gewisser Kantone oder Frauen oder Männer ansprechen. Auf «Dark Ads» verzichtet die BDP, alle beworbenen Inhalte seien auf der Facebook-Seite der Partei zu sehen.
Laut Generalsekretär Michael Knöpfli will die GLP einen Sechstel ihres Gesamtbudgets für Onlinewerbung ausgeben – rund 100'000 Franken. Nebst zielgruppenspezifischer Werbung setzt die GLP als einzige der angefragten Parteien auch auf «Dark Ads», die nur den ausgewählten Facebook-Usern angezeigt werden und nicht auf der Facebook-Seite der Grünliberalen erscheinen. «Wir erzählen aber nicht der einen Zielgruppe dieses und einer anderen Zielgruppe das Gegenteil davon», so Knöpfli. Transparenz schaffe man, in dem in der Facebook Ad Library jedermann alle Inhalte sehen könne, auch die Werbungen, die nicht auf der Facebook-Parteiseite erscheinen.
Auf der Website der Ad Library kann jede und jeder mithilfe der Suchmaske nachschauen, welche Werbungen die Schweizer Parteien bisher geschaltet haben – mit Ausnahme der SVP. Dafür braucht es keinen Facebook-Account.
Alternativ kann man auch die Facebook-Seiten der Parteien besuchen und dort mithilfe der Seitentransparenz-Box die Ad Library besuchen, wo einem alle Werbungen der jeweiligen Partei angezeigt werden. Auf der mobilen Version von Facebook findet sich diese Box direkt unter den Seiteninformationen (siehe Bild), auf der Desktop-Version am rechten Rand.
In einem Land,
wo Milliardäre anonym und ohne Obergrenze
politische Parteien finanzieren können,
sind diese Zahlen ... egal.
Und sowieso:
Was am Ende rauskommt ist die
- abrakadabra - Zaubeformeldemokratie.
Spannend ist die Funktion allemal, aber ich hätte mir eher ein Artikel zu der Ad Library im allgemeinen gewünscht und in einem Jahr ein Artikel mit den Vergleichszahlen.