Nun ist es definitiv: Ignazio Cassis ist der Kandidat der Tessiner FDP im Rennen um die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter. Die Parteibasis sicherte ihm am Dienstag bei einer ausserordentlichen Versammlung ihre Unterstützung zu. Doch es gab auch kritische Stimmen.
Im Moment seiner Nominierung geriet Ignazio Cassis ins Schwitzen. Doch nicht, weil das Ergebnis knapp ausfiel – am Ende gab es nur drei Gegenstimmen –, sondern weil der amtierende Nationalrat in der sengenden Augustsonne Platz nehmen musste.
Die Tessiner FDP-Parteileitung hatte Breggia am Eingang des Tessiner Muggiotals auserkoren, um an einer «ausserordentlichen Versammlung» die Zustimmung für das bereits Anfang Juli vorgeschlagene Einerticket einzuholen.
Dies geriet am Ende zur reinen Formsache: Fast alle Parteivertreter streckten ihre gelben Wahlkarten in die Luft und machten Cassis damit zum ersten offiziellen Kandidaten für die Burkhalter-Nachfolge. Die zunächst ebenfalls als Kandidaten gehandelten Christian Vitta und Laura Sadis ergriffen beide das Wort - um den 56-jährigen Cassis zu unterstützen.
Die ehemalige Tessiner Regierungsrätin Sadis sagte, dass sie die Entscheidung der Parteileitung für ein Einerticket respektiere. Der amtierende Regierungsrat Vitta hob dagegen hervor, dass die vergangenen Wochen eine gute Werbung für das Tessin gewesen seien. Nun gebe es nur ein gemeinsames Ziel: einen Tessiner am 20. September im Bundesrat zu haben.
Kritik kam einzig von zwei FDP-Vertretern im Tessiner Kantonsparlament: Eine Einerkandidatur stelle ein grösseres Risiko dar als eine Dreierkandidatur, hiess es von ihrer Seite. Die FDP sei eine Partei des Dialogs. Deshalb wäre es gerechtfertigt gewesen, mehrere Kandidaten ins Rennen zu schicken, sagte Grossrätin Giovanna Viscardi.
Cassis selbst zeigte sich im Anschluss an die Nominierung erleichtert, weil er nun als offizieller Kandidat bestätigt sei – zugleich nehme aber auch der Druck zu, weil nun die «nationale Phase» der Nachfolge-Suche beginne.
Damit wird der ehemalige Tessiner Kantonsarzt auch Rezepte gegen die Kritik an seiner Person finden müssen. Ihm war im Vorfeld von verschiedener Seite vorgeworfen worden, als Präsident des Krankenkassenverbands Curafutura zu stark interessengebunden zu sein.
Cassis hatte diese Kritik bereits im Juli damit gekontert, dass er mit seinen Mandaten immer transparent umgegangen sei. Am Dienstag erklärte er nun, dass er sich mit seiner offiziellen Nominierung allein auf das Nachfolgerennen konzentrieren wolle und alle Mandate ruhen lassen werde. Auch den FDP-Fraktionsvorsitz wolle er abgeben.
Bevor sich Cassis im Rest der Schweiz als Kandidat beweisen muss, hat er in Breggia TI die Gelegenheit genutzt, vor seinen Anhängern für seine Kandidatur zu werben. Er stehe als Kandidat für die italienische Schweiz bereit, sagte er. Es gebe eine kulturelle Notwendigkeit, einen Tessiner Bundesrat zu haben. «Eine Schweiz ohne Italianità ist keine ganze Schweiz.»
Cassis trat aber sogleich auf die Euphoriebremse: Bis zum Wahltag am 20. September gebe es noch viele Herausforderungen. «Wir müssen uns auch bewusst sein, dass es Enttäuschungen geben könnte.» Zugleich erklärte er, die Freiheit verteidigen zu wollen. In der Schweiz bestehe die Gefahr, dass sie durch immer mehr Regeln beschnitten werde.
Mit dem Entscheid für ein Einerticket hat die Tessiner FDP der Romandie eine Vorlage geliefert, ihrerseits einen Kandidaten zu nominieren. Da Laura Sadis aus dem Rennen ist, könnte für die Westschweizer Kandidatur eine Frau infrage kommen.
Öffentlich Interesse gezeigt hat bereits die Waadtländer Staatsrätin Jacqueline de Quattro. Auch der Waadtländer Nationalrätin Isabelle Moret wurden Ambitionen nachgesagt. Neben den beiden Frauen hat sich auch der Genfer Staatsrat Pierre Maudet als möglicher Kandidat bemerkbar gemacht.
In Anbetracht dieser Konkurrenz im Westschweizer Lager verteidigte der Tessiner FDP-Präsident Bixio Caprara am Dienstag die Strategie seiner Partei. Sie habe mit der Einerkandidatur keine arrogante Entscheidung gefällt, sondern ihre Kräfte auf den besten Kandidaten konzentriert. «Ignazio Cassis entspricht perfekt dem angeforderten Profil», sagte Caprara.
Ob die Strategie richtig gewesen sei, könne erst der 20. September zeigen. Dann wählt die Bundesversammlung das neue Mitglied der Landesregierung. Bis zum 11. August können bei der FDP Schweiz Kandidaturen eingereicht werden. (sda)