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Gesellschaft & Politik

Frauensession verlangt Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht

Regula Rytz, Nationalraetin GP-BE, mit seinem Smartphone, waehrend der Frauensession 2021, am Samstag, 30. Oktober 2021, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Regula Rytz mit ihrem Smartphone während der Frauensession.Bild: keystone

Frauensession verlangt Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht – die wichtigsten Fragen

30.10.2021, 12:2530.10.2021, 12:25
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Am zweiten Tag der Frauensession im Bundeshaus haben die Teilnehmerinnen ihre Forderungen zum Thema Gewalt gegen Frauen formuliert. Sie verlangen, dass das Konsensprinzip im Strafrecht verankert wird, um Frauen bei Vergewaltigungen besser zu schützen.

Um was geht's genau?

Pünktlich um 8.15 Uhr hat am Samstag im Bundeshaus in Bern der zweite Tag der Frauensession begonnen. Die Frauen verlangen, dass das Strafgesetzbuch angepasst wird. Die explizite Zustimmung zum Geschlechtsverkehr solle im Gesetz verankert werden.

Wie sieht es denn aktuell aus?

Wer ein Nein des Gegenübers oder nonverbale Zeichen übergeht, macht sich nach heutigem Recht nicht zwingend einer Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung schuldig.

Wie wurde argumentiert?

«Wir hoffen auf grosse Unterstützung, dass wir ein Zeichen setzen und uns hinter die Betroffenen von sexualisierter Gewalt stellen», sagte Noemi Grütter für die Kommission. Frauen, die vergewaltigt werden, würden oft in eine Schockstarre (Freezing) fallen und sich nicht wehren können. Dies sei wissenschaftlich belegt. «Diese Fälle werden durch das Strafrecht heute nicht abgedeckt.»

In der Schweiz erlebe jede zehnte Frau sexuelle Handlungen gegen ihren Willen. «Das ist die ganze Stadt Zürich.» So viele Frauen würden Übergriffe erleben. «Es wird Zeit, dass wir anerkennen, dass Sex ohne Zustimmung eine Vergewaltigung ist.» Für straffreie sexuelle Handlungen soll ein Ja vorausgesetzt werden.

Was hat es mit dem «Berner-Modell» auf sich?

Der Bundesrat wird darüber hinaus mit einer Motion aufgefordert, schweizweit eine einheitliche Herangehensweise bei der Beweissicherung sicherzustellen. Im Kanton Bern wird nach dem sogenannten «Berner-Modell» seit 1986 die ärztliche Beweissicherung bei sexualisierter Gewalt durch speziell ausgebildete Beamtinnen und Beamte durchgeführt, ohne dass die Polizei eingeschaltet wird.

Warum wird eine geschlechtsneutrale Formulierung gefordert?

Weiter verlangen die Frauen vom Bundesrat, dass der Vergewaltigungstatbestand geschlechtsneutral formuliert wird. Heute kann zum Beispiel niemand wegen Vergewaltigung verurteilt werden, wenn das Opfer ein Mann ist.

«Wir alle haben mit mehr oder weniger Intensität Gewalt erlebt. Wir dachten alle, wir seien dem einfach ausgeliefert», sagte Itziar Marañón für die Kommission. «Geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt sind Teil dieses Systems. Sie prägen uns und prägen, wie wir uns in bestimmten Situationen reagieren.»

Was fordern die Frauen vom Bundesrat?

Um die Prävention zu verbessern, fordern die Frauen, dass der Bundesrat ein jährliches Budget von 0.1 Prozent des Brottoinlandprodukts BIP in den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt und die Bekämpfung von Gewalt investiert.

Schliesslich wird der Bundesrat aufgefordert, wiederkehrende nationale Präventionskampagnen zu lancieren.

Weiter auf der Tranktandenliste stehen am Samstag Forderungen zur Stellung der Frau in der Forschung, an den Hochschulen, in der Landwirtschaft und der Mutterschaft. Die Frauensession geht am Nachmittag mit den Schlussabstimmungen zu Ende. (meg/sda)

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38 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ökonometriker
30.10.2021 13:04registriert Januar 2017
Die Beweislastumkehr ist ganz heikel. Wenn zukünftig der Angeklagte seine Unschuld beweisen muss statt der Staat die Schuld des Angeklagten, geben wir eine der grössten Errungenschaften des modernen Rechtsstaats preis.

Die Begriffswahl rund um den Tatbestand der Vergewaltigung im Strafrecht sollte aber wirklich überarbeitet werden. Das kostet nichts und hilft den Opfern psychisch. Umgangssprachlich bezeichnen wir eine Schändung oder eine "sexuelle Nötigung" ohnehin als Vergewaltigung. Um der Juristerei genüge zu tun, könnte man ja von Vergewaltigung Typ A, B und C sprechen (oder so).
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FrancoL
30.10.2021 13:11registriert November 2015
Man kann das Gesetz noch so ausgleichen und griffig gestalten; Für Handlungen die sich meistens zwischen 2 Menschen ohne gross Zeugen zu haben abspielen, wird es letztendlich immer Aussage gegen Aussage bleiben. Es wird immer schwierig sein die möglichen Aussagen zu prüfen.
Darum bliebt nicht s anderes als in der Gesellschaft mehr das Bewusstsein zu stärken, solche Taten, gleich auf welcher Seite zu geisseln und zu ächten.
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