Schweiz
Gesellschaft & Politik

Die SP Schweiz vergass die Todesanzeigen für Christiane Brunner

ARCHIV - Nationalraetin und Bundesratskandidatin Christiane Brunner, SP-GE, spricht zur der Vereinigten Bundesversammlung bevor Ruth Dreifuss in den Bundesrat gewaehlt wird, am 10. Maerz 1993 in Bern. ...
Nationalraetin und Bundesratskandidatin Christiane Brunner ist im April 2025 verstorben.Bild: keystone

Die SP Schweiz vergass die Todesanzeigen für Parteiikone Christiane Brunner

Als Ex-Parteipräsident Helmut Hubacher starb, schaltete die SP Schweiz ein Dutzend Todesanzeigen, um sein Wirken zu würdigen. Als Parteiikone Christiane Brunner starb, gingen die Todesanzeigen vergessen.
27.05.2025, 09:3127.05.2025, 09:31
Lea Hartmann / ch media
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Sie war Parteipräsidentin, Bundesratskandidatin, mächtige Gewerkschafterin und glühende Feministin: Der Tod von Christiane Brunner kurz vor Ostern bedeutete für die SP, Abschied von einer ihrer prägendsten Figuren zu nehmen.

In einer Medienmitteilung würdigte die Partei die Verdienste Brunners. In Radio-, Fernsehinterviews und auf Social Media trauerte man um die Genferin, die wie keine andere für Gleichstellung gekämpft und den historischen Frauenstreik 1991 organisiert hatte. Das Motto damals: «Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen – wenn Frau will, steht alles still.»

ARCHIV - Christiane Brunner, Gewerkschaftspraesidentin aus Genf (GE), seit 1995 Staenderatin der SP, aufgenommen im Bundeshaus im Dezember 1999. Die Gewerkschafterin und fruehere SP-Praesidentin Chris ...
Christiane Brunner organisierte den historischen Frauenstreik mit.Bild: keystone

Doch eines ging im SP-Generalsekretariat vergessen: die Todesanzeigen. Es ist üblich, dass Parteien auch auf diesem Weg Abschied nehmen von ehemaligen Präsidenten – und ihnen so eine letzte Ehre erweisen. So hat die SP Schweiz nach dem Tod von Ex-Parteipräsident Helmut Hubacher vor knapp fünf Jahren in gut ein Dutzend Zeitungen Todesanzeigen geschaltet.

Im Fall von Christiane Brunner hingegen hat einzig die Genfer Kantonalpartei ihr einstiges Mitglied auf diese Art und Weise gewürdigt. Die nationale Partei ist nirgends aufgeführt.

Die SP Schweiz spricht von einem «Versäumnis»

Auf Nachfrage teilt die SP denn auch mit, dass man keine Todesanzeige veröffentlicht habe, sei «ein Versäumnis» gewesen. Ein ziemlich peinliches für die Gleichstellungspartei. Schliesslich, so schrieb die SP in ihrer Medienmitteilung, habe Christiane Brunner dank ihres unermüdlichen Engagements und ihrer unerschütterlichen Überzeugungen die Geschichte der Partei, aber auch die der modernen Schweiz, der Gewerkschaftsbewegung und des Feminismus tief geprägt. Oder in anderen Worten: Christiane Brunner war eine Ikone.

Ihre Nichtwahl in den Bundesrat 1993 war ein Katalysator für die Gleichstellung in der Schweiz. Während Jahren wurden dank dem nach ihr benannten «Brunner»-Effekt überdurchschnittlich viele Frauen in Legislativen und Exekutiven gewählt.

Doch die SP vergass nicht nur die Todesanzeigen. An der Beerdigung eine Woche nach dem Tod von Brunner war niemand von der Parteileitung anwesend. Die SP begründet das mit den Osterfeiertagen und verschiedenen Abwesenheiten. Die Parteispitze liess sich von der Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen vertreten, ihres Zeichens Vize-Fraktionschefin. Zudem war SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider an der Trauerfeier in Lausanne, um von Brunner Abschied zu nehmen.

Eine öffentliche Gedenkfeier für Brunner findet erst noch statt: Am 12. Juni – zwei Tage vor dem Frauenstreik, den Brunner 1991 erstmals initiiert hatte. Organisiert wird der Anlass von der SP Schweiz und der Genfer Kantonalpartei. Eine Chance der Wiedergutmachung. (nib/aargauerzeitung.ch)

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Clatos
27.05.2025 10:03registriert November 2024
Die junge SP-Parteispitze scheint wenig Interesse an den Verdiensten früherer Wegbereiterinnen zu haben. Als Frau Brunner für die Rechte der Schwächsten kämpfte, standen viele von ihnen wohl eher auf dem Pausenplatz als auf dem politischen Parkett. Vielleicht fehlt ihnen nicht nur das historische Bewusstsein, sondern auch das Verständnis dafür, dass das Leben endlich ist – und man nicht endlos Zeit hat, um Respekt zu zeigen.
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Hans Hinterher
27.05.2025 12:56registriert Oktober 2021
Eine Todesanzeige vergisst man nicht einfach, ich würde mich in Grund und Boden schämen. Mir ist „unwohl“ bei der aktuellen Konstellation dieser Partei.
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hauptberuflich unbequemer Furby
27.05.2025 12:23registriert Mai 2025
Ein Armutszeugnis, für eine vermeintlich soziale Partei. Gestaltet einen das Wählen gegen Rechts nicht gerade leichter.
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