Sie war Parteipräsidentin, Bundesratskandidatin, mächtige Gewerkschafterin und glühende Feministin: Der Tod von Christiane Brunner kurz vor Ostern bedeutete für die SP, Abschied von einer ihrer prägendsten Figuren zu nehmen.
In einer Medienmitteilung würdigte die Partei die Verdienste Brunners. In Radio-, Fernsehinterviews und auf Social Media trauerte man um die Genferin, die wie keine andere für Gleichstellung gekämpft und den historischen Frauenstreik 1991 organisiert hatte. Das Motto damals: «Wenn Frauen wollen, kommt alles ins Rollen – wenn Frau will, steht alles still.»
Doch eines ging im SP-Generalsekretariat vergessen: die Todesanzeigen. Es ist üblich, dass Parteien auch auf diesem Weg Abschied nehmen von ehemaligen Präsidenten – und ihnen so eine letzte Ehre erweisen. So hat die SP Schweiz nach dem Tod von Ex-Parteipräsident Helmut Hubacher vor knapp fünf Jahren in gut ein Dutzend Zeitungen Todesanzeigen geschaltet.
Im Fall von Christiane Brunner hingegen hat einzig die Genfer Kantonalpartei ihr einstiges Mitglied auf diese Art und Weise gewürdigt. Die nationale Partei ist nirgends aufgeführt.
Auf Nachfrage teilt die SP denn auch mit, dass man keine Todesanzeige veröffentlicht habe, sei «ein Versäumnis» gewesen. Ein ziemlich peinliches für die Gleichstellungspartei. Schliesslich, so schrieb die SP in ihrer Medienmitteilung, habe Christiane Brunner dank ihres unermüdlichen Engagements und ihrer unerschütterlichen Überzeugungen die Geschichte der Partei, aber auch die der modernen Schweiz, der Gewerkschaftsbewegung und des Feminismus tief geprägt. Oder in anderen Worten: Christiane Brunner war eine Ikone.
Ihre Nichtwahl in den Bundesrat 1993 war ein Katalysator für die Gleichstellung in der Schweiz. Während Jahren wurden dank dem nach ihr benannten «Brunner»-Effekt überdurchschnittlich viele Frauen in Legislativen und Exekutiven gewählt.
Doch die SP vergass nicht nur die Todesanzeigen. An der Beerdigung eine Woche nach dem Tod von Brunner war niemand von der Parteileitung anwesend. Die SP begründet das mit den Osterfeiertagen und verschiedenen Abwesenheiten. Die Parteispitze liess sich von der Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen vertreten, ihres Zeichens Vize-Fraktionschefin. Zudem war SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider an der Trauerfeier in Lausanne, um von Brunner Abschied zu nehmen.
Eine öffentliche Gedenkfeier für Brunner findet erst noch statt: Am 12. Juni – zwei Tage vor dem Frauenstreik, den Brunner 1991 erstmals initiiert hatte. Organisiert wird der Anlass von der SP Schweiz und der Genfer Kantonalpartei. Eine Chance der Wiedergutmachung. (nib/aargauerzeitung.ch)