Es war das Kuriosum an der gestrigen Grossratswahl im Kanton Thurgau. Die SP jubelte über vier zusätzliche Sitze im Parlament, bei einem davon war zunächst jedoch nicht klar, an wen er ging.
Der Grund: Sandrine Nikolic-Fuss und Monika Böhi erhielten im Bezirk Münchwilen exakt gleich viele Stimmen – je 1370. watson erreicht Nikolic-Fuss tags darauf am Telefon. «Zuerst habe ich mich mit Waltraud ‹Traudi› Schönegger gefreut, wir belegten die ersten beiden Plätze. Zwei SP-Sitze in Münchwilen aufs Mal, das hat es, glaube ich, noch nie gegeben.» Sie habe vor lauter Interviews nicht mal Zeit gefunden, ihren Mann anzurufen, so Nikolic-Fuss.
Schönegger kandidierte auf Listenplatz 1 und erzielte 1551 Stimmen, Nikolic-Fuss auf Listenplatz 2, Böhi auf Listenplatz 3.
«Man sah zunächst nur, wer die Sitze erhält. Das waren Waltraud Schönegger und ich. Eine halbe Stunde später kam dann die offizielle Meldung, dass zwei Personen die exakt gleiche Stimmenanzahl erzielten und das Los entscheiden werde», so Nikolic-Fuss weiter.
Die Auslosung fand gleich am Abend des Wahlsonntags statt, gezogen wurde der Name von Sandrine Nikolic-Fuss. «Es war eine Achterbahn der Gefühle, aber im positiven Sinne.» Trotz allem sei sie den ganzen Tag sehr entspannt gewesen, so Nikolic-Fuss. «Wir hofften auf einen zweiten SP-Sitz in Münchwilen, aber ganz ehrlich: Ich habe nicht wirklich daran geglaubt.»
Und wie geht es Monika Böhi, die die Wahl ins Kantonsparlament auf die knappstmögliche Art und Weise verpasst hat? «Das ist natürlich fies und schade», sagt die Sozialarbeiterin am Telefon. «Zunächst freute ich mich über die vielen Stimmen, die ich erhalten habe, jetzt im Nachhinein ist es natürlich bitter.»
Als das Unentschieden zwischen den beiden SP-Frauen klar wurde, war Böhi nicht mehr vor Ort. «Ich war zu Beginn im Wahlzentrum, musste dann aber gehen, weil wir am Abend den Zirkus Knie besuchten.» Böhi wurde am Telefon informiert.
Im Moment helfe ihr der Alltag, das knappe Resultat zu verarbeiten. «Beruf, Kinder, Familie, es geht weiter.» Mit Nikolic-Fuss habe sie sich mittels Kurznachrichten bereits ausgetauscht, «wir werden sicher noch telefonieren». Auch werde sich Böhi weiter politisch engagieren. «Ob ich in vier Jahren nochmals zur Wahl antreten werde, weiss ich jetzt jedoch noch nicht.»
Auch für die Thurgauer SP-Kantonalpräsidentin Marina Bruggmann war das Patt ein Novum. «So etwas habe ich noch nie erlebt, das gibt es nur ganz selten.» Sie freue sich nun vor allem über den zusätzlichen Sitz in Münchwilen, «ein Top-Resultat».
Und wie geht es weiter für die frisch gewählte Sandrine Nikolic-Fuss? «Ich bin völlig überrascht, völlig überwältigt, freue mich jetzt aber mega. Ich realisierte: Jetzt muss ich all die Sitzungen irgendwie in meinen bereits proppenvollen Kalender reinkriegen.»
Nikolic-Fuss hat in Geschichte promoviert und fliegt seit fast 25 Jahren als leitende Flight Attendant für die Swiss um die Welt. Zudem ist sie Präsidentin der Kabinengewerkschaft Kapers und kämpft so seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen.
Zeigt aber schön auf, dass bei solchen Wahlen jede Stimme zählt.
Das stelle ich mir noch heftiger vor. Erst wirst du informiert «gratuliere, du bist im Nationalrat» und dann später «ou hoppla sorry gäu».