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Gesellschaft & Politik

Schweiz: Chancenlose, teure Initiativen – Politiker wollen Alternative

Chancenlose und teure Initiativen – jetzt wollen Schweizer Politiker eine Alternative

Zwei Volksinitiativen sind an der Urne gestern krachend gescheitert. Braucht es eine Alternative zu diesem Instrument? Sechs Parlamentarier aus sechs Parteien lancieren eine Idee.
01.12.2025, 05:2101.12.2025, 05:21
Benjamin Rosch / ch media

Das Volk hat immer Recht. Und gerade wieder hat es recht den Kopf geschüttelt: Die nationale Erbschaftssteuer der Juso blieb genauso chancenlos wie ein freiwilliger Bürgerdienst für alle.

Die Volksinitiative ist die vielleicht schärfste Waffe in der Schweizer Politik. Sie ist das Versprechen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin einen Wunsch ins System einbringen, im Äussersten sogar in die Verfassung schreiben kann.

Aktivistinnen der JUSO mit Praesidentin Mirjam Hostetmann, 2. von links, machen mit Plakaten von wohlhabenden Schweizer Erben Werbung fuer ihre Volksinitiative "Initiative fuer eine Zukunft" ...
Die Juso-Initiative für eine hohe Erbsteuer war am Sonntag ebenso chancenlos wie die Idee eines Bürgerdiensts.Bild: keystone

Vielleicht gerade darum ist sie als Instrument nicht besonders erfolgreich. Nur etwas mehr als zehn Prozent aller Volksbegehren, die zur Abstimmung gelangen, werden von Volk und Ständen auch angenommen. Häufig lautet die Bilanz für einen nationalen Abstimmungstermin, wie ihn die Juso- und die Service-Citoyen-Initiative nötig gemacht haben: Ausser Spesen nichts gewesen.

Die Kosten für dieses kollektive (Aus-)Üben der Grundrechte betragen rund 7,5 Millionen Franken, berechnete einst die Staatskanzlei. Darin enthalten sind der Druck der Abstimmungsunterlagen, deren Versand und die Entschädigungen für die Stimmenzähler.

Sechs Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus sechs Parteien fordern nun einen neuen Weg. Sie politisieren für die SVP, die SP, die Mitte, die Grünen, die EVP und die GLP. Einzeln haben sie im Herbst in einer konzertierten Aktion gleichlautende Postulate eingereicht, welche die Prüfung einer Volksmotion verlangen.

Zwitter zwischen Initiative und Petition

Es handelt sich dabei um ein neues Mittel der Demokratie, um einen Zwitter zwischen Volksinitiative und Petition. Letztere sei zwar leicht zugänglich, «aber wenig verbindlich, da eine einzige Unterschrift ausreicht und das Parlament nicht verpflichtet ist, darauf zu reagieren», schreiben die Parlamentarier. Mit einer Volksmotion könnten Menschen aus der Bevölkerung eine Idee aufs politische Tapet bringen, ohne dass sie deren enormen Aufwand schultern müssten.

«Auch ich hatte am Anfang viele Sympathien für die Service-Citoyen-Initiative», sagt die Aargauer Mitte-Nationalrätin Maya Bally. «Aber vielleicht wäre diese genau ein Beispiel für eine Idee, die von einem niederschwelligen Zugang profitiert hätte. Dann hätte eine Parlamentskommission beispielsweise die Frage zur Rolle der Frauen noch besser abstimmen können.» Bally gehört zu jenen sechs Politikerinnen, welche einen Vorstoss zur Volksmotion eingereicht haben.

Die Idee dazu ist indes nicht neu. Bereits 2012 nahm der damalige parteilose Ständerat Thomas Minder einen Anlauf, die Volksmotion zu lancieren. «Das Quorum für die eidgenössische Volksmotion könnte im Bereich von etwa 15'000 bis 25'000 Stimmberechtigten liegen, die maximale Sammelfrist bei etwa 9 bis 18 Monaten», schwebte ihm vor. Minder blieb chancenlos, lediglich fünf andere Ratsmitglieder stimmten mit ihm.

Auf eine genaue Zahl festlegen will sich Bally nicht. Um eine gewisse Hürde einzubauen, dürften aber mehrere zehntausend Unterschriften nötig sein. Für eine Volksinitiative braucht es 100'000 beglaubigte Unterschriften, für ein Referendum 50'000.

Fünf Kantone kennen die Volksmotion ausserdem bereits seit Jahren: Solothurn, Schaffhausen, Freiburg, Neuenburg und Appenzell Ausserrhoden. Auf nationaler Ebene wollte der Bundesrat 2012 indes nichts wissen von diesem Instrument. Mehr Rechte bedeuteten nicht mehr Demokratie, urteilte die Regierung und empfahl Minders Motion zur Ablehnung.

Überraschung aus dem Bundesrat

Dreizehn Jahre später hat der Wind gedreht. Vor etwas mehr als einer Woche gab der Bundesrat bekannt, dass er die Postulate zur Volksmotion annehmen will. Bis die Volksmotion Realität würde, ist es aber noch ein langer Weg: Ein Postulat verlangt lediglich einen bundesrätlichen Bericht. Bis zur Erweiterung der demokratischen Rechte wird die Schweiz noch über so manche Volksinitiative abstimmen – und vielleicht sogar auch die eine oder andere annehmen. (aargauerzeitung.ch)

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