Herr Mörgeli, die Universität Zürich betreibt Geheimniskrämerei um den Expertenbericht zu den von Ihnen betreuten Dissertationen …
Christoph Mörgeli: Das war keine gesetzeskonforme Evaluation, sondern eine öffentliche
Demütigungsveranstaltung meiner arbeitsrechtlichen Rekursgegnerin und damit einer
Partei.
Dazu kommen wir noch. Aber erstmal bleibt die Frage, warum Sie sich gegen die Veröffentlichung des Berichtes wehren. Es wird doch keine der von Ihnen begutachteten Dissertationen als ungenügend bewertet und es werden ja auch keine Doktortitel aberkannt?
Das ist richtig. Korrekt ist auch der neue Entscheid, dass die Namen der Experten
veröffentlicht werden müssen. Ich wehre mich aber gegen die Veröffentlichung, weil ich
voll vor meine Doktoranden und deren Persönlichkeitsrechte stehe. Deren Arbeiten
werden im Bericht so besprochen, dass ihre Identitäten auch bei Einschwärzung
der Namen festgestellt werden können. Und nach der Schmutzkampagne, welche
die «Rundschau» gegen meinen wissenschaftlichen Ruf gefahren hat, werde ich nicht
auch noch Reputationsschäden für meine Doktoranden zulassen.
Wie viele bei Ihnen entstandene Dissertationen sind denn begutachtet worden? Und wie viele von Ihren Institutskollegen?
Es wurden 39 Doktorarbeiten des Medizinhistorischen Instituts willkürlich ausgesucht,
wovon über die Hälfte von mir betreut worden ist. Diese Zahlen belegen, dass ich mit
grossem Abstand der fleissigste Doktorvater war. Aber offensichtlich wird heute Fleiss
und Effizienz mit der Entlassung bestraft.
Gut gegeben! Aber warum zeigen Sie der Öffentlichkeit den Bericht nicht einfach selber? Dann wüsste man, ob Sie sehr fleissig oder einfach sehr wohlwollend waren.
Nein. Das kann ich aus genanntem Grund nicht. Zudem will ich diese Evaluation aus dem Recht weisen, weil sie widerrechtlich zustande gekommen ist. Die Expertenkommission hat mich nie angehört. Es ist nicht einmal bekannt, wer die sogenannten Experten waren, die meine akademische Sorgfaltsplicht untersucht haben wollen.
Was kritisieren Sie konkret am Bericht der internationalen Experten?
Die Berufung und Zusammenstellung erfolgte widerrechtlich und ohne Einbezug der
Evaluationsstelle der Universität. Und zwar durch die Universität, die alles Interesse hat,
meine Entlassung nachträglich zu rechtfertigen. Die Expertenkommission hat mich als
Untersuchungsobjekt nie angehört, mir also das rechtliche Gehör verweigert. Wegen der
Anonymität ist nicht einmal bekannt, wer die sogenannten Experten waren und welche
Qualifikation sie zur Beurteilung meiner Arbeit mitbringen.
Doch. Einer ist bekannt. Der Heidelberger Professor Eckart. Haben Sie ihn mit den Vorwürfen konfrontiert?
Ich habe mit diesem Herrn keinen Kontakt und weiss nur, dass sein engster Mitarbeiter
in Heidelberg mit meinen institutsinternen Widersachern aufs Engste befreundet ist.
Die Kriterien, nach denen die Dissertationen beurteilt worden sind, würde ich ernsthaft
hinterfragen.
Welche Kriterien im Speziellen?
Insbesondere wurde nicht thematisiert, dass der damalige Institutsvorsteher
Flurin Condrau mich und 11 meiner Doktoranden zwang, ihre Dissertationen innert
eines halben Jahres abzuschliessen. Was dies für klinisch tätige Ärzte heisst, kann sich
jedermann vorstellen. Genau so klar ist, dass unter solch enormem Zeitdruck kaum mehr
das Prädikat «hervorragend» zu erreichen ist. Eine Expertenkommission hätte auch den
wissenschaftlich-ehthisch-menschlichen Skandal von Condraus Zeitdruck thematisieren
müssen.
Wer die anderen beiden Gutachter sind haben Sie noch immer nicht herausfinden können?
Nein. Ein Jurist dürfte noch dabei gewesen sein und wahrscheinlich ein Mediziner. Aber
ich weiss nicht wer. Solche Geheimzirkel gehören in eine Bananenrepublik, aber nicht in
die Schweiz. Die Einsetzung dieser Kommission war ein Kniefall vor der «Rundschau»,
hat aber trotzdem das für das Staatsfernsehen verheerende Verdikt ergeben, dass alle
Dissertationen unter meiner Leitung den Ansprüchen genügen.
Dann können Sie uns ja problemlos Einblick in diesen Bericht geben!
Nein, denn es handelt sich trotz allem um ein Vehikel des Mobbings und der
Rufschädigung gegen einen SVP-Exponenten. Ich werde darum alles daran setzen,
diesen Bericht auf gerichtlichem Weg aus dem Recht zu weisen, darum kann ich Ihnen
das Papier sicher nicht zeigen.
Den Rechtsweg sollten Sie vielleicht besser nicht weiter beschreiten. Oder wenigstens einen guten Anwalt nehmen. Sie haben mehrere Fristen verpasst und formale Fehler gemacht. Das Bundesgericht hat sich sogar über Sie lustig gemacht. Warum tun Sie sich das noch an?
Das Bundesgericht hat derzeit wenig Grund, sich über irgendjemanden lustig zu
machen. Es handelt sich um einen Normalfall im Instanzenweg. Ich brauchte länger als
drei Monate, um zu beweisen, dass die beiden Hauptzeugen der angeblich so leicht
zu erreichenden Dissertationen bei mir gar nie doktoriert haben. Ein katastrophaler
Befund für die «Rundschau». Doch das Gericht wollte diesen Umstand leider nicht
berücksichtigen und hat streng formalistisch argumentiert.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sie verwechseln die Beschwerde gegen das UBI-Verdikt mit der Strafanzeige gegen die «Rundschau»-Journalisten, mit der sich das Bundesgericht noch nie befasst hat, weil die Staatsanwaltschaft Zürich gar nicht darauf eintrat, nachdem Sie eine Frist verpasst hatten.
Die beiden Verfahren hängen zusammen. Wenn die Strafuntersuchung zeigt, dass die «Rundschau» die falschen Kronzeugen gezeigt hat, dann muss auch die UBI über die Bücher. Ich werde früher oder später zu meinem Recht kommen. Es
dauerte eineinhalb Jahre, bis SP-Regierungsrätin Aeppli enttarnt wurde, die unter offenkundigem
Amtsmissbrauch meine fristlose Entlassung befohlen hat.
Sie haben bei Ihrer Beschwerde an das Bundesgericht vergessen, das für Sie ungünstige und angefochtene Urteil der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI) beizulegen!
Die UBI wollte meine sechs Hauptvorwürfe gar nicht abklären. Keine einzige der von mir
betreuten Dissertationen war ungenügend – kein einziger Doktorand musste seinen Titel
zurückgeben. Der im Schattenbild gezeigte erste Hauptzeuge zu den angeblich von mir
durchgewinkten Dissertationen hat nie einen Doktortitel erhalten.
Und der zweite Kronzeuge?
Dasselbe gilt für den
zweiten Hauptzeugen und Empfänger eines in der Sendung gezeigten handschriftlichen
Schreibens von mir. Dieses Schreiben liegt nicht im Universitätsarchiv, wie von
der «Rundschau» behauptet, was eine schriftliche Bestätigung dieses Archivs belegt.
Was gedenken Sie nun zu tun?
Ich werde die Beweise dafür, dass die «Rundschau» falsche Doktoren als Kronzeugen
präsentierte, erneut vortragen. SRF-Superintendant Ruedi Matter muss sich seiner
Verantwortung stellen. Wieso hat diese Firma einen hochbezahlten CEO, wenn er keine
Verantwortung trägt und bei nachweislicher Manipulation der Zuschauer disziplinarisch nicht durchgreift.
Warum tun Sie sich das an? Jeder Historiker, der den fraglichen «Rundschau»-Bericht gesehen hat, weiss, dass der eine Frechheit war. Alt- und Mittelhochdeutsch editieren als Abschreiben zu bezeichnen, ist ein Affront. Warum sind Sie nicht aus dem Studio gelaufen?
Sie und ich wissen, dass solche Transkriptionen für die historisch-wissenschaftliche
Arbeit zehnmal wertvoller sind, als zwei Bücher zu einem dritten zusammenzuschreiben.
Die Profi-Historiker oder Profi-Medizinhistoriker können mit den Transkriptionen der
methodisch naturgemäss weniger bewanderten Mediziner viel bequemer forschen.
Aber die verantwortlichen Fernsehjournalisten haben den beruflichen Hintergrund von
kaufmännischen Angestellten.
Auch kaufmännische Angestellte könnten darauf kommen. Und «Rundschau»-Leiter Mario Poletti ist Historiker.
Ja, aber er hat an der Universität Bern offensichtlich nie eine mittelalterliche oder
frühneuzeitliche Handschrift transkribiert. Sonst hätte er es nicht durchgehen lassen, dass so
etwas als Abschreiben bezeichnet wird. Der breiten Öffentlichkeit fehlt diese Erfahrung
ja auch. Deshalb funktionierte der Angriff auf meine wissenschaftliche Reputation
und letztlich auf die der Geschichtswissenschaft als Ganzes. Aber gegen solch
perfide Methoden muss ich mich wehren. Nicht nur für mich, auch im Namen der
wissenschaftlichen Disziplin Geschichte.
Wieder mal eine Plattform für Herr Mörgeli!
Wenden wir uns doch Wichtigerem zu!