Schweiz
Gesellschaft & Politik

Tampons und Binden: «Frauen wählen es sich nicht aus, zu menstruieren»

Tampons in einem Glas, fotografiert am Donnerstag, 21. Februar 2019, in Zug. Der Bundesrat will den Mehrwertsteuersatz fuer Damenhygieneartikel senken. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
National- und Bundesrat haben die Mehrwertsteuerreduktion für Tampons und Binden schon angenommen – heute entscheidet der Ständerat. Bild: KEYSTONE

Günstigere Tampons und Binden: «Frauen können es nicht aussuchen, zu menstruieren»

Der Ständerat entscheidet heute, ob die Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel gesenkt werden soll. Die Steuersenkung hat sich zu einem Politikum entwickelt. SP-Politikerin Regula Müller findet, dass die Menstruation enttabuisiert werden müsse.
28.02.2023, 05:2828.02.2023, 13:28
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In der Schweiz bezahlen die Frauen 7,7 Prozent Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel. Das ist mehr als auf Lebensmittel, Medikamente, Zeitungen und Bücher. Letztere gelten als Produkte des täglichen Bedarfs – Binden und Tampons nicht.

Frauenrechtsorganisationen haben die aktuelle Regulierung immer wieder scharf kritisiert, sie argumentieren, dass Tampons und Binden auch in die Kategorie des täglichen Bedarfs fallen würden und sie somit günstiger sein sollten für Konsumentinnen.

Das sieht auch die SP-Politikerin Regula Müller, die im Luzerner Grossstadtrat sitzt, so: «Wir müssen aufhören, dieses Thema zu tabuisieren. Für mich ist in dieser Diskussion hauptsächlich eines wichtig: Man soll anerkennen, dass wir Frauen es uns nicht aussuchen zu menstruieren. Die Hygieneartikel werden monatlich benötigt, wir sind darauf angewiesen. Deshalb sollten sie gratis oder zumindest billiger werden.»

ARCHIV - In Schottland sollen Binden, Tampons und �hnliche Artikel k�nftig kostenlos erh�ltlich sein. Foto: Andrew Milligan/PA Wire/dpa
In Schottland demonstrierten Frauen für gratis Damenhygieneartikel, heute werden diese an verschiedenen Orten, z. B. Universitäten, kostenfrei angeboten. Bild: sda

Auf parlamentarischer Ebene wird der Sachverhalt schon länger diskutiert. Deshalb entscheidet heute der Ständerat, ob die Mehrwertsteuer für Damenhygieneartikel reduziert werden soll.

Die Motion, über die der Ständerat abstimmt, wurde im Dezember 2018 vom ehemaligen SP-Nationalrat Jacques-André Maire eingereicht. Ihre Chancen scheinen vielversprechend: Sie wurde bereits vom National- und Bundesrat angenommen. Jetzt müsste nur noch der Ständerat zustimmen, doch die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben beantragt, die Motion abzulehnen. Das Thema ist umstritten: Maires erster Vorstoss im Jahr 2016 wurde abgelehnt.

Die SVP und die FDP stellen sich noch immer gegen die Motion. Denn das Mehrwertsteuergesetz sei aktuell schon zu komplex – laut Thomas Burgherr (SVP/AG) würden zusätzliche Ausnahmen den Gesetzgebungsprozess noch mehr erschweren.

Gratis Tampons an Luzerner Schulen

Eine Steuerreduktion auf nationaler Ebene würde bedeuten, dass etwa eine Packung Tampons, die heute 3.80 Franken kostet, neu rund 20 Rappen billiger wäre. Auf den ersten Blick scheint das nicht wahnsinnig viel Geld zu sein, aber laut einer Umfrage des RTS geben Frauen während ihres ganzen Lebens bis zu 4500 Franken für Tampons und Binden aus. Das heisst, sie könnten mit einer Mehrwertsteuerreduktion rund 200 Franken sparen.

binden tampons
Die Mehrwertsteuerreduktion würde in den meisten Fällen nur einen kleinen Preisunterschied bedeuten. Bild: shutterstock

Müller sagt: «Das ist für einige Menschen nicht viel Geld. Aber für junge Menschen und Personen, die wenig verdienen, können auch ein paar Rappen schon einen Unterschied machen.»

«Für mich ist das logisch, dass es auf einer Damentoilette gratis Tampons und Binden hat.»
Regula Müller

Während gesamtschweizerisch über die Mehrwertsteuer diskutiert wird, steht die Stadt Luzern an einem anderen Punkt. Dort hat Müller mit einem Postulat bereits durchgebracht, dass Tampons und Binden an Luzerner Schulen bald gratis abgegeben werden.

Auf die Frage hin, weshalb ihr diese Angelegenheit wichtig ist, sagt sie: «Für mich ist das logisch, dass es auf einer Damentoilette gratis Tampons und Binden hat – so wie Toilettenpapier zur Verfügung steht. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein.»

Deutschland: Hersteller erhöhten Preise

Während das Schweizer Parlament über die Reduzierung der Mehrwertsteuer diskutiert, sind andere Länder schon weiter: Australien, Kanada, Irland, Indien, Kenia, Libanon, Nicaragua, Nigeria und Tansania haben die Mehrwertsteuer für Tampons und Binden gänzlich abgeschafft.

Doch werden die Tampons für die Konsumentinnen wirklich billiger? Das Beispiel von Deutschland zeigt, dass das nicht unbedingt der Fall ist. Die Mehrwertsteuer auf Damenhygieneartikel wurde zu Beginn von 2020 reduziert. Aber laut verschiedenen Medienberichten haben die Hersteller den Preis von Menstruationsprodukten zeitgleich erhöht. Als Grund für die Preiserhöhung hat beispielsweise Johnson & Johnson die verbesserte Qualität der Produkte genannt.

Alex von Hettlingen vom Schweizer Konsumentenschutz ist skeptisch: «Steigende Vorleistungs- und Produktionskosten – wie eben auch Steuern – werden immer sehr schnell und konsequent durch Preiserhöhungen kompensiert. Kostensenkungen führen demgegenüber nach unserer Erfahrung oft nicht, nur teilweise oder nur mit grosser Verzögerung zu tieferen Preisen.»

Er fügt an: «Falls der Mehrwertsteuersatz gesenkt wird, werden wir die Entwicklung der Preise der Damenhygieneartikel aber überwachen und medial begleiten.»

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355 Kommentare
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Hirngespinst
28.02.2023 05:58registriert August 2019
MWSt wird um -.20 gesenkt.
Hersteller erhöht den Preis zeitgleich um -.20, wegen 'steigender Produktionskosten'.

Ein Schelm, wer Böses denkt...
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Bits_and_More
28.02.2023 06:37registriert Oktober 2016
Reine Symbolpolitik. 200 Stutz in ca. 35 - 45 Jahren eingespart... Genau, DAS sind die grössten Probleme in unserem Land und zum Glück hat endlich der gesamte Behördenapparat etwas dagegen unternommen.
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hans gwüsst
28.02.2023 07:00registriert Januar 2016
Wenn die Qualität der gratis Tampons auf den Toiletten ähnlich wie die des WC Papiers ist, dann würde sie wohl niemand freiwillig benutzen.
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