In Basel müssen Top-Verdiener bald mehr Steuern bezahlen. Die Bevölkerung hat die Juso-Initiative mit 52.7 Prozent gutgeheissen. So sollen neu Einkommen ab 200 000 Franken stärker besteuert werden. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt: «Wenn das Volk am gleichen Tag sowohl über Kürzungen der Sozialhilfe und 2-Milliarden-Geschenke für Unternehmen abstimmen muss, braucht es eine Kurskorrektur.» An dieser arbeiten die Juso auf kantonaler und auf nationaler Ebene: Der Kampf um die Verteilgerechtigkeit geht in eine neue Runde.
Der Ausgangspunkt ist unverändert: Reiche schöpften die Gewinne ab und profitierten, während der Rest der Bevölkerung höchstens stagniere, so die Kritik. Die ungleiche Verteilung nehme zu, sagt Mattea Meyer, Zürcher SP-Nationalrätin. «Die Schere zwischen den sehr Vermögenden und Normalverdienenden öffnet sich.» Das spürten die Menschen direkt im Portemonnaie. «Sie haben genug davon, dass ihre finanzielle Belastung mit Steuern, Sozialausgaben und Krankenkassenprämien andauernd steigt.» Der Basler SP-Nationalrat Beat Jans ergänzt, das Problem der Verteilgerechtigkeit werde gerne unterschätzt, weil man die obersten zehn Prozent der Vermögen anschaut. «Dabei steigen just beim höchsten Prozent die Vermögen ins Unermessliche.»
Um dies zu unterbinden, haben die Juso vor zwei Jahren die 99-Prozent-Initiative lanciert und wollen etwa Dividenden, Mieteinnahmen und Zinserträge höher besteuern. Gestern hat die Bundeskanzlei die Unterschriften beglaubigt, die Initiative kommt also dereinst vors Volk. Funiciello rechnet ihr gute Chancen zu: «Wenn die reichsten 300 Menschen in einem Jahr ihr Vermögen um 60 Milliarden vermehren, alle anderen aber nichts davon profitieren, wollen das die Leute nicht weiter schlucken.» Auch in Zürich steht eine Initiative vor der Abstimmung, die Reiche stärker besteuern will. Die Juso reagieren damit auf die seit Jahren schwelende Diskussion, Leistungen des Staates abzubauen, sagt Funiciello. «Wir wollen den Diskurs auf die Einnahmeseite verlagern.» Sprich: Neue Steuern erheben.
Der Erfolg in Basel muss jedoch aus drei Gründen relativiert werden. Erstens sind die Juso mit einem ähnlichen Begehren im Kanton Aargau zuletzt gescheitert. Zweitens ist Basel ein Sonderfall: Der Kanton tickt linker als andere. Das zeigte sich bei früheren Abstimmungen zur Verteilgerechtigkeit, etwa bei «1:12». Und drittens galt die Vorlage der Juso als «moderat». Freilich will die SP Basel-Stadt nicht als Sonderfall anerkennen. Das Bild der ungerechten Verteilung und des Sozialabbaus zeichnet sie lieber für die ganze Schweiz.
Allerdings taugt just Basel für diese Argumentation nicht. Der Stadt-Kanton wirtschaftete in den letzten fünf Jahren derart gut, dass jeweils ein Überschuss im dreistelligen Millionenbereich heraussprang. Für FDP-Parteipräsident Luca Urgese gibt es keinen vernünftigen Grund für eine Steuererhöhung: «Dem Kanton geht es blendend.» Auch die Umsetzung der nationalen Steuervorlage, die Basel rund 150 Millionen Franken kosten wird, sollte der Kanton ohne Probleme finanzieren können. Abbau ist ebenfalls kein Thema. «Wir investieren in Schulen, stellen mehr Lehrer an und geben auch für die Kultur mehr Geld aus», sagt Urgese. Im Sozialbereich seien die Ausgaben in fünf Jahren um 100 Millionen gestiegen. «Wir bauen nicht ab. Wir schaffen es ja nicht einmal, die Ausgaben zu bremsen», so der FDP-Präsident, der nun befürchtet, dass gute Steuerzahler in Nachbarkantone abwandern und so Basel-Stadt plötzlich wichtige Einnahmen fehlen.
Weitere Reichensteuer-Initiativen sind derzeit nicht geplant. Entscheidend wird die Abstimmung in Zürich sein, wo die Juso hohe Einkommen stärker besteuern und tiefe entlasten wollen. Im Vergleich zu heute stiege die Progression ab einem steuerbaren Einkommen von 120 000 Franken. Nina Hüsser von den Juso Zürich rechnet der Initiative gute Chancen zu; auch diese Vorlage gilt als «moderat». Zudem habe der Kanton die Steuern für die Reichen zuletzt massiv gesenkt, etwa bei der Erbschaftssteuer oder Unternehmenssteuer. «Reformen, von denen der normale Bürger nicht profitiert.» Das Muster, dass die Juso nun auf «moderate» Initiativen setzen, um sie mehrheitsfähig zu machen, wäre übrigens ein falscher Eindruck – und wird auch von der Präsidentin bestritten. Die Radikalität der Initiativen liegt wohl eher im Auge des Betrachters.